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Produktion muss modular, flexibel und wandlungsfähig sein Wege zur zukunftsfähigen Fabrik

Bild: Fraunhofer IPA
13.07.2018

Wenn heute über die Fabrik der Zukunft nachgedacht wird, dann hat es oft den Anschein, dass sie nicht intelligent genug sein kann. Dabei würde sie, wenn sie wirklich intelligent wäre, ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Bis es soweit ist, sollten auch die Fabrikbetreiber ihre Fabrik gestalten. Und zwar so, dass sie zukunftsfähig ist. Was aber bedeutet das?

Auf der Basis der Fabrikplanungs-Erfahrung mehrerer Jahrzehnte haben die Forscher am Fraunhofer IPA einen Methodenkanon entwickelt, der drei Zielgrößen in den Mittelpunkt stellt. Demnach hat die Fabrik der Zukunft schlanke Produktionsabläufe, wandlungsfähige Strukturen und eine menschengerechte Ausstattung. Jetzt kann man fragen: Lean Production soll die Zukunft sein? Klingt eher nach Vergangenheit. Und richtig: Die Grundprinzipien stammen von Frederick Winslow Taylor und Henry Ford; die konsequente Umsetzung als ganzheitliches Produktionssystem bei Toyota von Taiichi Ohno. Jedoch die Grundidee der Lean Production, die Vermeidung von Verschwendung, wird auch in Zukunft gelten. Ohne konsequente Ausrichtung auf hohe Produktivität werden auch High-Tech-Fabriken für personalisierte Produkte nicht erfolgreich sein können.

Lean Production

Für die wertstromorientierte Gestaltung von Fabriken wurde am Fraunhofer IPA das Vorgehen nach acht bewährten, systematisch aufeinander aufbauenden Gestaltungsrichtlinien kontinuierlich weiterentwickelt. Daraus ist das Standardwerk „Wertstromdesign. Der Weg zur schlanken Fabrik“ hervorgegangen. In den letzten Jahren lag die Herausforderung überwiegend darin, die Methode, ausgehend von der Automobilbranche, auf andere Branchen – Maschinenbau, Elek­trotechnik, Medizintechnik, Consumer-Produkte und zuletzt Prozessindustrie inklusive Bergbau – zu übertragen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Richtlinien an die jeweils spezifischen Bedingungen anzupassen sind. Und dies wird auch künftig der Fall sein, wenn mit steigender Varianz der Produkte bis hin zur Personalisierung die schlank zu gestaltenden Produktionsabläufe immer komplexer werden. Der derzeitige Fokus der methodischen Weiterentwicklung liegt daher auch auf der Variantenfertigung und den dazu erforderlichen Planungs- und Steuerungsregeln.

Aber auch diese neuen Anforderungen lassen sich leichter bewältigen, wenn Produktionsabläufe durch eine transparente Umsetzung auf dem Shop Floor für die Fabriknutzer erkennbar bleiben. Die in der Lean Production eingeübten Methoden der transparenten Fabrikgestaltung (eindeutige Funktionszuordnungen, Markierungen) und Visualisierung von Ergebnissen (Kennzahlen) bleiben weiterhin ein wichtiges Erfolgskriterium.

Wandlungsfähigkeit

Bei der Planung einer zukunftsfähigen Fabrik stellt sich nach Festlegung der schlanken Produktionsabläufe die Frage, wie die zugehörige Fabrik in Layout und Gebäude denn idealerweise aussieht. Das beantwortet klassisch die materialflussorientierte Layoutplanung, die wegeoptimierte Betriebsmittelanordnungen vorschlägt. Erst danach umgibt man das Fabriklayout mit einer Gebäudehülle, da ja nicht die Architektur den Produktionsprozess bestimmen soll. Als hoch flexible Fabrik erfüllt sie dann alle Anforderungen, die wir heute schon kennen. Wie sieht es aber mit künftigen Anforderungen aus?

