Laserbranche trifft sich nach vier Jahren Pause Wo steht die Entwicklung von Laserstrahlquellen?

Für die Elektromobilität wird oft Kupfer bearbeitet, was mit blauen oder grünen Lasern deutlich stabiler geht als mit infraroten Lasern.

Bild: Fraunhofer ILT, Aachen
28.06.2022

Nach einer pandemiebedingten Pause von vier Jahren traf sich die Community der industriellen Lasertechnik zum „AKL’22 – International Laser Technology Congress“ vom 4. bis zum 6. Mai 2022 in Aachen. Neu im Tagungsprogramm war das Forum Quantentechnologie & Photonik, wo große deutsche Unternehmen eine erstaunliche Themenbreite vorstellten.

Wenn nicht diverse Lieferkettenprobleme wären, würde die industrielle Laserbranche wohl über neue Rekorde reden. In China, dem größten Lasermarkt weltweit, habe es 2021 ein sattes Plus von 18,3 Prozent auf knapp 13 Milliarden Dollar Marktvolumen gegeben, berichtete Bo Gu (BOS Photonics) während des Technologie Business Tages beim „AKL’22 – International Laser Technology Congress“.

Jürgen Rumberger (Trumpf Laser- und Systemtechnik) beurteilte die Lage in Deutschland sehr viel verhaltener. Kurzfristig sah er in den großen Weltmärkten unterschiedliche Tendenzen: Rückgang in der Automobilbranche und Wachstum in der Medizintechnik und der Unterhaltungselektronik. Die Situation werde sich mittelfristig weiter verbessern, wenn die Lieferketten wieder funktionieren.

Laser: Commodity oder Innovationstreiber?

Ein Höhepunkt des Programms war auch in diesem Jahr die nach dem Gründer des Fraunhofer ILT benannte Gerd-Herziger-Session. Institutsleiter Constantin Häfner gab dort einen Überblick zu den großen Trends in der industriellen Lasertechnik: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Häfner unterstrich die Notwendigkeit einer angepassten, nachhaltigen Globalisierungsstrategie:

„Durch die nachhaltige digitale Photonik-Produktion als Schlüsselfaktor für technologische Souveränität, Innovation, Widerstandsfähigkeit und Agilität, können wir die Abhängigkeit der Produktion, der Märkte und der Ressourcen von geografischen Zwängen verringern. Gleichzeitig erlaubt uns dies, die Innovationspotenziale durch globale Diversifizierung zu nutzen und somit unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“ Dazu passend verkündete er die Eröffnung von zwei neuen Laboren am Fraunhofer ILT für Wasserstoff- und Batterietechnologie.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion griff Trumpfs CEO Lasertechnik Christian Schmitz das Thema „Laser als Commodity“ auf. Während billige Laser neue Anwendungen ermöglichen, sieht er noch genügend „playground for physicists and engineers“ um über verbesserte Laser die Pionierrolle im Markt zu festigen. Schmitz sieht die Innovation heute vor allem im Prozesswissen. Ein Beispiel dürfte dabei Trumpfs neue Technologie zum Schneiden von Displaygläsern sein, mit der sogar in Gläsern von weniger als 1 mm Dicke Stufen im Rand möglich sind.

Mark Sobey (EVP, COO, Industrial Lasers and Systems, Coherent) gab einen Ausblick auf die Chancen, die Coherent im Automobil- und Halbleitermarkt sieht. Sein Fokus richtete er dabei auf die Vereinigung beider Märkte, zum Beispiel bei Chips und Displays für die Elektromobilität. Batterien, Sensoren und Infotainmentsysteme werden reichlich Laser in der Herstellung brauchen. Dabei geht es weniger um neue Strahlquellen als vielmehr um deren Skalierung und Stabilität. 24/7-Betrieb und globaler Service sind da die Themen.

