Interview mit Andreas Bös von Conrad Connect „Welche Plattform überlebt, zeigen die nächsten zwei Jahre“

Conrad Electronic SE

Andreas Bös von Conrad Electronic zeigt im Interview mit der E&E auf, was hinter der Online-Plattform Conrad Connect steckt.

Bild: Uwe Scholz
05.03.2019

Der Distributor Conrad setzt in letzter Zeit stark auf Online-Plattformen. Eine davon ist Conrad Connect. Über sie können IoT-Geräte gesteuert, miteinander verknüpft und mit zusätzlichen Services verbunden werden. Im Interview erklärt Andreas Bös, Senior Director von Conrad Connect, welche Monetarisierungsstrategie dahintersteckt und wie deutsche Start-ups international erfolgreich sein können.

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E&E:

Was genau ist Conrad Connect?

Andreas Bös:

Kurz gefasst ist Conrad Connect eine IoT-Plattform, die Brücken zwischen verschiedenen Herstellersystemen baut, dem Kunden hilft, diese zu visualisieren, zu automatisieren und Daten zu analysieren. User können darüber Geräte verknüpfen und ihre Hardware mit einem Servicesystem verbinden. Wir haben auf der IFA 2018 einen Servicemarktplatz vorgestellt. IoT-Geräte direkt mit Services zu verknüpfen, ist in dieser Form zurzeit wohl einzigartig.

Was sind das für Services?

Grundsätzlich fallen diese in drei Kategorien. Erstens sind das sogenannte Premiumservices. Kunden nutzen unsere Plattform prinzipiell unentgeltlich. Wer über das normale Angebot hinaus Leistungen wie zusätzliche Dashboards, Widgets oder Automatisierungsregeln benötigt, der kann diese über Micro Payment dazu buchen. Bei der zweiten Kategorie an Services handelt es sich um Dienstleistungen. Seit Kurzem arbeiten wir zum Beispiel mit der Versicherungskammer Bayern zusammen. Kunden können seitdem Rauch-, Wasser- und Einbruchsmelder mit der Alarmleitzentrale der Versicherungskammer Bayern verknüpfen. Diese kümmert sich dann darum, falls einer dieser Melder anspringt und der Kunde sich nicht darum kümmern kann, beispielsweise wenn er im Urlaub ist. Als dritte Kategorie bieten wir auf Algorithmen basierende Services an. Das umfasst Machine Learning und auf AI beruhende Datenauswertung. Damit lässt sich zum Beispiel Predictive Maintenance oder Benchmarking umsetzen.

Gibt es neben der Zusammenarbeit mit der Versicherungskammer noch weitere Kooperationen?

Der Servicemarktplatz wurde wie gesagt erst im September letzten Jahres vorgestellt und befindet sich noch im Aufbau. Unser Ziel ist, eine Art App Store für Services zu etablieren, in dem nicht wir Lösungen anbieten, sondern Drittanbieter ihre Angebote einstellen können. Neben der Versicherungskammer sind wir mit vielen anderen Firmen im Gespräch. Ziel ist es, bereits Ende des Jahres mehr als 50 Dienstleister auf dem Servicemarktplatz zu haben.

Was ist die wichtigste Funktion von Conrad Connect?

Sowohl im Geschäfts- als auch im Privatbereich steigt tagtäglich die Anzahl an Geräten, die connected, also Teil des Internet of Things sind. Dadurch entstehen immer mehr Mikro-Ökosysteme, meist geprägt durch die jeweiligen Hersteller der Komponenten. Das ist nicht unendlich skalierbar. Irgendwann muss es zu Interaktionen zwischen diesen Systemen kommen. Sie brauchen eine Art gemeinsames Zuhause, damit man sie miteinander verknüpfen und die von ihnen gesammelten Daten an einem Punkt zusammenführen und auswerten kann. Dieser zentrale Ort für IoT-Geräte ist Conrad Connect.

Der Austausch von Personen und deren Ideen, also der Community-Gedanke, spielt somit nur eine untergeordnete Rolle?

Der Community-Gedanke spielt schon eine wichtige Rolle. Alles auf Conrad Connect ist Community-based. Es beruht auf der Crowd und der Shared Economy. Nicht wir selbst entwickeln dort Lösungen für die Nutzer, sondern wir stellen Tools zur Verfügung, die andere in die Lage versetzen, solche Lösungen zu kreieren. Deshalb können die Mitglieder auf der Plattform auch alles teilen; sowohl die Signale eines Devices und die selbst entworfenen Lösungen als auch die Ergebnisse von Datenauswertungen. Je mehr Nutzer und Partner sich an Conrad Connect beteiligen, um so größer sind die Vorteile für jeden Einzelnen.

