Smart Production Wärmeversorgung im Verbund

Wärme übertragen: Meist eine gute Idee, aber nicht unbedingt billig.

Bild: Nalha / iStockphoto
03.02.2015

Abwärme dient in großen Industriegebieten meist zur Eigenversorgung. Wie aber sieht es in kleinteiligeren Gewerbegebieten mit unterschiedlichen Branchen und Betriebsgrößen aus? Ein Projekt hat untersucht, ob es sich lohnt, mit dem Nachbarn zu kuscheln.

Neue Konzepte für die Wärmeversorgung sind notwendig, da zum einen die Kosten im Energiesektor steigen und zum anderen Deutschland sich politisch zur Einhaltung der langfristigen CO2-Minderungsziele verpflichtet hat. Nutzbar gemachte Abwärme ist CO2-emissionsfrei. In großen Industriegebieten ist die Abwärmenutzung meist zur Eigenversorgung die Regel. Wie sieht es damit aber in kleinteiligeren Gewerbegebieten mit unterschiedlichen Branchen und Betriebsgrößen aus?

Mit der Frage, ob in solchen Gebieten ein Abwärmeverbund möglich ist, beschäftigte sich das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt „Heatloop – Entwicklung und Implementierung innovativer Abwärmeverbundsysteme in industriellen Gewerbegebieten“. Dabei wurden die technisch-wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Entwicklung lokaler Abwärmeverbünde für ausgewählte Bochumer Gewerbegebiete untersucht. Parallel dazu konnten durch Einbezug der Gewerbegebietsakteure die organisatorischen Voraussetzungen für mögliche Abwärmeverbünde geschaffen werden.

Abwärme- und Abwärmenutzungspotenziale

Basierend auf dem kommunalen Gewerbeflächeninformationssystem (RuhrAGIS = Atlas der Gewerbe- und Industriestandorte der Metropole Ruhr) wurden die Gewerbegebiete in Bochum wirtschaftsräumlich analysiert. Den Fokus bildeten Gebiete mit einem Besatz an klein- und mittelständischen Unternehmen aus dem produzierenden Sektor, die über Betriebe mit Abwärmepotenzial und Betriebe mit Abwärmenutzungspotenzial in unmittelbarerer räumlicher Zuordnung verfügen. Sechs Bochumer Gewerbegebiete wurden ausgewählt und davon zwei Gewerbegebiete im Detail geprüft.

Das Gewerbegebiet „Castroper Straße“ befindet sich zwischen der Bochumer Innenstadt und dem Stadtteil Harpen. Es umfasst eine betrieblich genutzte Fläche von 53,7 Hektar (ha) mit 45 Unternehmen. Der Bestand im Untersuchungsgebiet besteht aus gewerblich und industriell genutzten Flächen sowie einem Einkaufszentrum. Im Norden grenzt Wohnbebauung an. Das Untersuchungsgebiet wird dominiert durch großflächige Industrie- und Gewerbeansiedlungen im Zentrum des Gebietes. Das Untersuchungsgebiet grenzt an eine Fernwärmeleitung.

Das Gewerbegebiet „Friedlicher Nachbar“ befindet sich an der südlichen Stadtgrenze zu Witten. Es umfasst eine genutzte Fläche von circa 9 ha mit 17 Unternehmen, überwiegend aus dem produzierenden Sektor einschließlich des Baugewerbes. In diesem Untersuchungsgebiet ist keine Fernwärmeleitung vorhanden.

Methodik technische Analyse

In den ausgewählten Gewerbegebieten wurden durch Betriebsbegehungen vor Ort mit den Betriebsverantwortlichen die möglichen Wärmequellen und -senken identifiziert und nach Parametern wie Temperatur, Verfügbarkeit oder technischer Machbarkeit der Auskopplung und Nutzung beurteilt. Dafür wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt.

Aufgrund der geringen Betriebsgröße der meisten Unternehmen standen nur wenige Daten zur Verfügung und so mussten Werte abgeleitet werden. Anhand von Emissionsmessungen an den Abgaskaminen sowie gleichzeitig aufgezeichneten Energieverbräuchen und Produktionszahlen wurden modelltypische Wärmelastprofile über ein Jahr abgeleitet. Bei der Erstellung dieser Lastprofile wurden die verschiedenen Produktionszyklen und Wartungsintervalle der Unternehmen berücksichtigt.

