Biomining entspricht natürlichen Verwitterungsprozessen. Katrin Pollmann, Gruppenleiterin Biotechnologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, erklärt: „Die Bakterien sind in der Natur darauf angewiesen, an bestimmte in Gesteinen lagernde Spurenelemente heranzukommen, und sind in der Lage, diese freizusetzen.“ Der Forschungszweig existiert eigentlich schon lange, ist aber erst in den letzten Jahren wieder interessant geworden. „Zum einen durch neue gentechnische Verfahren, aber auch durch den gestiegenen Bedarf an Rohstoffen“, sagt Pollmann.
Ihre Forschungsgruppe gibt es seit August 2011. Koordiniert vom Helmholtz Institut Freiberg für Ressourcentechnologie starteten 16 Partner aus Industrie und Forschung am 1. Februar 2014 das Projekt Ecometals, das umweltfreundliche biotechnologische Verfahren zur Gewinnung von Kupfer und Begleitelementen aus Kupferschiefer erforschen soll, wie sie in Deutschland etwa im Mansfelder Land zu finden sind. Pollmann berichtet: „Dabei wird die Wertschöpfungskette umfassend berücksichtigt: mechanische, chemische und biologische Aufbereitung, Gewinnung der Elemente aus Lösungen, ökonomische und ökologische Bewertung.“
Weltweit werden schätzungsweise 15 Prozent des Kupfers durch Biolaugung gewonnen, vor allem in Ländern wie Chile und Peru, wo Sulphiderze verbreitet sind. Diese nämlich sind das bevorzugte Zuhause einer bestimmten Gattung von Bakterien. „Es handelt sich um acidophile, also säureliebende Bakterien“, sagt Axel Schippers, Leiter des Arbeitsbereichs Geomikrobiologie bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. „Sie mögen pH-Werte von 1,5 bis 2,5, das ist saurer als die Magensäure des Menschen.“ Indem sie Luftsauerstoff veratmen, sind diese Bakterien in der Lage, Eisen-2-Ionen zu Eisen-3-Ionen und verschiedene Schwefelverbindungen zu oxidieren. „Dadurch wird ein saurer pH-Wert geschaffen, was dazu führt, dass die Metalle in Lösung bleiben.“
Natürlich angepasste Bakterien
Wie aber lässt sich diese wissenschaftliche Erkenntnis in der Praxis anwenden? Schippers erläutert: „Lässt man sulfidisches Material liegen, entstehen bei Sauerstoffeintritt saure Grubenwässer – eben aufgrund der mikrobiellen Aktivitäten, bei denen Sulfide zu Sulfaten oxidiert werden.“ In ihnen seien die Bakterien also bereits enthalten. Diese Bakterien, die dann auch schon sehr gut an die vorhandenen Erze angepasst sind, werden in Oxidationsbecken vermehrt und auf die Halden aufgebracht. Sie perkolieren durch die Halden und setzen sich auf dem Erz fest. Die aufgrund der Auflösung der Erze in Lösung gebrachten Metalle werden unten mit einem Drainagesystem aufgefangen. In der Lösung findet eine Anreicherung von Metall, zum Beispiel Kupfer, statt, welches dann mit chemischen Verfahren extrahiert wird.
Das passiert zum Beispiel auf den vier großen Halden bei der Radmiro-Tomic-Mine in der nordchilenischen Atacama-Wüste. „Jede Halde besteht aus 25.000 Tonnen Erz“, sagt Pilar Parada, Geschäftsführerin und CEO von Biosigma, dem chilenischen Pionier der Branche. Er entstand 2002, als das chilenische Staatsunternehmen Codelco und der japanische Konzern JX Nippon Mining & Metals ihre Forschungsaktivitäten zusammenlegten. „BioSigma kann Kupfer in kürzerer Zeit und bei höherer Ausbeute produzieren als es mit anderen Bioleaching-Technologien möglich wäre“, behauptet Parada.
