Verwaltungsschalen in Fertigungsbetrieben Wie der digitale Zwilling dauerhaft Mehrwerte schafft

Mittels durchgängiger Transparenz und einheitlichen Zugangspunkten zu konsistenten Informations- und Datenbeständen können Engpässe, Ausfälle und freie Kapazitäten schneller erkannt werden.

Bild: iStock, Leyn
17.05.2022

Ein digitaler Zwilling einer Maschine oder einer ganzen Fertigungslinie verspricht, die Alltagsprobleme von Fertigungsbetrieben zu lösen, allen voran das Problem der mangelnden Transparenz. Doch einen digitalen Zwilling allein auf das Schaffen von Transparenz zu reduzieren, verspielt wertvolles Potenzial. Mit der richtigen Methodik kann der gesamte Wertschöpfungsprozess für wettbewerbsstärkende Innovationen geöffnet werden.

An einer Linie eines Fertigungsbetriebs steht die Produktion. Gefertigte Zwischenprodukte stauen sich an einer Arbeitsstation. Die Arbeiter der Station schauen auf den bewegungslosen Roboter, der Zwischenprodukte zur Weiterverarbeitung der nächsten Station zuführt. Produktionsausfälle wie diese sind vermeidbar – mit einem digitalen Zwilling.

Alltagsprobleme in Produktionsbetrieben sind eine zu geringe Auslastung der Maschinen, Anlagen und Mitarbeiter, zu hohe Stückkosten aufgrund gestiegener Ressourcen-, Material- und Lohnkosten, unnötige Stillstände aufgrund von Intransparenz in den Abläufen sowie ineffiziente Abläufe aufgrund verteilter und inkonsistenter Informationsbestände.

Mittels durchgängiger Transparenz und einheitlichen Zugangspunkten zu konsistenten Informations- und Datenbeständen können Engpässe, Ausfälle und freie Kapazitäten schneller erkannt, die Auslastung verbessert und damit die Stückkosten reduziert werden. Das leistet ein digitaler Zwilling.

Zwilling sorgt für digitale Abbilder

Zentrales Element der Industrie 4.0 ist die von der Plattform Industrie 4.0 definierte und im RAMI4.0 spezifizierte I4.0-Komponente. Sie besteht aus einem physischen Asset und einer Verwaltungsschale. Die Verwaltungsschale definiert alle Merkmale des physischen Assets und bietet damit einen Schnittstellenvertrag zwischen allen Assets eines Industrie-4.0-Systems.

Die Aggregation aller Verwaltungsschalen kann als digitales Abbild dieses Systems betrachtet werden: Die Verwaltungsschalen von Maschinenkomponenten wie Sensoren oder Schrittmotoren werden in der Verwaltungsschale der Maschine zusammengeführt, die aller Maschinen in der Verwaltungsschale der Fertigungslinie und so weiter.

Die Begriffe digitaler Zwilling und Verwaltungsschale werden oft synonym verwendet. Zu Recht. Denn ein digitaler Zwilling ist ein vollständig digitales Abbild einer Maschine, einer Fertigungslinie oder einer gesamten Anlage über alle Lebensphasen hinweg. Die einzelnen Zustände dieser Maschinen und Anlagen sind digital erfasst und mit allen relevanten Informationen aus den umliegenden Systemen zu einem durchgängig konsistenten Zustandsbild zusammengesetzt. Die Verwaltungsschale stellt dafür das technische Fundament bereit.

Datendrehscheibe als Basis digitaler Zwillinge

Eine zentrale Datendrehscheibe wie etwa Transconnect bietet eine gute Voraussetzung für die Umsetzung digitaler Zwillinge. Auf Basis verschiedener Adapter werden die Daten aus dem Shopfloor (Maschinen, IoT-fähiger Messgeräte oder MES) mit den Informationen aus dem Topfloor (ERP, Webshops oder Dokumenten-Management) zusammengeführt und historisiert. Auf diese Weise entsteht ein ganzheitlich konsistentes Zustandsbild, das alle Lebensphasen der Maschinen und Anlagen einbezieht.

Digitaler Zwilling folgt Geschäftsmodell

Im Mittelpunkt steht dabei natürlich die I4.0-Verwaltungsschale. Die entsprechenden Modelle hält die Datendrehscheibe in einer inneren Datenbasis. Über einen zentralen Endpunkt können nun alle Informationen „erfragt“ und damit Dashboards, Reports oder Alarmsysteme gespeist werden.

Der Aufbau eines digitalen Zwillings muss sich aber an den Wertschöpfungs- und Geschäftsprozessen orientieren. Die Entwicklung digitaler Zwillinge sollte also vom Geschäftsmodell und damit vom Geschäftsprozess her gedacht werden. Folgende Kernfragen müssen beim Aufbau eines digitalen Zwillings beantwortet werden:

  • Die Erhebung und Transparenz welcher Informationen tragen zur Wertschöpfung bei?

  • Wie ordnen sich diese Informationen in die Geschäftsprozesse ein und welchen Mehrwert liefern sie?

  • Welche neuen Geschäftsprozesse sind auf Basis dieser Informationen denkbar und wie beflügelt das das bestehende Geschäftsmodell?

  • Welche neuen Geschäftsmodelle sind jetzt denkbar?

Der Erfolgsgarant für digitale Zwillinge in Produktionsbetrieben ist die Methodik, die der Entwicklung, Einführung und der dauerhaften Verbesserung digitaler Zwillinge zugrunde liegt. Ein bewährtes und erprobtes Vorgehensmodell ist das sogenannte „Agile Integration Framework“, das sich wesentlicher Elemente der agilen Software-Entwicklung bedient.

Digitalprozess muss definiert werden

In der Positionsbestimmung wird der aktuelle Engpass in den Wertschöpfungsprozessen herausgestellt und ein Wunschzustand definiert, der mit strategischen Handlungsoptionen untersetzt wird. Um diesen Engpass herum wird eine Mannschaft aus Experten zusammengestellt, die in einem Navigationsworkshop den Engpass aus den Perspektiven Strategie, Markt und Systeme und Prozesse beleuchtet.

Im Ergebnis wird ein Digitalprozess definiert, der mithilfe eines digitalen Zwillings den Engpass im darauf folgenden Umsetzungssprint löst. Das regelmäßige Durchlaufen dieses Zyklus stellt schließlich sicher, dass der digitale Zwilling passgenau an den Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen ausgerichtet wird.

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