Überwachung modularer Prozesseinheiten Diagnose für modulare Prozesse

Phoenix Contact Deutschland GmbH

Wie können modulare Einheiten überwacht werden? Die Namur hat eine aktuelle Empfehlung dazu herausgegeben.

Bild: iStock, da-kuk
01.08.2022

Aufgrund modular aufgebauter Produktionsanlagen kann die Prozessindustrie künftig flexibler auf sich ändernde Marktanforderungen reagieren. Allerdings ergeben sich neue Herausforderungen, etwa in puncto Monitoring und Diagnose. Eine aktuelle Namur-Empfehlung zeigt auf, wie modulare Prozesseinheiten zielgerichtet überwacht werden können und welche Rolle der NOA-Seitenkanal dabei spielen wird. Erste „PEAs“ bringen das nötige Rüstzeug 
bereits mit.

Der modulare Anlagenbau gilt für große Teile der Prozessindustrie als Schlüssel zu einem nachhaltigen Markterfolg. In Zukunft sollen Anlagen schneller entstehen oder umgebaut werden. Zur Automatisierung derartiger Anlagen eignen sich sogenannte Module Type Packages (MTP), welche die Funktionen der Prozessmodule beschreiben. Der Modulhersteller liefert zu jeder modularen Prozesseinheit (Process Equipment Assembly, PEA) ein MTP mit, das in das Engineering-Tool des Anlagenbauers importiert wird. Ein MTP kann unter anderem die Information zur servicebasierten Prozessführung des Moduls sowie zu damit verbundenen Alarminformationen enthalten.

Die Vorteile des Konzepts liegen folglich nicht nur in der schnelleren Errichtung und höheren Flexibilität der Anlagen. Das gesammelte Know-how des Modulbauers trägt zu einer Verbesserung der Diagnose und Instandhaltungsprozesse bei, was in einer hohen Verfügbarkeit resultiert. Zeichnet sich jede einzelne PEA durch eine hohe Verfügbarkeit bei möglichst geringen Wartungskosten aus, profitiert die Gesamtanlage.

Zusammenfassung verschiedener Datenquellen

Beim Stichwort Diagnose denken viele Akteure der Prozessindustrie an NOA: Die Namur Open Architecture leistet einen wichtigen Beitrag, um die Diagnosedaten aus der Produktion für die Anlagen-und Geräteüberwachung nutzbar zu machen. NOA und MTP gelten als kompatibel, weshalb NOA bei der Überwachung von Prozessmodulen eine Rolle spielen wird. Ein Baustein des NOA-Konzepts, das in den Namur-Empfehlungen NE 175 bis NE 179 beschrieben wird, ist der NOA Aggregation Server (NE 179). Er fasst verschiedene NOA-Datenquellen zusammen, sodass die Daten zentral für das Monitoring und damit für Instandhaltungs- und Optimierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Genau das ist bei der Diagnose von PEAs gefragt. Denn so lässt sich schnell eine Aussage über den Gesamtzustand der Prozesseinheit treffen, also ob sie voll einsetzbar, defekt oder wartungsbedürftig ist.

Die neue Namur-Empfehlung NE 184 spezifiziert geeignete Diagnosekonzepte für PEAs. Dabei berücksichtigt sie unterschiedliche Rollen, etwa die des Produktionsteams, das künftig schnell erkennen soll, ob es ein bestimmtes Modul für seine aktuelle Anwendung nutzen kann. Oder die des Instandhalters, der Informationen über den Wartungsbedarf der PEA benötigt. Im Konzept stellen die MTPs ihre Moduldienste dem sogenannten Process Orchestration Layer (POL) bereit, der dann Prozesswerte anzeigt und Befehle an die Module schickt. Der POL steuert somit die aus Modulen zusammengesetzte Anlage ähnlich wie ein Dirigent sein Orchester. Durch die NE 184 wird eine neue Schicht eingeführt, der Monitoring and Optimization Layer (MOL). Ihm kommt bei der Diagnose und Instandhaltung der PEA eine wesentliche Bedeutung zu.

Datenaggregation wesentlicher Informationen

Der elementare Unterschied der Konzepte gemäß NE 184 gegenüber der bekannten Diagnose liegt darin, dass nicht mehr die Funktion einzelner Sensoren oder Aktoren im Vordergrund steht. Denn primär möchte der Anlagenfahrer wissen, ob das Modul funktioniert. Kann es das, was in diesem Prozess von ihm verlangt wird, tatsächlich ausführen? Falls nicht, benötigt der Anlagenfahrer prozessbezogene Wartungsinformationen. Er kann anschließend bei Bedarf manuell eingreifen, um beispielsweise die Lauffähigkeit wiederherzustellen.

