Zuverlässigkeitsanalyse für einsatzkritische Designs Voll verlässlich

Bei kritischen Designs von ICs für die Automobilindustrie muss die Zuverlässigkeitsanalyse verlässlicher sein, als bei Konsumelektronik.

Bild: iStock, Mike Kiev
04.10.2018

Beim Design von Analog-ICs für einsatzkritische Anwendungen in der Medizintechnik, Raumfahrt oder Automobilindustrie werden wesentlich bessere Prognosen für die Produktlebensdauer benötigt als in der Konsumelektronik. Dieser Artikel erklärt, wie die Zuverlässigkeitsanalyse für einsatzkritische Designs modifiziert werden muss.

Eine der wichtigsten Aufgaben kritischer Designs besteht darin, die Ausfallrate eines Produkts über dessen gesamte Lebensdauer zu reduzieren. Normalerweise wird die Ausfallrate in der Form einer Badewannenkurve dargestellt, die sich in drei Bereiche aufteilen lässt: Frühausfälle, die in erster Linie auf ungenügende Tests zurückzuführen sind, die Produktlebensphase mit vergleichsweise wenigen Ausfällen und zuletzt Verschleißausfälle aufgrund elektrischer Beanspruchung. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass das Produkt nur in demjenigen Betriebsbereich verwendet wird, für den die Zuverlässigkeitsanalyse erstellt wurde. Dabei ist speziell das Verhindern thermischer Überlastungen ein entscheidender Designaspekt.

Während Ingenieure sich auf die Badewannenkurve beziehen, haben die Anwender – und hier insbesondere Automobilkunden – einen vollkommen anderen Blickwinkel: Sie möchten von Anfang an eine niedrige Ausfallrate für integrierte Schaltkreise (IC). Idealerweise sollte die Rate bei 0 dppm (fehlerhafte Teile pro Million) liegen und auch über die gesamte Lebensdauer des Produkts diesen Wert nicht überschreiten. Eine Überschlagsrechnung verdeutlicht, welche großen Auswirkungen eine Ausfallrate von nur 1 dppm für die ICs in einem Automobil hätte: Ein typisches Mittelklassefahrzeug enthält ungefähr 80 Steuergeräte, und in jedem dieser Steuergeräte sind mehrere ICs verbaut. Bei einer Million produzierten Autos wären somit ungefähr 1,5 Prozent, das bedeutet 15.000 Autos, fehlerhaft!

Diese Rechnung verdeutlicht, warum bei der Entwicklung von Automobilanwendungen extrem hohe Erwartungen an die Zuverlässigkeit gestellt werden. Die erforderliche IC-Lebensdauer ist nicht vergleichbar mit den konventionellen Anforderungen in Verbraucher-Anwendungen, wo die typische Lebensdauer bei 1 bis 3 Jahren liegt. Vielmehr wird im Automobilbereich eine Lebensdauer von bis zu 15 Jahren gefordert.

Kriterien für die Zuverlässigkeit von ICs

Doch wie lässt sich die Zuverlässigkeit von ICs bewerten? Eines der ersten Tools, das eine Analyse der Bauteil-Degradation erlaubte, sind die Berkeley-Reliability-Tools. Diese Technologie ist im Reliability-Simulator „Virtuoso RelXpert“ des Softwareunternehmens Cadence verfügbar. Zusätzlich zu diesem Simulator hat Cadence das AgeMOS-Modell entwickelt, das eine noch genauere Beschreibung der Bauteil-Degradation ermöglicht. Mit Hot Carrier Injection (HCI) und Bias Temperature Instability (BTI) sind dabei die Auswirkungen der beiden häufigsten Ursachen für eine Bauteil-Degradation berücksichtigt.

Als Referenz für den Simulations-Flow von „Virtuoso RelXpert“ dient die Nominal-Simulation, die das Verhalten vor der Alterung der Schaltkreise beschreibt. Der Zuverlässigkeits-Flow erfordert dann noch zwei weitere Simulationen:

  • Die Stresssimulation wird unter ungünstigen Betriebsbedingungen durchgeführt. Erfolgt zum Beispiel die Nominal-Simulation bei einer Raumtemperatur von 27 °C und einer Versorgungsspannung von 3 V, dann könnte die Stresssimulation bei einer maximalen Temperatur von
    80 °C und einer maximalen Versorgungsspannung von
    3,3 V durchgeführt werden.

  • Die Alterungssimulation wird unter den gleichen Bedingungen wie die Nominal-Simulation ausgeführt. Sie charakterisiert die Veränderung der Design-Leistung aufgrund der Bauteil-Degradation.

Erweiterung für kritische Anwendungen

Mit seiner Lösung „Legato Reliability“ hat Cadence die Zuverlässigkeitsanalyse auf einsatzkritische Anwendungen ausgeweitet. Sie beinhaltet mehrere Erweiterungen für den Simulations-Flow des Virtuoso-Simulators, unter anderem eine Verbesserung der Modelle für die Bauteil-Degradation. So wurde dem AgeMOS-Modell ein neues Alterungsmodell für fortschrittlichere Technologien wie FinFET-Transistoren zur Seite gestellt, da das AgeMOS-Modell eine Weiterentwicklung des Lucky-Electron-Modells (LEM) darstellt, das für planare CMOS-Transistoren bis zu 28 nm entwickelt wurde und für eine Modellierung der Bauteil-Degradation von FinFETs nicht ausreicht. (Die dreidimensionale Struktur der FinFETs verändert die Art und Weise, wie eine Beanspruchung die Bauteil-Degradation beeinflusst.) Die Simulationsergebnisse mit dem neuen Alterungsmodell erlauben eine wesentlich bessere Vorhersage der Degradation und Erholung für verschiedenste Betriebsbedingungen wie Übersteuerung oder Erholungsphasen.

Wechselwirkung verschiedener Faktoren

Die Analyse der Bauteil-Degradation kann weiter verbessert werden, indem alle Phänomene, die zur Degradation beitragen, berücksichtigt werden. Beim Simulations-Flow des Virtuoso-Simulators liegt der Schwerpunkt auf der Bauteil-Degradation durch elektrische Beanspruchung, während andere Einflussfaktoren wie Temperatur- oder Prozessschwankungen nur recht allgemein einfließen. Um die Genauigkeit der Zuverlässigkeitsanalyse zu erhöhen, wurde die Legato-Reliability-Lösung dahingehend erweitert, dass auch die gemeinsame Wirkung dieser Faktoren untersucht werden kann.

Bildergalerie

  • Die Ausfallrate eines ICs lässt sich als Badewannenkurve darstellen, die in drei Bereiche aufgeteilt ist.

    Die Ausfallrate eines ICs lässt sich als Badewannenkurve darstellen, die in drei Bereiche aufgeteilt ist.

    Bild: Cadence

  • Der Simulations-Flow im Virtuoso-Simulator basiert auf drei verschiedenen Simulationsszenarien.

    Der Simulations-Flow im Virtuoso-Simulator basiert auf drei verschiedenen Simulationsszenarien.

    Bild: Cadence

  • Die BTI-Simulationsergebnisse mit dem neuen Alterungsmodell erlauben bessere Vorhersagen der Degradation und Erholung.

    Die BTI-Simulationsergebnisse mit dem neuen Alterungsmodell erlauben bessere Vorhersagen der Degradation und Erholung.

    Bild: Cadence

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