Volker Krause, der bei der Gründung seiner Firma Laserline noch von Gerd Herziger beraten wurde, schaute auf ein Kernthema bei den Strahlquellen: die Skalierung von einzelnen Laserdiodenemittern. Über die letzten Jahrzehnte kam es dabei zu einer fast linearen Leistungssteigerung pro Emitter, während die Preise pro Watt und Strahlparameterprodukt exponentiell gefallen sind. Beide Entwicklungen dürften entscheidend für den Erfolg von Faser- und Diodenlasern sein. Für Letztere erforscht Laserline auch neue Anwendungen, wie zum Beispiel die Anti-Fouling-Behandlung von Schiffsrümpfen mit blauen Laserdioden. Damit lassen sich giftige Chemikalien ebenso wie erhebliche Mengen Treibstoff sparen.

Maschinen- und Prozessdaten ermöglichen neue Geschäftsmodelle

Ein großer Trend ist sicher die Nutzung von Prozessdaten aus industriellen Lasersystemen. Jens Ottnad (Head Data and AI bei Trumpf Werkzeugmaschinen) hat dem einen interessanten Punkt hinzugefügt: Klassische Maschinen nutzen sich ab. Maschinen mit Datenerfassung sammeln Prozessdaten und ermöglichen damit eine Verbesserung, eine Art „Aufschreibung statt Abschreibung“. Ein Paradigmenwechsel, der gut in den Kontext sinkender Losgrößen bei steigender Komplexität passt.

Parallel zur kontinuierlichen Erfassung von Prozess- und Maschinendaten werden auch neue Konzepte wie „Pay-per-part“ bei Trumpf erprobt. Die Maschine bleibt dabei Eigentum des Herstellers, der Kunde zahlt nur für deren Nutzung pro Teil. Neben der Frage des Verbleibs der Daten gewinnt das Thema Service eine neue Dimension: Trumpfs Maschine in der Schweiz läuft weitgehend autonom, im Zweifel steht ein Operator in Deutschland für die Fernwartung bereit.

UKP-Laser von der Forschung in die Werkhalle

Der Vorteil des Lasers, dass er kontaktfrei Energie am Werkstück deponieren kann, wird heute voll ausgenutzt. Die Technik ist so ausgereift, dass die Laserparameter dem jeweiligen Prozess optimal angepasst werden können. Dabei ist die Leistung und die Zuverlässigkeit in den letzten 20 Jahren kontinuierlich verbessert worden, wie Michael Lee (IPG Photonics) anhand der kW-Faserlaser eindrücklich zeigte. Neben der Skalierbarkeit der Laser ist das Prozesswissen inzwischen der entscheidende Faktor für neue Applikationen. Erleichtert wird die Einführung durch immer bessere Modelle, die mit immer besseren Messdaten weiterentwickelt werden.

Ein Feld, wo Laserleistungsparameter noch substanziell wachsen, sind die Ultrakurzpuls-(UKP)-Laser. Im Rahmen des Fraunhofer Clusters Advanced Photon Sources CAPS werden dabei immer neue Rekorde erreicht, wie CAPS-Sprecher Dieter Hoffmann zeigte: „Inzwischen sind 10 kW im CAPS-Applikationslabor verfügbar. Dafür werden alle Verstärkertechnologien von Fasern über Slabs und Scheiben erprobt.“ Leistungen von 5 bis 10 kW werden zum Beispiel für die Strukturierung von Batterieelektroden erprobt. Im Aachener Applikationslabor gibt es dafür 30 bis 50 mJ Pulse bei Repetitionsraten um 1 MHz. Interessierte Anwender aus der Industrie können erste Applikationsversuche mit den Prototyplasern direkt vor Ort testen.

Bei den UKP-Lasern wird derzeit auch an neuen Wellenlängen gearbeitet, so stellte Sebastian Nyga vom Fraunhofer ILT ein System bei 3 µm für die Bearbeitung von Polymer- und Carbonfasermaterialien vor. Systeme für 2 µm bis 6 µm oder sogar bis 14 µm Wellenlänge wurden in weiteren Vorträgen präsentiert. Die Wellenlängen sind für die Bearbeitung transparenter Materialien von Relevanz.