Nach der betrieblichen Analyse wurde das lokale Wärmenetz unter Einbeziehung der Betriebe ausgelegt. Gemeinsam mit den Stadtwerken Bochum wurde das Wärmenetz unter technischen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten geplant und beurteilt. Aufgrund der zu gewährleistenden Versorgungssicherheit wurden Speicher und Backup-Systeme in das lokale Wärmenetz eingeplant. Das Wärmenetz wurde größer dimensioniert, um zukünftig weitere Abnehmer oder Erzeuger anschließen zu können.

Methodik der Einbeziehung von Akteuren

Die Einbindung von Akteuren im Projekt wurde im Wesentlichen in drei Arbeitsschritten vollzogen: Identifikation, Einbeziehung und langfristige Begleitung der Akteure.

  • Die Identifikationsphase umfasste die Sammlung und Auswertung von Daten zur Beschreibung der Akteure und ihrer gewerblich-industriellen Tätigkeiten (Gewerbekataster, GIS-Daten und so weiter). Im Fokus standen die Schlüsselakteure und ihre betrieblichen Ansprechpartner. Schlüsselakteure sind aufgrund des hohen Abwärmepotenzials als Wärmeproduzenten oder aufgrund ihres großen Wärmebedarfs als Wärmesenken von besonderer Bedeutung für den Betrieb des Abwärmeverbundes.

  • An die Zusammenstellung der Basisdaten schloss sich die erste Kontaktaufnahme mit den Akteuren unter Berücksichtigung des zuständigen Ansprechpartners im Unternehmen sowie des geeigneten Kommunikationsmittels an. Nach der erfolgreichen Kontaktaufnahme folgte ein persönliches Kennenlernen vor Ort mit Betriebsbegehung.

  • Wie im Projekt Heatloop praktiziert, empfiehlt sich der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung in Hinblick auf den Datenschutz sowie weiteren Details zur langfristigen Zusammenarbeit mit den Akteuren. Identifikationsstiftend ist eine Auftaktveranstaltung mit allen Akteuren zu Beginn der Kooperation. Im Rahmen des langfristigen Einbeziehung der Akteure sind Runde Tische vor Ort, die kontinuierliche Informationsweitergabe sowie bilaterale Gespräche von großer Bedeutung.

Ergebnisse

Im Gewerbegebiet „Castroper Straße“ wurden ein stahlverarbeitender Betrieb und eine Stahlproduktion als Abwärme­quellen identifiziert. Potenzielle Wärmeabnehmer, die über einen ausreichenden Wärmebedarf zur Realisierung eines lokalen Wärmenetzes verfügen, konnten nicht ermittelt werden. Ein lokales Nahwärmenetz wurde deshalb ausgeschlossen und der Anschluss an das Fernwärmenetz präferiert, das die umliegenden Gebiete versorgt. Für die Einspeisung in das Fernwärmenetz kommen aufgrund der benötigten Vorlauftemperatur nur Wärmequellen oberhalb einer Temperatur von 100 °C in Frage. Als primäre Wärmequellen wurden die verschiedenen Abgaskamine der Hochtemperaturöfen des stahlverarbeitenden Betriebes und des Stahlwerks identifiziert. Gemeinsam mit den Akteuren wurde sowohl der Anschluss des stahlverarbeitenden Betriebes als auch des stahlproduzierenden Betriebes an das Fernwärmenetz modelliert, alternativ dazu auch der alleinige Anschluss des stahlverarbeitenden Betriebes. Aufgrund der Leitungsverläufe und der Wirtschaftlichkeit wurde der alleinige Anschluss des stahlverarbeitenden Betriebes präferiert. Die dort technisch verfügbare Abwärmeleistung (Potenzial) liegt im Jahresmittel bei 1000 kWth. Die mögliche Jahresenergiemenge liegt bei 7,3 GWhth/a. Sollte der stahlverarbeitende Betrieb zukünftig an das Fernwärmenetz angeschlossen werden, kann eine jährliche CO2-Einsparung von1900 t CO2/a erwartet werden.

Im Gewerbegebiet „Friedlicher Nachbar“ wurde als große und stabile Wärmequelle ein Grubenwasserstandort des Unternehmens RAG identifiziert, zu dessen Ewigkeitsaufgaben aufgrund der Folgen des Kohlebergbaus die Bewirtschaftung des Grubenwasserstandortes gehört. Jährlich werden dort im Gebiet 7 bis 8 Mio. m3 Grubenwasser auf einem durchschnittlichen Temperaturniveau von 20°C gehoben. Auf Seiten der Wärmeabnehmer konnten drei Unternehmen identifiziert werden, die insgesamt über einen Wärmebedarf von 1 GWhth/a verfügen. Die dort ansässigen Unternehmen heizen größtenteils noch mit Heizöl. Für dieses Gebiet wird ein lokales Nahwärmenetz vorgeschlagen.