Den entsprechenden Lösungsansatz, der über die bloße Einplanung von Baufenstern für künftige Erweiterungen hinausgeht, hat die Produktionsforschung schon früh mit dem Stichwort „Wandlungsfähigkeit“ bezeichnet, ohne allerdings eine praktikable Umsetzungsstrategie anzugeben. Unter den realen Bedingungen, dass Fabriken auch wirtschaftlich sein sollen, reicht es nämlich nicht aus, lediglich maximale Wandlungsfähigkeit zu fordern. Eine Fabrik, die vom Bleistift bis zum Flugzeug alles nach relativ kurzer Umbauzeit produzieren kann, benötigt niemand.

Wie groß ist eine ideale Fabrik?

Eine wandlungsfähige Fabrik zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass mit einem Wandlungsrahmen ihre Grenzen vorab festgelegt sind. So wie ein Bearbeitungszentrum nur Bauteile einer bestimmten Größenordnung (von ... bis ...) bearbeiten kann, so kann auch eine Fabrik nur bestimmte Typen von Produktionsprozessen beherbergen und damit eben nur ein ganz bestimmtes, hinsichtlich Art und Menge eingeschränktes Produktspektrum überhaupt jemals sinnvoll, das heißt wirtschaftlich, produzieren. Mit diesem Denkansatz wird nebenbei auch eine ganz andere Frage beantwortet, die insbesondere Firmen mit mehreren Standorten umtreibt, nämlich die Frage nach der idealen Fabrikgröße. Ein definiter Wandlungsrahmen liefert Aussagen zur minimalen und maximalen Fabrikgröße gleich mit und gibt so wertvolle Hinweise zur Standortfrage.

Wie kommt man nun zu den Grenzen des Wandlungsrahmens? Für einen gegebenen technologischen Stand gibt es immer eine minimal akzeptable Gesamtausbringung. Der Durchsatz eines Betriebsmittels kann aus wirtschaftlichen oder technologischen Gründen wie hohe Fixkosten oder prozessbedingt minimale Chargengröße nur bei Verlust der Wirtschaftlichkeit unter eine minimale Grenze reduziert werden. Auf dieser Basis können technische Prozessmodule dimensioniert werden. Für den zugehörigen Materialfluss mit seinem Bedarf an Transport-, Kommissionier-, Puffer- und Lagerflächen konzipiert man darauf abgestimmte Logistikmodule. Durch Zusammenfügung über einen gesamten Wertstrom hinweg erhält man so die Fabrikgrößenuntergrenze. Soweit so einfach. Wie kommt man nun aber zur Obergrenze?

Die Maximalgröße hängt von Monumenten ab

Skaliert werden kann die Fabrik durch Multiplikation dieser Wertstrommodule. Voraussetzung dafür ist die Grundidee der wandlungsfähigen Fabrik, nämlich eine durchgängige Modularität aller Fabrikelemente. Die Hochskalierung könnte man dann eigentlich bis ins Unendliche fortsetzen, kämen da nicht die „Monumente“ ins Spiel. Betriebsmittel mit monumentalem Charakter, wie Härteöfen, Galvanik oder Lackier­anlagen, sind auf lange Sicht prägend für die Werkstruktur, weil sie wegen ihrer mangelnden Mobilität sowie ihrer sehr spezifischen Anforderungen an die Gebäudestruktur und die technische Gebäudeausstattung nach ihrer Erstinstallation einen faktisch unveränderlichen Standort im Werk haben. Eine Änderung des Produktionsprogramms hinsichtlich Art und Menge führt zu ineffizienten Materialflüssen um das dann auf einmal mitten im Weg stehende Betriebsmittel herum. Eine wirtschaftlich sinnvolle Werkvergrößerung wird dadurch maßgeblich behindert.

Für eine spätere Erhöhung der Ausbringung muss eine Vergrößerung oder Duplizierung der immobilen Betriebsmittel bereits in der ersten Ausbau­stufe vorgesehen werden. Die Fabrikgrößenobergrenze hängt nun genau an der Dimensionierung dieser Monumente. Das ist zum einen eine Vereinfachung, weil man außer den Monumenten keine weiteren Betriebsmittel berücksichtigen muss. Und es zeigt zum anderen die grundlegende Schwierigkeit, die darin besteht, dass bereits bei Erstinstallation der monumentalen Betriebsmittel die Endausbaustufe einer Fabrik festgelegt wird. Erweitert man die Fabrik später über diese Maximal­grenze hinaus, dann wird sie an Effizienz verlieren, mithin nicht mehr ideal sein können.