Grün oder blau – was braucht der Markt?

Für die Elektromobilität wird oft Kupfer bearbeitet, was mit blauen oder grünen Lasern deutlich stabiler geht als mit infraroten Lasern. Beim AKL’22 wurde der Unterschied zwischen blau und grün als marginal dargestellt. Viel wichtiger ist derzeit die Verbesserung der Strahlqualität. Für die Skalierung der Prozesse wird sehr viel mehr Leistung bei den Strahlquellen benötigt. Im kW-Bereich ist derzeit noch keine Obergrenze erkennbar.

Laserdioden sind eigentlich die „Hidden Champions“ der industriellen Lasertechnik. Sie liefern nicht nur hohe Leistungen und enorme Effizienzgewinne, sondern nach wie vor einen erheblichen Teil der Innovation in der Branche. Ralf Hülsewede (Jenoptik Optical Systems) präsentierte so eine Innovation: Passiv gekühlte Einzelbarren mit 400 W Ausgangsleitung und bis zu 60 Prozent Effizienz. Mit aktiver Kühlung sind noch höhere Leistungen pro Barren möglich. Von ams Osram gab es blaue Laserbarren mit 100 W zu sehen, ein Ergebnis des überaus erfolgreichen Effilas-Verbundprojektes.

Zusammenfassung

„Es ist schon überwältigend, wieder in dieser Form zusammenzukomme“, fasste Dieter Hoffmann, Abteilungsleiter Laser und Laseroptik am Fraunhofer ILT seine Eindrücke zusammen. „Bei dieser Gelegenheit merkt man erst, was im Home Office alles nicht möglich war.“ Viele Kontakte wurden in Aachen erneuert oder überhaupt erst geknüpft.

Die Themenvielfalt war beeindruckend. Interessant war vor allem die Mischung: von neuen Laserstrahlquellen über die Lasermaterialbearbeitung und die Digitalisierung der Prozessketten bis hin zur Quantentechnologie. Im Quantenbereich herrscht Aufbruchsstimmung, Infineon zeigte nicht weniger als drei eigene Ansätze zur Entwicklung von Quantencomputern.

Über die Herausforderungen in der Fertigung von heute wurde intensiv diskutiert. Digitalisierung ist dort die Chance, Nachhaltigkeit die Forderung der Stunde. Einig waren sich alle Diskutanten in einem Punkt: Die Branche benötigt dringend qualifizierten Nachwuchs. Hier sind alle Akteure in Wissenschaft und Industrie gefordert. Bei all dem intensiven Fachaustausch dominierte die Freude über das Zusammentreffen. Der nächste International Laser Technology Congress findet vom 17. bis 19. April 2024 statt.

Bildergalerie

  • Prof. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer ILT, eröffnete die Technologische Fachkonferenz des „AKL’22 – International Laser Technology Congress“ am 5. Mai 2022 in Aachen.

    Prof. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer ILT, eröffnete die Technologische Fachkonferenz des „AKL’22 – International Laser Technology Congress“ am 5. Mai 2022 in Aachen.

    Bild: AKL e.V. / Andreas Steindl

  • Podiumsdiskussion „Strahlquellenentwicklung – quo vadis?“ auf dem AKL’22. v.l.n.r.: Prof. Constantin Häfner (Fraunhofer ILT), Dr. Christian Schmitz (Trumpf), Dr. Mark Sobey (Coherent) und Volker Krause (Laserline).

    Podiumsdiskussion „Strahlquellenentwicklung – quo vadis?“ auf dem AKL’22. v.l.n.r.: Prof. Constantin Häfner (Fraunhofer ILT), Dr. Christian Schmitz (Trumpf), Dr. Mark Sobey (Coherent) und Volker Krause (Laserline).

    Bild: AKL e.V. / Andreas Steindl

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