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Wearables - Ackermanns Seitenblicke Welche Elektronik ziehe ich morgen an?

publish-industry Verlag GmbH

Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des "Technischen Reports" im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

Bild: Roland Ackermann
07.12.2015

Wearables sind Hoffnungsträger und Kandidat für die nächste, heiß ersehnte "Killer-Applikation". Doch Roland Ackermann gibt dem klassischen Inhalt seines Kleiderschrankes noch einige Jahre. Denn bis alles mit allem kommuniziert, sind noch einige Hürden zu nehmen

Welche Elektronik ziehe ich morgen an, welches Tuch ist mit welchen Sensoren bestückt? Was brauche ich für mein nächstes Vorhaben, was passt zu meiner Stimmung, meinem/r PartnerIn? So ungefähr stellt sich Klein-Mäxchen die Zukunft der Wearables im Privatbereich vor. Sie zählen unbestritten zu den nächsten Spitzenkandidaten im technologischen Name-Dropping. Deshalb auch wird sich die CeBIT 2016, stets auf Trendsetting bedacht, dieses Themas im nächsten März konzentriert annehmen.

Man darf freilich nicht vergessen: Wearables der Zukunft sind ein Teil des Internets der Dinge, das in der Hype-Cycle-Kurve von Gartner zusammen mit autonomen Fahrzeugen an der Spitze der (zu hohen, auf Englisch inflated) Erwartungen stehen. Die tragbare Elektronik ist diesen folglich benachbart, wenngleich schon näher auf dem Abrutschgleis ins Tal der Desillusionierung.

Natürlich ist ein Markt, dem binnen zehn Jahren eine Verdreifachung des Umsatzes (auf 75 Milliarden Dollar in 2025) vorausgesagt wird und in den im Vorjahr bereits eine Milliarde investiert wurde, überaus verlockend. Die Frage ist nur, wie und wann man hier zu Geld kommen will. Dass irgendwann tatsächlich dicke Umsätze erhofft werden, beweist der Einstieg großer Unternehmen in das Segment.

Man sollte das komplexe Feld indes zuerst einmal definieren und abgrenzen. Denn einen Teil davon gibt es ja längst, elektronische Armbanduhren etwa, oder Kopfhörer. Und auch heute steht „Elektronik am Armband“ zusammen mit Datenbrillen an der Spitze der Bekanntheit und Erwartungen. Die Uhren sind allerdings mittlerweile vernetzt und kommunizieren als so genannte Smart Watches unablässig mit der App im Smartphone.

Die Fitness-Tracker als verbreitete Unterstützung der lobenswerten Absicht, der zunehmenden Fettleibigkeits-Epidemie ohne Klinikaufenthalt Einhalt zu gebieten, beeinflusst unseren Lebensstil und verwischt bereits die Abgrenzung zum professionelleren Einsatz der Wearables in der Gesundheitsfürsorge, zum Beispiel in der Langzeitüberwachung oder der Therapie chronischer Krankheiten. Selbst die Krankenkassen überlegen bereits individuelle, maßgeschneiderte Angebote, die nur Sinn machen, wenn sie auf diese Weise überwacht werden können. Und den Ärzten können künftig Anweisungen eines per Livevideo zugeschalteten Spezialisten in die Datenbrille eingespielt werden. Wir befinden uns also außerdem im Grenzgebiet zur erweiterten (augmented) und virtuellen Realität. Verlockend, ohne Zweifel!

Doch ehe eine zu große Euphorie ausbricht: Bis alles, was unter den Sammelbegriff IoT sowie speziell Wearables fällt, reibungslos miteinander vernetzt ist und die Meldungen und Signale allseits richtig interpretiert werden – das dauert noch! Marktforscher halten die fehlende Kompatibilität zwischen den erwarteten Milliarden von potenziellen Netzteilnehmern für eine weitaus höhere Schwierigkeit bei der IoT-Umsetzung als das unvorstellbar große Datenvolumen von 1 bis 2 Zettabyte (1021 Byte). In der ersten IoT-Begeisterung wurde einfach drauflos entwickelt, ohne Absprachen, ohne Abstimmung untereinander oder mit den Anwendern, ohne Sicherheitsmaßnahmen gegen Hackerangriffe, ohne Standards. Das muss nachgebessert werden, und – wie wir alle aus leidvoller Erfahrung wissen – sind Nachbesserungen, noch dazu international zu koordinierende, wesentlich zeitaufwändiger als die ursprüngliche Entwicklung. Ich bin gespannt; doch ich lass mich gerne überraschen!

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