Biomining mit günstiger CO2-Bilanz
Paradas Unternehmen bietet High-Tech-Methoden für die industrielle Produktion der benötigten Mikroorganismen in Biomassereaktoren und die Kontrolle der nachfolgenden Prozesse. Dabei achte man darauf, dass die Biotechnologien umweltfreundlich sind. Parada konkretisiert: „Wir nutzen Wasser in geschlossenen Kreisläufen, unsere Biomining-Mikroorganismen können CO2 aus der Luft aufnehmen und geben keine Emissionen in die Umgebung ab. Wir haben also einen geringen Wasser- und CO2-Footprint.“
Wichtig sei die Wahl der richtigen Methode. Ein einziges Rezept, das immer passe, gebe es nicht. Biosigma entwirft an die jeweilige Mine angepasste Lösungen. Bioleaching in den Anden, in 4.000 Metern Höhe und Temperaturen am Gefrierpunkt, ist nicht dasselbe wie Bioleaching in der nordchilenischen Wüste. „Wir müssen also unter den gegebenen Bedingungen arbeiten, die ganz anders sind als Idealbedingungen im Labor", erläutert die Biosigma-Chefin.
Auch in Europa gibt es ein Bergbauunternehmen, das auf Bioleaching setzt: Talvivaara in Finnland. Hier geht es um Nickel. Bei der groß angelegten Erkundung der Erzvorkommen in Talvivaara in den 1980er und 90er Jahren sind verschiedene Verarbeitungsmethoden in halbindustriellen Pilotprojekten studiert worden. Pertti Pekkala, Technischer Direktor des Unternehmens, berichtet: „Die Erzaufbereitungstests zeigten, dass es unmöglich war, das Erz mit traditionellen Methoden zu marktfähigen Nickelkonzentraten zu verarbeiten. Darum wurden alternative hydrometallurgische Verarbeitungswege studiert.“ Schließlich habe man sich für Biolaugung entschieden, wegen der niedrigeren Kapital- und Betriebskosten. Wie bei Bergbauprojekten nicht unüblich, gab es in verschiedenen Bereichen Startschwierigkeiten. Vor allem die Brechanlage musste verändert werden, und die Verfügbarkeit der Metallgewinnungsanlage war anfangs niedrig. Doch das Unternehmen fand Lösungen für diese Probleme: Maßnahmen zum Debottlenecking griffen. Heute sei die Mine in der Lage ist, die geplante Kapazität zu erreichen. „Wenn es nicht zu Unterbrechungen der Betriebsabläufe kommt", schränkt Pekkala ein.
Diese Unterbrechungen nämlich machten dem Projekt in der Vergangenheit zu schaffen: Im November 2012 gab es ein Leck in einem Gipsschlammbecken, in dessen Folge nickelhaltiges Abwasser in die Umwelt gelangte. Das Leck nach einem Sommer mit außergewöhnlich viel Regen, was die Wassersteuerung schwierig machte. „Die wichtigste Lehre, die wir daraus ziehen", sagt Pekkala, „ist, dem Wassermanagement im Allgemeinen und insbesondere der Widerstandsfähigkeit der Mine gegen extreme Wetterbedingungen mehr Beachtung zu schenken.“
Per Biolaugung Wertmetalle recyceln
Für Deutschland interessant sind Biolaugungsverfahren unter anderem bei industriellen Reststoffen, die in Produktionsprozessen anfallen, und oft höhere Konzentrationen von Wertmetallen enthalten, aber in einer solchen Form vorliegen, dass sie mit klassischen Aufbereitungsformen nicht prozessiert werden können, erklärt Axel Schippers: Biolaugungsverfahren könnten sie in Lösung bringen und so leichter zugänglich machen. Zudem werden derzeit ganz neue Verfahren erforscht. Denn Bakterien lassen sich nicht etwa nur dazu nutzen, Eisen zu oxidieren, sondern auch dazu, Eisen unter Zugabe von Schwefel zu reduzieren. Erze oxidischer Natur wie etwa Laterite ließen sich so aufschließen. Axel Schippers meint: „Es gibt auf der ganzen Welt große Lagerstätten von Nickel, Kobalt oder auch Kupfer, die so genutzt werden könnten. Bislang wurde das aber nur im Labor ausprobiert. Es gibt also noch kein Produktionsverfahren, aber großes Potenzial.“