Fachbeitrag Von der Trommel in die Rinne

igus GmbH



03.05.2012

In Klärwerken arbeitet die Energie- und Datenzuführung bei Hitze, Regen und Frost. Konventionell genutzte Kabeltrommeln werden dadurch stark strapaziert und fallen oft aus. Das Klärwerk Forchheim im Breisgau testete die geschützte Unterbringung der Leitung in einer Führungsrinne - und profitiert von erheblich längeren Standzeiten und damit von einer höheren Verfügbarkeit der Vorklärbecken.

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Es klingt wie eine klassische Aufgabe für einen Maschinenbauingenieur in den ersten Semestern: "Konstruieren Sie eine bewegliche Kabelzuführung für ein Vorklärbecken in einer Kläranlage!" In solchen Becken wird das Abwasser nach den ersten mechanischen Reinigungsschritten beruhigt, damit sich Verunreinigungen absetzen können. Ein langsam fahrendes Räumaggregat schiebt die schlammförmigen Sedimente auf dem Grund des Beckens in Trichter - 365 Tage im Jahr, bei jeder Witterung. Von dort werden sie der Schlammbehandlung zugeführt. Generationen von Ingenieuren haben diese Aufgabenstellung ganz klassisch mit einer angetriebenen Kabeltrommel gelöst - auch in der Kläranlage Forchheim des Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht. Da es sich hier um eine der größten Anlagen im Süden Deutschlands handelt, die das Abwasser von Haushalten eines 650 Quadratkilometer großen Gebiets in der Breisgauer Bucht einschließlich Freiburg aufbereitet, gibt es gleich vier Vorklärbecken, die jeweils etwa 45 Meter lang sind.

Aus Sicht des Energiezuführungsspezialisten Igus und auch von vielen Klärwerksbetreibern ist die Lösung mit der Kabeltrommel nicht ganz unproblematisch. Wenn der Antrieb der Trommel ausfällt, entsteht sehr hohe Zugbelastung, die im Extremfall ein Abreißen der Leitung zur Folge hat. Zudem liegt die abgerollte Leitung ungeschützt, Wind und Wetter ausgesetzt, auf dem Boden. Der Verschleiß ist somit hoch und Ausfälle sind nicht selten - zumal die Leitung bei jeder Vor- und Rückwärtsbewegung eine leichte Drillbewegung ausführt, die den Verschleiß zusätzlich fördert. Als Igus-Verkaufsberater Jochen Becker das Klärwerk Forchheim besuchte und als Alternative zur Kabeltrommel das geschlossene, reibungsarme System Microflizz vorstellte, rannte er damit bei den Verantwortlichen offene Türen ein. Denn die suchten gerade nach einer neuen, verschleißfesten Lösung, nachdem mehrere Ausfälle an der Kabeltrommel eines Vorklärbeckens aufgetreten waren.

Die Eigenschaften der vorgestellten Energiezuführung überzeugten, zumal es bereits Referenzen aus anderen Klärwerken gab. Beim Microflizz-System sind die Leitungen in einer Energiekette untergebracht, die sich wiederum geschützt in einer an drei Seiten geschlossenen Führungsrinne aus Aluminium befindet. Somit ist die Leitung perfekt geführt; weder Schnee noch Laub oder Regenwasser können eindringen und es besteht auch kein Risiko, dass sich die Leitungen verdrehen.

