HMI-Systeme für die Pharmaindustrie Volle Kontrolle in der Medikamentenproduktion

Pepperl+Fuchs SE

Auch in der Pharmaindustrie wird zunehmend auf Multi-Purpose-Anlagen gesetzt, um das Datenaufkommen zu bewältigen und steigenden Sicherheitsnormen zu entsprechen.

Bild: iStock, 4X-image
19.06.2019

Aus der weitestgehend automatisierten Herstellung von Medikamenten sind HMI-Systeme nicht mehr wegzudenken. Mit ihnen lassen sich relevante Daten entlang des Prozesses visualisieren oder Verfahrensschritte manuell abarbeiten. Allerdings gibt es in der pharmazeutischen Produktion zahlreiche Regularien und teils auch Explosionsschutzrichtlinien zu beachten. Bedien- und Beobachtungssysteme müssen diesen strengen Anforderungen gewachsen sein.

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Die Herstellung von Arzneimitteln läuft in einem qualitativ hochwertigen Verfahren ab, das durch seine Komplexität eine Fülle relevanter Daten mit sich bringt. Dieses Datenaufkommen wächst sogar noch weiter: „Durch Industrie 4.0 wird es auch in der Prozesstechnik immer wichtiger, dezentralen Zugang zu Informationen und Steuerfunktionen zu ermöglichen. Die Medikamentenherstellung bildet dabei keine Ausnahme. Zunehmend setzt man hier auf Multi-Purpose-Anlagen, die auf die möglichst effiziente Produktion verschiedener Arzneimittel ausgelegt sind“, erläutert Business Development Manager Stefan Sittel.

Sein Kollege Dr. Marc Seißler, Product Portfolio Manager, ergänzt: „Für eine zukunftsfähige, wirtschaftliche Fertigung in der Pharmaindustrie sind vernetzte HMI-Systeme essenziell wichtig. Gleichzeitig müssen sie aber auch Regularien zur Medikamentenherstellung, den GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practices) und teilweise Explosionsschutzrichtlinien entsprechen.“

Thin-Client-basierter Remote Monitor

Bedien- und Beobachtungssysteme kommen bereits bei den vorgelagerten Zulieferern aus der Feinchemie zum Einsatz, die in der Upstream-Phase der Arzneiproduktion die Basisstoffe an die Pharmahersteller liefern. Zur Gewinnung dieser Substanzen muss jedes Detail, wie die Reinheit der Komponenten, die Lagertemperatur oder der pH-Wert, stimmen und dokumentiert werden. Nur so kann bei der späteren Synthese der Wirkstoffe sichergestellt werden, dass sie den gewünschten Effekt erzielen.

Hier findet sich mit dem VisuNet GXP von Pepperl+Fuchs ein Thin-Client-basierter Remote Monitor, über den Prozessinformationen und Automatisierungsfunktionen dargestellt werden können. Seine konstruktiven Eigenschaften machen ihn dabei unempfindlich gegenüber Flüssigkeiten, das Anlagern von Bakterien oder gegen aggressive Reinigungsvorgänge, während das leichte und modulare Design eine hohe Flexibilität erlaubt.

Darüber hinaus ist der VisuNet GXP auch für explosionsgefährdete Bereiche geeignet, die in diesen Prozessstufen etwa durch Stäube oder alkoholhaltige Reinigungs- und Lösungsmittel entstehen. So stellt er bei der Chargensteuerung oder Dosierkontrolle via Ethernet übermittelte Informationen von Leitsystem oder MES verlässlich dar – direkt in den ATEX-Zonen 1 und 21 beziehungsweise in den Zonen 2 und 22.

„Ob er dabei über die Netzwerkinfrastruktur mit konventionellen PC-Workstations und Servern verbunden ist oder an virtualisierten PCs und Servern eingesetzt wird, spielt bei dieser Integration in die Automatisierungsarchitektur keine Rolle. Unsere neue Firmware VisuNet RM Shell 5 auf Basis von Windows 10 IoT Enterprise unterstützt moderne Remote Services wie Microsoft RDP oder Web-Server und damit beide Ansätze“, erläutert Sittel.

