Kommentar: „Wir sind auf Augenhöhe mit Microsoft und Google“ Maschinelles Sehen ohne Cloud

Gaudenz Bösch hat zusammen mit Nico Klingler die Firma viso.ai gegründet, deren Technologie für die Bildverarbeitung ohne Cloud-Anbindung auskommt.

Bild: TopKamera
01.07.2019

Am 27. Juni 2019 haben die Schweizer Botschaft und der Swiss Business Hub Germany zum Swiss Business Lunch geladen. Im Zentrum stand das Thema KI, zu dem unter anderem Gaudenz Bösch referierte, der zusammen mit Nico Klingler die Firma viso.ai gegründet hat – und bereits jetzt Marktführer mit seiner Technologie ist.

Mit viso.ai hat Bösch eine Plattform geschaffen, die maschinelles Sehen auf jedem System und unabhängig von der Software-Umgebung ermöglicht. Durch KI wird einer Kamera beigebracht, was sie zu verstehen hat – neben den reinen Bildern auch Verhalten, Zustände oder Situationen. Die Technologie stellt ein Zeichen dafür dar, dass neue Technologien nicht immer von großen Playern getrieben werden müssen.

Ohne die Cloud auskommen

„Wir sind auf Augenhöhe mit Microsoft und Google“, sagt Bösch mit Verweis auf die technologische und disruptive Entwicklung im Silicon Valley. Denn die beiden Konzerne, so der Schweizer Unternehmer, setzen beim Thema Computer Vision vor allem auf die Cloud. Seine Lösungen, Bilder in Echtzeit zu erkennen, zu interpretieren und automatisiert in Sekundenschnelle auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Entscheidungen zu treffen, kommen ohne die Cloud aus.

„Wir müssen nicht in der Cloud speichern. Das ist wichtig auch im Hinblick auf Datenschutz und Geschwindigkeit“, sagt der KI-Experte. „Wir haben in Europa ein sehr strenges Datenschutzrecht. Deswegen müssen wir hier anders denken. Wir können zwar genau deswegen weniger mit Echtdaten forschen – auch im Vergleich zu China, Indien und Israel, wo die Technologie auch sehr intensiv erforscht wird –, aber wir bieten eine andere Anwendungsqualität.“

Bei Fahrzeugen im Einsatz

Erst vor ein paar Monaten hat Bösch, der in der Schweiz als KI-Pionier gilt, mit viso.ai ein Großprojekt mit einem der größten Arbeitgeber der Schweiz gestartet. „So etwas geht nur hier, dass ein Start-up so schnell ein Projekt mit einem Staatskonzern aufgleisen kann. Die kurzen Wege, die Unterstützung der Kantone und der Regierung sowie die extrem aufgeschlossenen, internationalen Hochschulen sorgen für ein Klima, das Wege eröffnet und Hindernisse beseitigt“, erklärt Bösch.

Die viso.ai-Lösung ist bei Fahrzeugen im Einsatz. Hier hilft sie, Unfälle zu erkennen und zu vermeiden, und wenn sie passieren, diese automatisiert an die Versicherung zu melden und abzuwickeln. „Wir sind die ersten, die Computer Vision in dem Maße einer kommerziellen und skalierbaren Nutzung zuführen“, so Bösch.

Neben Anwendungsgebieten in den Bereichen Transport und Logistik ist die Technologie auch in der Landwirtschaft bei der Steuerung von Tierställen oder im Handel im Rahmen der Konsumforschung im Einsatz. „KI ermöglicht uns eine bessere und schnellere Auswertung von Daten und damit von besseren Entscheidungen“, ist Bösch überzeugt.

„Der Mensch wird immer gebraucht“

Algorithmen können Bilddaten präziser erfassen und analysieren als das menschliche Auge, erklärt Bösch weiter. „Ein Mensch kann die Masse an Informationen in der Geschwindigkeit, in der Systematik und in der Qualität nicht verarbeiten. Und auch nicht zu den Kosten“, macht der KI-Unternehmer deutlich. Und dennoch werde auch seine Lösung den Menschen niemals ersetzen. „Seit Erfindung der Dampfmaschine haben wir Angst, dass die Maschinen uns die Arbeit wegnehmen. Das ist aber nie passiert. Und es wird auch mit KI nicht passieren. Der Mensch wird immer gebraucht, nur an anderer Stelle.“

Zudem sei eine Technologie niemals unethisch, sondern nur deren Anwendung, wie Bösch anfügt. Die KI-Lösung sorge dafür, dass Fehler minimiert und Nutzen maximiert werden, nicht nur kaufmännisch, sondern auch in Sachen Lebensqualität der Menschen.

Neben Gaudenz Bösch sprachen weitere Experten und KI-Unternehmer im Rahmen des Swiss Business Lunch, unter anderem Andy Fitze, Co-Founder von SwissCognitive, ein Unternehmen, dass die Interessen verschiedener Akteure vernetzt und Wissen rund um KI fördert und entwickelt.

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