Flügel sorgen für sicheren Halt in der Schiene

Zudem bewegen sich die Energieketten reibungsarm sowie mit reduziertem Kraft- und Antriebsaufwand in der Führung, denn Ober- und Untertrum der Microflizz-e-Kette legen sich nicht aufeinander ab. Dafür verantwortlich ist ein besonderer konstruktiver Kniff: Die einzelnen Kettenglieder sind mit kleinen Flügeln ausgestattet, die sich nur im Ra-dius einklappen. Dort wo die Kette gestreckt ist, klappen die Flügel aus und sorgen so für sicheren Halt in der Führungsschiene. Auch der kugelgelagerte Führungswagen trägt zur leichtgängigen Bewegung bei. Hinzu kommt, dass die Igus-Lösung keinen eigenen Antrieb benötigt und mechanisch fest an die Räumerbrücke gekoppelt ist. Dies spart Energie, macht zusätzlichen Aufwand zur Steuerung des Energiezuführungssystems überflüssig und reduziert mögliche Fehlerquellen im Bereich der Vorklärung.

Am Vorklärbecken der Kläranlage Forchheim wurde ein 44 Meter langes MF08-Doppelsystem installiert, bei dem zwei Energieketten in einer Rinne untergebracht sind und gegenläufig arbeiten. Die Ketten sind mit 4 x 2,5-mm²-Kabeln für die Energiezufuhr der Räumerbrücke befüllt sowie mit 12 x 1-mm²-Steuerleitungen. Hier erweist es sich als Vorteil, dass man bei der Bestückung der Energiekette sehr viel variabler ist als bei der Kabeltrommel, in der zwölf Adern mit 2,5 mm² Querschnitt zum Einsatz kamen. Somit gibt es nun weniger Kupfer, aber mehr Adern. Weiterer Vorteil: Im Vergleich zur Kabeltrommel kann auf einen Schleifring verzichtet werden, der die Übertragung von Daten erheblich einschränkt. Denn das Energiekettensystem erlaubt eine direkte Durchverbindung aller Leitungen ohne zusätzliche Klemmstellen oder Schleifringe. Die verwendeten Leitungen stammen aus dem Chainflex-Programm von Igus. Zum Einsatz kommt die Baureihe CF9 mit TPE-Ummantelung, deren kleiner Biegeradius eine geringen Bauhöhe von 140 mm ermöglicht. Die Leitung bleibt auch bei Minusgraden flexibel und bietet mit hoher Zug- und Biegefestigkeit eine besonders lange Lebensdauer.

Igus hat für das modulare Microflizz-System einen umfangreichen Zubehör-Baukasten entwickelt, der unter anderem verschiedene Arten von Montagewinkeln und Anschlusselementen umfasst. Auch weitere Komponenten aus dem Sortiment des Herstellers kommen in Forchheim zum Einsatz, zum Beispiel Winkelgelenke, die für eine flexible aber zuverlässige Verbindung von Mitnehmer und Leitungszuführung sorgen. Basierend auf tribooptimierten Kunststoffen sind diese schmier- und wartungsfrei sowie unempfindlich bei rauen Umgebungsbedingungen.

Darüber hinaus hat der Montageservice des Energiezuführungsspezialisten auch die Installation des Systems vor Ort übernommen. Der komplette Umbau mit zwei Monteuren war in weniger als einem Tag erledigt. Eine Besonderheit jenseits des Katalogprogramms wurde ebenfalls installiert: Wenn bei feuchter Witterung die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, kann die Energiekette einfrieren, obwohl sie nicht direkt der Nässe ausgesetzt ist.

Sonderlösung Begleitheizung

Um das zu verhindern, wurde in das Gehäuse eine thermostatgesteuerte Heizung integriert. Die Betreiber sind mit dem neuen System rundum zufrieden. Ingo Ulrich, Leiter Instandhaltung des Klärwerks Forchheim: "Seit die neue Energiezuführung installiert wurde, ist sie noch nicht ausgefallen." Da das System wartungsfrei ist, hat es somit noch keine Betriebskosten verursacht. Damit dürften die Chancen gut sein, dass die Klärwerksbetreiber in Zukunft weitere Kabeltrommeln durch Microflizz ersetzen - zumal nicht nur an den anderen Vorklärbecken, sondern auch am Sandfangbecken mobile Räumgeräte mit beweglichen Energiezuführungen im Einsatz sind.

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