Wie viele Mitglieder hat Conrad Connect aktuell?

Zurzeit sind circa 270.000 Kunden auf unserer Plattform. Wir wachsen momentan sehr stark mit ungefähr 800 Neuregistrierungen pro Tag. An Geräten sind ungefähr 400.000 verknüpft.

Wie viele Nutzer brauchen Sie, damit Conrad Connect langfristig erfolgreich ist?

Das ist schwer zu beantworten. In den letzten Monaten sind einige ähnliche Plattformen wie Conrad Connect auf den Markt gekommen. Diese Entwicklung ist nicht ungewöhnlich und in ähnlichen Boom-Branchen wie der unseren bereits öfter in der Vergangenheit vorgekommen. Wir glauben, dass es in den nächsten ein bis zwei Jahren zu einer Konsolidierung bei diesen Plattformen kommen wird. Durch das neue Aufbauen von Plattformen werden Dinge repliziert, die nur Geld kosten, aber keinen Benefit bringen. Um die Konsolidierung zu überleben, sind drei Erfolgsfaktoren entscheidend. Erstens ist das die Anzahl der Nutzer einer Plattform. Je mehr Nutzer sie hat, desto gesellschaftsrelevantere Lösungen lassen sich auf ihr bauen. Zweitens kommt es auf die Anzahl der kompatiblen Geräte und Systeme an. Je mehr von ihnen über die Plattform vernetzt werden können, desto größer ist ihre Attraktivität. Drittens wird die Anzahl der angebotenen Services entscheidend sein. Nur die Verknüpfung von Produkten und Services generiert einen wirklichen Mehrwert und schließt die Lücke zwischen Connected Devices und Smart Living.

Und wie viele Nutzer, kompatible Geräte und Services benötigen Sie zum Überleben?

Das kann zurzeit niemand beantworten. Unser Ziel sind eine halbe Million Nutzer Ende diesen Jahres. Wir werden über 100 kompatible Systeme haben. Dabei kommt es aber nicht auf die Anzahl an, sondern auf die Relevanz. Man muss die richtigen Systeme an Bord haben und sie mit Mehrwert stiftenden Services verknüpfen. Wir sind zurzeit eine der größten, wenn nicht die größte IoT-Plattform dieser Art. Diese Stellung möchten wir behaupten und ausbauen.

Viele deutsche Start-ups und Plattformen scheitern, weil sie den Sprung über die Sprachgrenze hinweg nicht schaffen. Was macht Sie zuversichtlich, diesen hinzubekommen?

Conrad Connect gibt es bereits auf Deutsch und auf Englisch. Ein großer Teil unserer Kunden kommt aus dem deutschsprachigen Raum. Wir wachsen aber gerade ebenfalls sehr stark in englischsprachigen Ländern. Die Kundenanzahl in den USA geht momentan ziemlich durch die Decke, obwohl wir dort gar nicht so aktiv sind. Als Start-up müssen wir uns fokussieren. Daher konzentrieren wir uns aktuell nur auf zwei Sprachen. Die Plattform an sich ist aber zu mehr Sprachen fähig und wird in den nächsten Jahren auch zusätzliche unterstützen.

Sie haben somit eine Internationalisierungsstrategie?

Ja. Wir haben eine ganz klare internationale Ausrichtung.

Bei vielen Plattformen ist es schwer, das konkrete Geschäftsmodell zu erkennen. Welches Ziel verfolgen Sie mit Conrad Connect? Möchten Sie damit direkt Geld verdienen, Gerätedaten sammeln oder Kunden in das Conrad-Ökosystem bringen?

Wir sehen, dass sich der Markt verändert. Das IoT führt dazu, dass diese Marktveränderungen schneller und tiefgreifender sein werden. Das IoT bringt letztendlich den Kunden in direkten Kontakt mit dem Hersteller. Für den Handel besteht dadurch die Gefahr, die Kundenbeziehung zu verlieren. Außerdem verlagert sich die Wertschöpfung von der Hardware hin zu den Lösungen. Zurzeit verkauft man zum Beispiel noch eine Alarmanlage, in Zukunft wird man Sicherheit, also ein Leistungsversprechen, anbieten. Die Hardware ist dann zwar noch Bestandteil des Angebots, aber sie hat einen anderen Stellenwert. Stattdessen bekommt der Kunde eine Leistung angeboten, für die er etwa monatlich bezahlt. Um diese Leistung anbieten zu können, braucht es eine Plattform wie Conrad Connect.

