IoT und Industrie 4.0 Zwei Seiten verbinden

HARTING Technologiegruppe

Wie beim Reißverschluss verzahnen sich heute alte Maschinen mit modernen Technologien.

Bild: iStock, cybrain
12.12.2016

Eine virtuelle Ebene hilft, alte Maschinen mit der Digitalisierung zu verzahnen. Verwaltungsschalen statten dafür Geräte und Maschinen mit neuen Schnittstellen aus. Damit ist ein kosten­effektives Einbinden von Bestandsanlagen in IoT- oder Industrie 4.0-Systeme möglich.

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Das bedarfsabhängige Steuern von Fertigungsstrecken und das rechtzeitige Erkennen von Wartungsbedarf sind zwei der effektivsten Wege, Produktivität zu verbessern, und Wartungskosten zu reduzieren. Da aber viele Maschinen eine Lebensdauer von 30 Jahren und mehr haben, hat ein großer Teil des existierenden Maschinenparks produzierender Unternehmen von vorneherein keine zeitgemäße Ausstattung zum Erfassen, Speichern und Kommunizieren relevanter Daten. Erstaunlicherweise verfügen auch neuere Maschinen oft nicht über IoT- (Internet of Things) oder Industrie-4.0-kompatible Protokolle. Als einer der weltweit führenden Hersteller von Industriesteckverbindern hat Harting einen großen Park von Spritzgussmaschinen unterschiedlichsten Alters, die alle noch einwandfreie Qualität produzieren.

Um diese für Industrie 4.0 fit zumachen und einheitlich an ERP- und MES-Systeme anzubinden, entwickelte das Unternehmen auf Grundlage seiner Modular Industry Computing Architecture (Mica) einen hochflexiblen Baukasten zur Datenerfassung- und -transkription. Der initiale Schritt auf dem Weg zur Industrie 4.0 ist die Digitalisierung der Produktionsmittel. Das aktuelle Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0, genannt Rami 4.0, des ZVEI, VDI/VDE-GMA, DKE und weiteren Partnern schlägt hierzu das Konzept der Verwaltungsschale vor. Die Verwaltungsschale erzeugt eine virtuelle Abbildung eines Gerätes oder einer Maschine in der digitalen Welt und macht es damit zu einer Industrie-4.0-Komponente – zum einen für Geräte die bisher gar nicht vernetzt waren, zum anderen aber auch für Geräte deren Kommunikationsmöglichkeiten veraltet sind. Die Verwaltungsschale stattet die Komponenten mit einer modernen Schnittstelle aus, sodass die „alte“ Maschine in der virtuellen Welt wie ein neues, modernes Gerät nutzbar wird.

„Alte“ Spritzgießmaschinen fit machen

Im vorliegenden Fall realisiert die Mica-Verwaltungsschale neue Kommunikationsmöglichkeiten für ältere Spritzgussmaschinen, aus den Jahren 2000 bis 2014, am Hauptstandort von Harting. Dazu wird beispielsweise das alte Euromap15-Protokoll, das die Maschine spricht, in modernen JSON-Nachrichten (Javascript Object Notation) über MQTT (Message Queue Telemetry Transport) publiziert. Damit können Betriebsparameter online ausgelesen und Produktionspläne online auf die Maschine geladen werden. Zudem können alle Daten kontinuierlich erfasst und gespeichert werden. Sie stehen dann für verschiedenste Nutzungen zur Verfügung, zum Beispiel als Basis für eine zukünftige vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), zum Optimieren des Produktionsprozesses bezüglich des Energieverbrauchs, oder dem Optimieren der Produkte via Korrelation Produktgüte - Produktionsparameter der Maschinen. Im Jahr 1992 hat der Euromap-Verband das Euromap15-Protokoll zur Kommunikation von Spritzgießmaschinen und Leitrechnern veröffentlicht. Es ermöglicht den Austausch von Produktions- und Einstelldaten sowie Status- und Statistikinformationen und definiert die dafür zu nutzenden Telegramme. Ursprünglich für die Verwendung auf Basis serieller Schnittstellen wie RS 485 entworfen, unterstützt es inzwischen auch Ethernet-Verbindungen.

Euromap15 ist ein eher schlichtes Protokoll, das den Austausch von Informationen zwischen einer Maschine und einem Leitrechner spezifiziert. Hierzu sind verschiedene Telegramme definiert wie Abfrage des Produktionsstatus, Übermittlung von Einstelldaten und so weiter, die als Byte-Sequenzen ausgetauscht werden. Mica implementiert das gesamte Protokoll und nimmt die En- und Dekodierung der Telegramme vor. Die als Byte-Sequenzen eingehenden Telegramme der Maschine werden in natürlich-sprachliche JSON-Objekte transformiert und somit für moderne Kommunikationssysteme wie MQTT oder OPC UA verfügbar gemacht. In der anderen Richtung übernimmt die Mica die Wandlung zurück in Byte-Sequenzen und kommuniziert protokollkonform mit der Maschine. Im Kern ist die Euromap15-Transkription ein node.js-Programm (serverseitiges Javascript). Zum eigentlichen Programm hat Harting einen Node-Red-Knoten gebaut, sodass Informationsflüsse interaktiv über eine grafische Benutzeroberfläche (GUI) modelliert werden können. Node-Red ist ein Projekt von IBM. Es ermöglicht, Datenquellen wie Sensoren oder eine SPS mit Datensenken wie Datenbanken, ERP-, MES- oder Cloud-Systemen zu verbinden und die Daten unterwegs noch zu transformieren, filtern, oder kondensieren.

Die Mica-Euromap15-Applikation ermöglicht, Einstellberichte über das Netzwerk direkt aus dem Büro heraus auf die Maschine zu übertragen, anstatt wie bisher per USB-Stick. Das spart Zeit, vermeidet Fehler – indem sichergestellt werden kann, dass nur autorisierte Mitarbeiter die richtigen Einstelldaten auf die richtige Maschine laden –, ist auditkonform und vermeidet einen Papierkrieg zur Prozessdokumentation. Ferner bietet die Mica-Euromap15-Applikation die Möglichkeit, kontinuierlich auf alle in der Maschine bekannten Größen zuzugreifen. Auch können durch das modulare Design der Applikation und der Mica einfach weitere Datenquellen, zum Beispiel Energiedaten, ERP und so weiter, integriert werden.

Komponenten in Container packen

Dank der modularen Softwarearchitektur von Mica können die einzelnen Komponenten wie das Einlesen der Daten, die Transkription und die Weitergabe in separaten LXC-Container isoliert und wie Legosteine nach Bedarf ausgetauscht werden. So erfordert ein Wechsel von Euromap15 auf Euromap30 oder von MQTT auf OPC UA nur das Ersetzen der entsprechenden Container. Auch das Hinzufügen neuer Protokolle ist durch Installation neuer Container innerhalb weniger Minuten möglich – selbst im laufenden Betrieb. Auf ähnliche Weise werden bei Harting auch andere Prozesse und Maschinen mit Mica modernisiert, von der Automatisierung von manuellen Verpackungsvorgängen und deren Einbindung in das firmenweite SAP-Hana-System über Energieerfassung bis zu Predictive Maintenance an Altgeräten mittels induktiver Stromsensoren und neuronaler Netzwerke.

Bildergalerie

  • Die Mica-Box realisiert neue Kommunikationsmöglichkeiten für ältere Spritzgussmaschinen.

    Die Mica-Box realisiert neue Kommunikationsmöglichkeiten für ältere Spritzgussmaschinen.

    Bild: Harting

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