Die Vorzugsvariante bildet ein warmes Nahwärmenetz: in der Nähe der Grubenwasserhebung soll eine Heizzentrale errichtet, das Temperaturniveau des Grubenwassers mittels Wärmepumpen auf nutzbare 50 bis 60 °C angehoben und das warme Wasser über ein lokales Wärmenetz zu den einzelnen Verbrauchern transportiert werden. Zur Spitzenlastabdeckung innerhalb der Heizzentrale dient ein Gaskessel. Das Wärmepotenzial des Grubenwassers in dem Gebiet bietet Potenzial für weitere Wärmeabnehmer. Im Vergleich zur bestehenden konventionellen Wärmeversorgung ließen sich dort durch die Realisierung des Wärmeverbundes jährlich 190 t CO2/a sparen.

Fazit: Investitionen sinnvoll, aber schwierig

Eine Realisierung von Wärmenetzen, gespeist aus industrieller Abwärme, kann sich bei Erfüllung der technischen Voraussetzungen als alternatives und ökologisches effektives Wärmeversorgungssystem erweisen. Für die meisten Betriebe ist auch bei Investitionen in nachhaltige und effiziente Wärmeversorgungssysteme die Wirtschaftlichkeit vorrangig. Aus dem Grund bleiben Investitionsmaßnahmen in innovative Wärmenetze aufgrund langer Amortisationszeiten und vertraglicher Strukturen schwierig. Langfristige CO2-Senkungen und der Beitrag zum Klimaschutz sind zwar wichtig, aber werden von den Akteuren als zweitrangig bewertet.

Weitere Informationen

Nähere Informationen zu den Autoren finden Sie in der Bilder-Galerie des Artikels.

Bildergalerie

  • Wärmeverbund Teil 1: Gewerbegebiet „Friedlicher Nachbar“

    Wärmeverbund Teil 1: Gewerbegebiet „Friedlicher Nachbar“

    Bild: Stadt Bochum

  • Wärmeverbund Teil 2: Gewerbegebiet „Castroper Straße“

    Wärmeverbund Teil 2: Gewerbegebiet „Castroper Straße“

    Bild: Stadt Bochum

  • Kooperation: Übersicht über die technischen Prozesse und die Arbeit der Akteure

    Kooperation: Übersicht über die technischen Prozesse und die Arbeit der Akteure

    Bild: EPC

  • Modellierung der Varianten: Im Gewerbegebiet  „Castroper Straße“ wurde sowohl der Anschluss des stahlverarbeiteten Betriebes als auch des stahlproduzierenden Betriebes an das Fernwärmenetz modelliert.

    Modellierung der Varianten: Im Gewerbegebiet „Castroper Straße“ wurde sowohl der Anschluss des stahlverarbeiteten Betriebes als auch des stahlproduzierenden Betriebes an das Fernwärmenetz modelliert.

    Bild: Fraunhofer Umsicht

  • Hemmnisse: Was einem Wärmeverbund in der Praxis entgegensteht.

    Hemmnisse: Was einem Wärmeverbund in der Praxis entgegensteht.

    Bild: Fraunhofer Umsicht

  • Autorin des Beitrags (1/5): Simone Krause, Fraunhofer Umsicht

    Autorin des Beitrags (1/5): Simone Krause, Fraunhofer Umsicht

    Bild: Fraunhofer Umsicht

  • Autor des Beitrags (2/5): Dr. Ulrich Eimer, Eimer Projekt Consulting

    Autor des Beitrags (2/5): Dr. Ulrich Eimer, Eimer Projekt Consulting

    Bild: Jana Sandner

  • Autor des Beitrags (3/5): Nils Penczek, Ruhr-Universität Bochum

    Autor des Beitrags (3/5): Nils Penczek, Ruhr-Universität Bochum

    Bild: RUB

  • Autor des Beitrags (4/5): Benedikt Bartels Ruhr-Universität Bochum

    Autor des Beitrags (4/5): Benedikt Bartels Ruhr-Universität Bochum

    Bild: RUB

  • Autor des Beitrags (5/5): Stefan Lucas, BFR-Büro für Regionalanalyse

    Autor des Beitrags (5/5): Stefan Lucas, BFR-Büro für Regionalanalyse

    Bild: BFR

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