Sie versuchen also einerseits, Kunden zu halten, und andererseits, von der zukünftigen Wertschöpfung zu profitieren?

Genau, wir möchten die Kundenbeziehung behalten und in der Lage sein, dem Kunden das anzubieten, was er zukünftig verlangt. Das hardwarezentrierte Geschäftsmodell von Conrad Electronic und anderen Retailern im B2B- und B2C-Bereich basiert darauf, dass die Akquisitionskosten für den Käufer durch die Marge der Hardware gedeckt sind. Und wenn die Marge wie in den letzten Jahren immer kleiner wird, die Akquisitionskosten allerdings nicht, dann muss man sich als Unternehmen Gedanken machen, wo zukünftig die Wertschöpfung herkommt. Conrad Connect ist eine strategische Überlegung, um dem hardwarezentrierten Geschäftsmodell des Retailers eine weitere Komponente hinzuzufügen und an den zukünftigen Lösungsvermarktungen teilzunehmen.

Wie sieht Ihre Monetarisierungsstrategie aus?

Es gibt nicht eine Monetarisierungsstrategie, sondern mehrere parallele. Wir versuchen, damit unser Kerngeschäft zu unterstützen. Conrad Connect wird immer mehr als Lösungs- und Inspirationsplattform genutzt. Kunden, die sich für ein Smart Home oder Smart Office interessieren, schauen sich die über 2.000 veröffentlichten Lösungen der Nutzer an und mit welchen Geräten diese umgesetzt wurden. Das führt dann eventuell dazu, dass sie diese Geräte bei uns kaufen. Der zweite Punkt ist der Servicemarktplatz. Dieser soll sich in Zukunft ähnlich wie ein App Store entwickeln. Wir sind dann am Erlös der Dienstleistungen beteiligt, die Drittanbieter dort einstellen. In diesem Jahr werden wir außerdem noch eine Conrad-Connect-Professional-Version herausbringen. Gewerbetreibende können Conrad Connect dann im professionellen Umfeld nutzen. Die Version ist nicht komplett kostenfrei.

Werden Sie auch Datenhandel anbieten?

Es wird datenbasierte Geschäftsmodelle geben. Nehmen wir als Beispiel den Energieverbrauch einer Maschine. Stand-alone gemessen ist er ohne Referenzwert wenig aussagefähig. Wenn man den Verbrauch aber mit dem tausender Maschinen desselben Typs vergleicht, die mit unserer Plattform verbunden sind, erhält man einen aussagefähigen Wert und klare Handlungsanweisungen. Das ist sicherlich auch eine Monetarisierungsstrategie, die wir nutzen werden. Der Gesetzgeber hat uns dafür mit der DSGVO einen rechtlichen Rahmen zur Verfügung gestellt. Wir werden diesen mit maximaler Transparenz für den Kunden nutzen, um Mehrwerte zu generieren.

Sie haben vorher angesprochen, dass eines der entscheidenden Kriterien für den Erfolg ist, welche Geräte verknüpft werden können. Es sind bereits viele namhafte Hersteller wie Amazon, Google und Philips dabei. Welche wichtigen gehen noch ab?

Das hängt davon ab, welchen Markt man betrachtet. Im B2C- und semiprofessionellen Bereich fehlen zum Beispiel noch ein paar Ökosysteme bekannter Marken, etwa von Samsung und Bosch. Mit diesen Firmen stehen wir bereits in Kontakt. Oft ist das gar keine Frage des Wollens, sondern ein technisches Thema. Für die Integration sind bestimmte Grundlagen notwendig, beispielsweise müssen Cloud APIs und geeignete Authentifizierungsverfahren zur Verfügung gestellt werden. Ich bin aber überzeugt, dass wir bis Ende des Jahres alle derzeit relevanten Systeme integriert haben.

Haben Sie selbst schon ein Projekt auf Conrad Connect erstellt?

Natürlich. Jeder Mitarbeiter von Conrad Connect ist auch ein Kunde. Wir stellen niemanden ein, der das Produkt nicht versteht und unsere Vision nicht teilt. Ich setze auch im privaten Umfeld sehr stark Conrad Connect ein.

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