Ethernet-Anbindung im Außenbereich

Auch die weiteren Ethernet-fähigen Bedien- und Beobachtungssysteme hat Pepperl+Fuchs mit der RM Shell 5 ausgestattet. Dazu zählt auch die Produktfamilie VisuNet IND, der man in Tanklagern für pharmazeutische Stoffe begegnet. In diesen entsprechend Zone 2 beziehungsweise Class I, Div. 2 explosionsgefährdeten Außenbereichen, in denen aus der Feinchemie angelieferte Basischemikalien zwischenlagern, muss das Befüllen und Entleeren der Tanks überwacht und gesteuert werden. Zusätzlich fordern Wind und Wetter ihren Tribut von dem verwendeten Equipment.

Der VisuNet IND bringt prozesskritische Informationen zu Füllständen und Temperaturen in übersichtlicher Form auf das Display. Dadurch unterstützt er das Bedienpersonal des Tanklagers bei Entscheidungen und schafft einen Zugewinn in puncto Prozesssicherheit und Verfügbarkeit. Im Zusammenspiel mit integrierten Identifikationssystemen aus dem Portfolio von Pepperl+Fuchs kann er auch für die verlässliche Identifizierung von anliefernden Lkw-Fahrern und Ladeaufträgen eingesetzt werden.

Als Freiluftlösungen besitzen Remote-Monitore aus der VisuNet-IND-Familie tageslichttaugliche Displays und sind auf Regendichtigkeit ausgelegt. Der Temperaturbereich, in dem sie betrieben werden können, reicht von –20 bis zu 50 °C.

Darüber hinaus ist die Ethernet-Anbindung von HMIs gerade in Außenbereichen vorteilhaft. Dank digitaler Kommunikation zwischen Remote Monitor und Host-System kann eine durchgängig hohe Bildqualität gehalten werden, ohne dass dafür eine ähnlich umfangreiche Konfiguration wie bei früher geläufigen, analogen KVM-Systemen erforderlich wäre.

Zudem ist die mögliche Übertragungsreichweite über die Netzwerkinfrastruktur nicht limitiert wie bei einem KVM-System. Eine Ergänzung, um in diesen Außenbereichen schnell und effizient Rohmaterialanlieferungen zu erfassen, stellen mobile Endgeräte von Ecom dar, die inzwischen ebenfalls Teil des Pepperl+Fuchs-Produktportfolios sind. „Ein PDA wie das i.roc Ci70-Ex und der Handscanner Ident-Ex von Ecom bringen Auto-ID in ATEX-Zone 1 und Mobilität zusammen. Über ein modulares Kopfsystem können RFID-Transponder verschiedenster Frequenzbereiche oder auch 1-D- und 2-D-Barcodes erfasst werden. Damit sind nahezu sämtliche in der Pharmaproduktion anfallenden Identifikationsaufgaben abdeckbar“, erläutert Sittel.

Bedienen mit Schutzhandschuhen

Während der anschließenden Batch-orientierten Fertigung der Intermediates, also der für das eigentliche Medikament gebrauchten Zwischenprodukte, sind zahlreiche manuelle Eingaben an der Anlage nötig. Damit sind Bedien- und Beobachtungssysteme allgegenwärtig. Auch für diese Szenarien bietet der VisuNet GXP eine geeignete Lösung: Neben einer antibakteriellen Folientastatur mit kapazitivem Touchpad oder optischem Trackball ist er mit einem großen Full-HD-Multi-Touch-Panel ausgestattet, wodurch ihn die Mitarbeiter mit Schutzhandschuhen problemlos bedienen können.