Monumente gehören in die Ecken

Generelle Voraussetzung ist nun die richtige Positionierung des Monuments im Layout. Wenn die Fabrik wandlungsfähig sein soll, dann darf eine Hochskalierung nicht zur Änderung der Fabrikstruktur führen. Dies lässt sich dadurch am einfachsten dauerhaft gewährleisten, dass man die Monumente in „Ecken“ platziert, den Materialfluss also immer um 90 Grad dreht, wenn er über ein Monument verläuft. Das verhindert, dass die Monumente im Mittelpunkt des Fabriklayouts und damit immer im Weg stehen.

Bei der Wahl des richtigen Grundlayouts hilft ein Entscheidungsbaum. Auf Basis der Grundlayouts sind dann alle Flächen in Abhängigkeit der benötigten Wertstrommodule zu dimensionieren. Unterschiedliche Anforderungen an die Gebäudeinfrastruktur klassifizieren die wandlungsfähigen technischen Module in Segmente, die innerhalb einer Klasse einen Wandel ohne Einschränkung erlauben und beim klassenübergreifenden Wandel Vorhaltekosten erforderlich machen.

Teilautomation für intelligente Mitarbeiter

Eine wandlungsfähige Fabrik reagiert nicht nur auf Änderungen im Produktspektrum, sondern auch auf den Fortschritt bei den eingesetzten Technologien. Schon im Rahmen der Lean Production hat sich die Wahl des richtigen Automatisierungsgrads als erfolgsentscheidende Aufgabe gezeigt. Vor dem Hintergrund des Scheiterns des CIM-Ideals einer „Menschenleeren Fabrik“ hat sich gezeigt, dass Automatisierung kein Selbstzweck sein darf. Je nach Technologie macht sie zuweilen das Fabriksystem über Rüstaufwände insgesamt zu unflexibel hinsichtlich der steigenden Variantenzahl. Hohe Investitionskosten erzwingen hohe Auslastungen und verringern dadurch die Mengenflexibilität. Die installierte Fördertechnik bei fester Verkettung treibt Adaptionskosten nach oben und behindert so technische Innovationen in den Produktionsprozessen. Lohnintensive Instandhaltungs- und Bedienungskosten stellen die Wirtschaftlichkeit in Frage.

Das Hauptproblem dieser technologiezentrierten Ansätze liegt in der Zielsetzung: Nicht die menschenleere, sondern die menschengerechte Fabrik sollte das Leitbild für die Planung auch einer zukunftsfähigen Fabrik sein. Nicht alles was technisch möglich ist, muss auch umgesetzt werden. Eine intelligente Lösung zeichnet sich durch eine ebensolche Auswahl aus. Das Ziel sind dann besser informierte, intelligente Mitarbeiter durch zielgerichtet unterstützende Informationsverarbeitung, nicht aber deren Ersetzung durch „intelligente“ Apparate.

Weitere Informationen finden Sie unter: wertstromdesign.de

Bildergalerie

  • Die Abbildung zeigt, wie in Abhängigkeit von den (roten) Monumenten die grundlegende Materialflussstruktur mit den drei Basislösungen des I-, L- und U-Layouts aussieht. In grüner Fläche hinterlegt sind zudem die Wareneingangs- und Versandflächen.

    Die Abbildung zeigt, wie in Abhängigkeit von den (roten) Monumenten die grundlegende Materialflussstruktur mit den drei Basislösungen des I-, L- und U-Layouts aussieht. In grüner Fläche hinterlegt sind zudem die Wareneingangs- und Versandflächen.

    Bild: Fraunhofer IPA

  • Bei der Wahl des richtigen Grundlayouts hilft ein Entscheidungsbaum.

    Bei der Wahl des richtigen Grundlayouts hilft ein Entscheidungsbaum.

    Bild: Fraunhofer IPA

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