Unterstützung für den Alltag Wenn der Roboter den Tisch deckt

Ein Roboter als Helfer in der Küche: Szene aus dem neuen Robotik-Labor der Universität Bremen.

Bild: Dominic Kastens / Universität Bremen
13.10.2022

Roboter sollen künftig Menschen mit körperlichen Einschränkungen in der eigenen Wohnung unterstützen. Um die Alltagstauglichkeit von Robotern zu erproben und weiterzuentwickeln, hat das Institut für Künstliche Intelligenz der Universität Bremen jetzt ein neues Forschungslabor mit Küche und Möbeln ausgestattet.

Alltägliche Aufgaben wie ein Mensch ausführen: An diesem Fernziel arbeitet die Robotikforschung der Universität Bremen. Denn Roboter sollen eines Tages – idealerweise so bald wie möglich – körperlich eingeschränkten Menschen helfen. Doch Tätigkeiten, die für Menschen sehr einfach sind – den Tisch decken und abräumen, ein Brötchen schmieren, den Kühlschrank bestücken oder den Abwasch machen – sind für Roboter extrem komplexe Vorgänge, deren fehlerfreie Erledigung erst mühsam entwickelt werden muss. Für die Arbeit an der Alltagstauglichkeit verfügt die Universität Bremen jetzt über ein neues Forschungslabor, das weitestgehend wie eine normale Wohnung aussieht – mit Küche, Sitzecken und weiteren Möbeln.

„Für unsere Schwerpunktbildung im Bereich der Künstlichen Intelligenz und insbesondere der KI-basierten Robotik ist die Einrichtung dieses alltagsähnlichen Labors ein wichtiger Schritt“, betont Uni-Rektorin Professorin Jutta Günther. „Durch die mögliche Arbeit mit dem ‚digitalen Zwilling‘ dieses Labors rückt auch die internationale Forschungsgemeinschaft auf diesem Gebiet noch enger an uns heran. Damit wird neben der Universität auch der gesamte KI-Standort Bremen weiter aufgewertet.“

Professor Michael Beetz, einer der weltweit führenden Wissenschaftler aus dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, betont die Bedeutung des lebensnahen Forschungslabors: „Wir dürfen nicht die Umgebung an die Roboter anpassen, so wie es in Fabriken oder Logistikzentren geschieht. Sondern wir müssen die Roboter so entwickeln, dass sie sich in der menschlichen Alltagsumgebung zurechtfinden, um dort effizient zu helfen.“

Highlight ist der „digitale Zwilling“

Für Beetz ist das Highlight des neuen Labors nicht das, was man vor Ort in seinem Institut für Künstliche Intelligenz sieht – sondern das, was man zunächst nicht sieht: „Wir haben von diesem Labor ein exaktes digitales Abbild, einen sogenannten digitalen Zwilling, entwickelt. Diesen stellen wir der internationalen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung, damit auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in entfernten Ländern unter den gleichen Bedingungen wie wir vor Ort an diesen Themen arbeiten können“, sagt Beetz.

„Die Herausforderungen auf diesem Gebiet sind so groß, dass nur die Kooperation der Forschenden wirklich große Weiterentwicklungen schnell schaffen kann. Eine Arbeitsgruppe alleine kommt höchstens in Teilgebieten voran – und das langsam.“

Das Labor selbst und der digitale Zwilling bedingen also einander: Die Bremer Einrichtung mit ihrer Ausstattung ist erforderlich, um in einer realen Wohnumgebung die Roboter in den gewünschten Szenarien einsetzen zu können, die Versuche also praktisch durchzuführen. Zudem ist das Labor-Appartement notwendig, um die Ergebnisse, die Forschergruppen weltweit in der Simulation des digitalen Zwillings erarbeiten, anschließend real im Bremer Labor durchführen zu können. „Klappt das, was in Indien erdacht und entwickelt wurde, auch tatsächlich im realen Umfeld?“ gibt Michael Beetz ein Beispiel.

Ein angenehmer Nebeneffekt des Labors könnte künftig sein, dass sich die internationale Forschungsgemeinschaft häufiger in der Hansestadt trifft, um vor Ort aktuelle Entwicklungen auszuprobieren und sich darüber auszutauschen.

„Forschungswissen gemeinsam erarbeiten und teilen“

Das Labor-Appartement ist nach neuesten Forschungsstandards ausgestattet und damit eine exzellente Grundlage für die Arbeiten in der KI-basierten Robotik an der Universität Bremen. Diese werden hier seit Jahren nicht nur vom Institut für Künstliche Intelligenz (IAI) mit dem Sonderforschungsbereich EASE (Everyday Activity Science and Engineering), sondern auch vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) sowie verschiedenen Projekten und Start-ups durchgeführt.

„Dass wir unsere in Bremen entwickelten leistungsfähigen Roboterkontrollsysteme sowie die Forschungsdaten und -ergebnisse zur Verfügung stellen und die Möglichkeit zu Versuchen mit unseren Robotern in unserem Labor eröffnen, ist die konsequente Weiterführung des Ansatzes ‚open data – open science – open research‘“, sagt Professor Beetz.

Dem Informatiker ist es ein großes Anliegen, angesichts der Komplexität und des Umfangs der Forschungsaufgaben in der KI-basierten Robotik das Forschungswissen gemeinsam zu erarbeiten, zu teilen und auf diese Weise schnellere Fortschritte zu erzielen.

Neben dem neuen Labor-Appartement haben die Bremer Roboter-Forschenden um Michael Beetz weitere sehr realistische Labore eingerichtet, beispielsweise einen kleinen Drogeriemarkt. „Roboter decken im Apartment den Tisch, räumen ihn ab oder bereiten einfache Mahlzeiten zu. Im Drogeriemarkt machen sie Inventur, zeigen Produkte und stellen diese ins Regal“, sagt Beetz.

„Die Labore sind hochgenau vermessen und als maschinell interpretierbare Modelle realisiert, die die automatische Auswertung von Experimenten und Generierung von hochqualitativen Forschungsdaten ermöglichen. Als digitale Zwillinge können sie wie ein Computerspiel auf den eigenen Computer heruntergeladen werden. Forscher können dann ihre Forschung im ,Homeoffice‘ weltweit durchführen.“ Wichtig ist dabei stets der Hintergedanke des offenen Austausches innerhalb der gesamten Forschungsgemeinschaft.

Das neue Labor-Appartement wurde teilweise von der Universität Bremen, die Ausstattung überwiegend aus Drittmittel-Forschungsprojekten finanziert. Durch die Einrichtung wurden neue Stellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen, die zurzeit durch weiterführende Forschungsvorhaben und Kooperationen mit Unternehmen verstetigt werden.

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