Dabei zeigt sich laut Seißler, wie das Zusammenspiel von Mensch und Maschine in Industrie-4.0-Umgebungen aussehen kann: „Das Fachpersonal erhält mit dem GXP eine voll auf die zahlreichen manuellen Eingriffe im Life-Science-Bereich zugeschnittene Bedienstation. Da ergänzend dazu RM Shell 5 und das zusätzliche Management-Werkzeug VisuNet Control Center Inbetriebnahme, Administration und Support dieser Bedienstationen extrem verschlanken, entsteht ein doppelter Effizienzgewinn.“

Tatsächlich sind dank des VisuNet Control Centers Produktionstechniker in der Lage, sich aus der Ferne mit jedem beliebigen VisuNet Remote Monitor zu verbinden und so den Anlagenbediener zu unterstützen, ohne überhaupt die empfindlichen Produktionsbereiche betreten zu müssen. Auch lassen sich die Monitore schneller und effizienter einrichten und überwachen als je zuvor. Per Session Shadowing ist der Inbetriebnehmer zum Beispiel in der Lage, sich auf einen Remote Monitor im Reinraum zu schalten. Dort erstellt er dem Bediener ein neues Profil und überträgt es anschließend über das Ethernet-Netzwerk auf beliebig viele weitere Monitore.

Außerdem können dank des VisuNet Control Centers eventuelle Störungen in der Verbindung von Remote Monitoren mit ihrem Host-Rechner sofort erkannt werden. Ein Prozessingenieur unterstützt dann aus der Distanz den Mitarbeiter vor Ort oder übernimmt im Bedarfsfall per passwortgeschütztem Zugriff selbst die Kontrolle.

Hier kann, parallel zu stationären Bedienstationen, auch mobile Kommunikation sinnvoll sein. Das Android-basierte und für ATEX-Zone 1 zertifizierte Smartphone Smart-Ex 01 von Ecom wurde genau für derartige Szenarien entwickelt. Der Mitarbeiter kann mittels der Kamera Barcodes an prozesstechnischem Equipment innerhalb der pharmazeutischen Produktionsanlagen identifizieren und die dazugehörigen Service- und Wartungsinformationen erhalten oder auch per E-Mail konkrete Arbeitsanweisungen empfangen.

Gleichzeitig dienen mobile Endgeräte wie das Smart-Ex 02 oder auch das Featurephone Ex-Handy 10 als eine Absicherung für die Mitarbeiter in der Anlage. Dank eines programmierbaren 3D-Bewegungssensors für Neigungs-, Aufprall- und Fluchtalarm sowie Bewegungslosigkeit kann die Leitwarte im Ernstfall einen Verunglückten lokalisieren und die nötigen Maßnahmen einleiten.

Verunreinigungen des Wirkstoffs vermeiden

Folgt man dem pharmazeutischen Prozess weiter zur Herstellung des Wirkstoffs, dem Active Pharmaceutical Ingredient (API), nimmt die Häufigkeit explosionsgeschützter Bereiche ab, die Vorsicht bezüglich Verunreinigungen dagegen zu. Diese Vorsicht ist begründet, denn durch Rückstände eines vorherigen Herstellungsprozesses, an Schuhen haftende Verunreinigungen oder bakterielle Anhaftungen eines menschliches Haares kann schlimmstenfalls eine ganze Charge unbrauchbar werden. In solchen Umgebungen, die oft als pharmazeutische Reinräume nach GMP-Richtlinie definiert sind, werden also für die Interaktion mit dem Prozess oder Produktionsleitsystem Bedienstationen benötigt, die ganz besonders auf gute Reinigbarkeit sowie chemische und mechanische Robustheit ausgelegt sind.

Pepperl+Fuchs stellt mit dem VisuNet GMP eine Produktfamilie zur Verfügung, die genau für die Einsatzbedingungen in pharmazeutischen Reinräumen entwickelt wurde. Die Baureihe lässt sich einfach reinigen, ist chemisch resistent und verfügt über eine antibakterielle Tastatur. Zudem gibt es den VisuNet GMP in zwei Grundausführungen: entweder als mit RM Shell 5 ausgerüsteten Remote Monitor in einem schlanken Edelstahlgehäuse mit Standfuß/Wandarm oder als Panel-Mount-Version – etwa für den Einbau in Pharmawände oder Bedienpanels von Maschinen.