Sofern das Modul zwar für den laufenden Prozess verfügbar ist, gibt es eine wichtige Zusatzinformation: Liegen eventuell Einschränkungen vor, die den aktuellen Dienst nicht beeinträchtigen, aber das Instandhaltungsteam interessieren sollten? Diese Information muss der Anlagenfahrer, der den POL als zentrales Bedien- und Beobachtungstool verwendet, nicht zwingend erhalten, damit die derzeitige Funktionalität sichergestellt ist. Doch das NOA-Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Diagnosedaten direkt zur Überwachung und Optimierung nutzen lassen.

An dieser Stelle kommt im MTP-Konzept für modulare Anlagen der MOL ins Spiel. Im Rahmen der Datenaggregation werden die wesentlichen Informationen zusammengefasst und gezielt entweder an den POL oder den MOL und folglich deren jeweilige Nutzer weitergeleitet. Für den POL sind sämtliche Diagnosen relevant, welche die aktuelle Verfügbarkeit der PEA betreffen. Der PEA-Hersteller ermittelt die Diagnoseinformationen und sorgt für eine geeignete Aggregation. Die Diagnosezustände entsprechen denjenigen, die bei Feldgeräten üblich sind, etwa Failure, Function Check, Maintenance Request, Out of Spec und OK. Als Erweiterung kommen Out of Service und No Status hinzu. Bei diesen funktional orientierten Diagnosen bleibt die PEA für den POL eine Greybox: Fehler und deren Auswirkungen werden erkannt. Der POL bekommt über den MTP-Kanal jedoch keine Informationen, ob der Grund in der PEA bei Sensor X oder Aktor Y liegt.

Diese Angaben ermöglichen allerdings die systemorientierte Diagnose über den MOL. Er verwendet sowohl den MTP- als auch den NOA-Kanal – über den NOA Aggregation Server – und kumuliert die Informationsflüsse aller PEAs und POLs. Der MOL betrachtet die einzelnen Komponenten und Systemzusammenhänge. Er erlaubt eine Fehlerdiagnose bis in die Komponentenebene.

Die internen Diagnosedaten sind beispielsweise wichtig für das Wartungsteam. So kann es nicht nur Wartungsaufgaben planen, sondern ebenfalls das Verhältnis zwischen Anlagenverfügbarkeit und Wartungskosten optimieren. Externe Instandhaltungsexperten, wie der PEA-Hersteller, lassen sich ebenso einbinden. Je nach Geschäftsmodell hat dieser sein Modul an den Betreiber verkauft, vermietet oder die Leistungen der PEA entgeltlich zur Verfügung gestellt. Übermittelt ihm der Betreiber via MOL eine Ferndiagnose, kann der Hersteller selbst die Verfügbarkeit seines Moduls sicherstellen.

Identifizierung von Störungen

Zur Servicediagnose werden die gemäß VDI/VDE/Namur 2658-4 beschriebenen Moduldienste herangezogen. Die Funktionen der PEA und die Komponenten, die für eine bestimmte Funktion zum Einsatz kommen, sind gemeinsam zu betrachten. Fällt eine Komponente aus, die für eine spezielle Prozedur erforderlich ist, unterbleibt diese ebenfalls. Im POL-System lässt sich das in der Diagnoseansicht darstellen. Ein Ventil ist defekt. Seine Funktion wird lediglich für die Prozedur C benötigt. Sie kann also nicht ausgeführt werden. Da sich Prozedur B ebenso für den Service 2 eignet, ist dieser nur Out of Spec. Die Aggregationsregeln für die Servicediagnose von den Komponentenmodulen (CM) bis zur PEA erweisen sich als komplex. Die NE 184 erläutert sie daher detailliert.

Die Komponentendiagnose selbst interessiert insbesondere das Wartungsteam. Aus den Statusinformationen der Feldgeräte, Systemkomponenten und Baugruppen – zum Beispiel Wärmetauscher oder Pumpenmodul – kann es über die Diagnoseansicht schnell identifizieren, welche Hardwarekomponenten betroffen sind. Auf Basis der MTP-Informationen wird dazu im MOL-System ein Bild der Komponentendiagnose generiert. Der Systemdiagnose liegt die Netzwerktopologie einer PEA zugrunde, die als Bestandteil der MOL für die Instandhalter von Belang ist. Besonders größere Systemausfälle in einer PEA werden sofort bemerkt, beispielsweise wenn sämtliche Komponenten eines Bussegments einen Ausfall melden. Durch die Topologieinformationen lässt sich der defekte Switch, der für die Störung verantwortlich ist, in der Regel schnell ausfindig machen.

