Nachhaltiges Wohnen Wickle, wickle, Häusle baue

publish-industry Verlag GmbH

Bild: Yvonne Witte, Fiction Factory
07.09.2016

Ein Haus muss stabil und fest verankert sein – wer diese Maßstäbe an ein Gebäude anlegt, wird das Wikkelhouse für eine reine Spielerei halten. Es möchte schließlich gerade den Status eines robusten, steinernen Monuments vermeiden. Das zeigt sich schon bei dem Baumaterial: Pappe.

Leicht entflammbar, nicht wasserbeständig und leicht zu reißen – als Baumaterial scheint sich Pappe überhaupt nicht zu eignen. Dass dem nicht so ist, zeigt das Wikkelhouse. Es bestehen zum größten Teil aus Pappe. Seine Erfinder der niederländischen Firma Fiction Factory wollten vor allem ein nachhaltiges Haus entwickeln. Das ist ihnen eigenen Angaben zufolge gelungen. Das Wikkelhouse soll fast 100 Prozent recycelbar sein. Bei der Nachhaltigkeit hatten die Niederländer aber nicht nur die Umwelt, sondern auch den Besitzer im Blick. Das Haus soll ihn sein Leben lang begleiten und sich anpassen, falls sich seine Lebensumstände ändern; zum Beispiel wenn er seinen Wohnort wechselt.

Von außen wirkt das Wikkelhouse wie ein Strandhaus. Dünne Wände, viel Holz und eine kleine erhöhte Terrasse vor dem Eingang. Der Eindruck ist gar nicht so falsch. Ein vollwertiges Haus wollten die Erfinder gar nicht entwickeln. Stattdessen ist es als Ferien-, Gäste- oder Gartenhaus gedacht. Auch eine Nutzung als Büro können sich die Niederländer vorstellen.

Für die gute Recycelbarkeit sorgt die Pappe. Nicht nur die Wände, sondern auch der Boden und das Dach bestehen daraus. Beim Wikkelhouse sind das keine getrennten Einzelelemente. Stattdessen besitzt es eine durchgehende Außenhülle. Diese besteht aus 24 Pappschichten, die miteinander verklebt sind. Das dafür genutzte Herstellungsverfahren gab dem Wikkelhouse seinen Namen. In der Produktion werden die Schichten um den Rahmen einer eigens entworfenen Maschine gewickelt. Wikkelen bedeutet auf Niederländisch einwickeln. Um die Pappe vor Beschädigungen und Wasser zu schützen wird die Hülle anschließend mit Holz verkleidet und auf die Außenseite eine Wasser abweisende und atmungsaktive Membran aufgebracht.

Die Nachhaltigkeit für den Besitzer ergibt sich aus dem modularen Design des Hauses. Das Wikkelhouse besteht aus
4,5 Meter langen, 1,2 Meter breiten und 3,5 Meter hohen Segmenten. Sie sind an zwei Seiten offen. Beim Aufbau werden sie an den offenen Stellen zusammengefügt. Dadurch entsteht eine schlauchartige Struktur. Wie groß das Haus ist, hängt von der Anzahl der verwendeten Segmente ab. Ist der Besitzer mit der Größe unzufrieden, kann er zusätzliche hinzufügen oder vorhandene entfernen. Das Wikkelhouse lässt sich leider nur als Schlauch zusammensetzen. Sehr lange Häuser sind deshalb unpraktisch. Für Küche und Bad gibt es jeweils ein eigenes Bauteil.

Das Wikkelhouse benötigt kein Fundament. Es steht stattdessen, leicht erhöht, auf einem Gestell. Dementsprechend lässt es sich auch sehr einfach wieder abbauen. Praktisch ist das vor allem, wenn der Besitzer umziehen möchte. In diesem Fall kann er das Haus einfach mitnehmen. Eine große Rolle spielt dabei das geringe Gewicht der Segmente, von ungefähr 500 Kilogramm. Sie können deshalb relativ einfach transportiert werden. An dem neuen Standort ist das Haus dann sehr schnell wieder aufgestellt. Laut dem Hersteller dauert der Aufbau nur einen Tag. Ganz günstig ist ein Wikkelhouse allerdings nicht. Das Standardmodell
airframe, bestehend aus drei Segmenten ohne Bad und Küche,
kostet 25 000 Euro. Transport und Aufbau müssen separat bezahlt werden.

Die hinter dem Wikkelhouse stehende Firma Fiction Factory stammt aus Amsterdam. Für sie ist es der erste Gehversuch mit einem Gebäude. Dementsprechend klein ist auch die produzierte Menge. Nur zwölf Stück pro Jahr werden gebaut. Wer also ein Wikkelhouse sein Eigen nennen möchte, der muss sich gedulden. Für Käufer gibt es schon jetzt eine Warteliste.

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