Für den Fall, dass eine explosionsgefährdete Atmosphäre vorliegt, ist der VisuNet GMP zudem in einer Ausführung mit Zertifizierung für die Zonen 2 und 22 erhältlich. Die Integration mobiler Endgeräte in den Prozess ist auch hier möglich. Eine Kombination aus einem Handscanner und einem Windows Tablet mit RM Shell 5 vom Typ Pad-Ex 01 hilft beispielsweise, Identifikationsaufgaben bei der API-Herstellung abzuwickeln. Der Mitarbeiter liest auf dem Tablet die Rezeptur ab und identifiziert über den Scanner die Ingredienzen, bevor er die richtige Zusammensetzung und Menge der Charge über das Gerät bestätigt.

Ist die Herstellung des Wirkstoffs abgeschlossen, ist er allerdings noch nicht zur Darreichung an den Patienten geeignet. „Hier im ‚Downstream-Bereich‘ finden weitere physikalische Verfahrensschritte statt, für die häufig hochspezialisierte Maschinen von OEM-Unternehmen eingesetzt werden“, schildert Sittel die Zusammenhänge. Entsprechend stellt Pepperl+Fuchs für die Maschinen und Anlagen dieser OEM-Lieferanten VisuNet-Lösungen in Edelstahlgehäusen, einbaubare Panel-Mount-Remote-Monitore für die DCS-/MES-Bedienung oder Panel-PCs für die SPS-Anbindung zur Verfügung.

Diese Visualisierungssysteme und Bediengeräte, die häufig auf der GMP-Produktfamilie basieren, sind nötig, um in den folgenden komplexen Prozessschritten Informationen darzustellen und Rezepturen zu steuern – zum Beispiel, indem er zermahlen, in Flüssigkeit gelöst oder durch Granulieren und das Coating auf die Trägerstoffe aufgebracht wird. Durch Zentrifugieren, Chromatographieren und Trocknen werden in diesen Stufen die Trägerstoffe entfernt und der Wirkstoff weiter aufbereitet. Hier erhält das portionierte Medikament seine uns bekannte Form als Tablette, Salbe oder Lösung, bevor es versandfertig in Blistern, Tuben, Ampullen, Spritzen oder Beuteln abgepackt wird.

Entscheidend für das Thema HMI-Systeme ist darüber hinaus noch, dass nicht nur Komponenten, sondern komplette GMP-taugliche, funktionale Systeme benötigt werden. Daher sind Spezialisten notwendig, die über Praxiserfahrung, Beratungskompetenz und Engineering-Know-how verfügen.

Sittel führt ein Beispiel an: „Mit zunehmend papierloser Pharmaproduktion erleben wir vor Ort, dass unsere Kunden immer häufiger sowohl MES- als auch DCS-Funktionalitäten auf Monitoren im Feld anzeigen müssen. Das lässt sich einerseits über eine HMI-Lösung mit Dual-Display lösen – was unser VisuNet GMP in Duplex-Variante bietet. Gleichzeitig haben wir diese Anforderung aber auch mit unseren Software-Experten diskutiert. Sie haben daraufhin RM Shell so weiterentwickelt, dass unsere Kunden heute schnell auf einem einzigen Monitor zwischen DCS und MES umschalten können.“

Bildergalerie

  • Die Grafik zeigt beispielhaft einen Aufbau von HMI-Systemen, darunter VisuNet-Remote-Monitore und Box Thin Clients (BTC) von Pepperl+Fuchs, in einer Produktionsumgebung.

    Die Grafik zeigt beispielhaft einen Aufbau von HMI-Systemen, darunter VisuNet-Remote-Monitore und Box Thin Clients (BTC) von Pepperl+Fuchs, in einer Produktionsumgebung.

    Bild: Pepperl+Fuchs

  • Der VisuNet GXP ist auch für Mitarbeiter mit Schutzhandschuhen einfach zu bedienen.

    Der VisuNet GXP ist auch für Mitarbeiter mit Schutzhandschuhen einfach zu bedienen.

    Bild: Pepperl+Fuchs

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