Dosierpumpe als Beispiel

Als Beispiel sei eine reale, relativ gut überschaubare Anwendung angeführt: eine PEA, die verschiedene Dosierfunktionen abdeckt. Dabei handelt es sich um die Smart Dosing Pump der Seepex GmbH. Das Prozessmodul, das von Phoenix Contact automatisiert und programmiert wurde, entspricht dem MTP-Standard und kann somit in einen MTP-fähige POL eingebunden werden. Der Dienst „Dosieren“ umfasst die drei Prozeduren „Conti“ (Regelung eines Volumenstroms), „Batch“ (Abfüllen eines bestimmten Volumens) und „Cleaning“ (Reinigung über fest eingestellte Reinigungszeit). Diese Prozeduren lassen sich aus dem POL starten und überwachen. Die Zustände des Dienstes stehen per Aggregation über die MTP-Statusmaschine zur Verfügung und werden auf einer lokalen Bedienoberfläche oder dem POL angezeigt. Fällt zum Beispiel eine bestimmte Durchflussmessung aus, erhält der Anlagenfahrer einen Hinweis. Ist die Messung für die Prozedur Batch notwendig, kann diese nicht mehr, die Prozeduren Conti und Cleaning aber weiterhin genutzt werden. Die PEA „Smart Dosing Pump“ meldet folglich einen Teilausfall mit dem Status Out of Spec.

Der Anlagenfahrer könnte jetzt einen Reinigungsprozess anstoßen oder das Dosiermodul für einen Conti-Prozess einsetzen, während das Durchflussmessgerät für die Batch-Dosierfunktion ausgetauscht wird. Ist hingegen die Pumpe M001 als zentrales Element defekt, findet keine der drei Prozeduren mehr statt. Dies, weil diese Pumpe sowohl für die Batch- und Conti-Dosierung als auch die Reinigung der Dosiereinheit verwendet wird. Der gesamte Dienst „Dose“ funktioniert also nicht und wird auf Failure gesetzt. Die PEA ermittelt dies durch eine interne Diagnose. Der POL bekommt lediglich die aggregierte Information.

Der POL spielt jedoch eine deutlich wichtigere Rolle als die des „Anzeigegeräts“. Er verfügt über das Wissen hinsichtlich des Gesamtprozesses, in den alle PEAs eingebunden sind. Der POL kann beispielsweise den Befehl erteilen, dass das Dosiermodul nach einem Conti-Dosierprozesse mit dem aggressiven Produkt X zwingend gereinigt werden muss. Der Service Dose sperrt dann die Prozeduren Batch und Conti so lange, bis die Prozedur Cleaning beendet ist. Diese Art der „Diagnose“ unterscheidet sich grundsätzlich von der Sensor-/Aktordiagnose gemäß NE 107.

Entlastung der Anlagenfahrer

Die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Prozessbeteiligten: Bei der Diagnose von MTP-PEA-Modulen kann dies Realität werden. Der Operator wird künftig durch eine rollenspezifische Zuordnung der Statusmeldungen entlastet.

Ist er nur für den Conti-Betrieb einer Dosiereinheit verantwortlich, interessiert ihn der Status der Batch-Funktion eher nicht. Umgekehrt ermöglicht es der NOA-Seitenkanal in Zukunft, detaillierte Informationen über den Gesundheitszustand von Modulen zu erhalten – bei Bedarf. Und den haben üblicherweise Spezialisten für die Wartung, Instandhaltung und Anlagenoptimierung.

Die Smart Dosing Pump von Seepex wird eine der ersten PEAs sein, die Diagnosefunktionen nach der neuen NE 184 unterstützt. Dazu müssen die Zustände der einzelnen automatisierten Prozeduren aus denen der installierten Sensoren, Aktoren und Systemkomponenten aggregiert werden. Auf der Achema können sich die Besucher des Messestands von Phoenix Contact ein Bild davon machen, wie dies gelingen kann.

Bildergalerie

  • Die Smart Dosing Pump unterstützt eine Diagnosefunktion nach der neuen NE 184.

    Die Smart Dosing Pump unterstützt eine Diagnosefunktion nach der neuen NE 184.

    Bild: shutterstock, engineer story

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