Decarbonization Verzicht reicht gegen den Klimawandel nicht aus

Dr. Gunther Kegel ist designierter ZVEI-Präsident und CEO von Pepperl+Fuchs. Der ZVEI vertritt die Interessen der Elektroindustrie und zugehöriger Dienstleistungsunternehmen auf nationaler und internationaler Ebene. Jährlich wendet die Branche rund 20 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung auf und mehr als sechs Milliarden Euro für Investitionen.

Bild: Alexander Grüber, ZVEI
14.07.2020

Lassen sich ökonomische und ökologische Ziele vereinen? Ja, doch dazu muss es endlich gelingen, die Ökonomie in den Dienst der Ökologie zu stellen. Denn es reicht eben nicht, nur aus Kohle und Atomkraft aussteigen zu wollen.

Dr. Gunther Kegel ist mit diesem Beitrag im E&E-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Elektronikwelt vertreten. Alle Beiträge des E&E-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.

In der Debatte um den Klimawandel dominiert das Narrativ vom Verzicht. Doch Verzicht wird uns nicht entscheidend voranbringen. Weder beim Erreichen der Klimaziele noch beim Erhalt unseres Wohlstands.

Denn es reicht eben nicht aus, nur aussteigen zu wollen, etwa aus Kernkraft und Kohle. Wir müssen vor allem einsteigen – nicht nur in die erneuerbaren Energien, sondern viel grundsätzlicher: in die konsequente Elektrifizierung der Energiewende über alle Sektoren hinweg. Das gilt insbesondere für die klimarelevanten Bereiche Verkehr und Gebäude, die hohe Potenziale zur Emissionsminderung aufweisen.

Außerdem müssen wir schneller werden. Dafür brauchen wir die passenden politischen Rahmenbedingungen, die klimaschonende Technologien so fördern, dass es sich für Unternehmen lohnt, in sie zu investieren. Kurzum: Es muss jetzt gelingen, die Ökonomie endlich in den Dienst der Ökologie zu stellen. Hierin liegt ein Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele.

Strompreis runter, CO2-Preis hoch

Es ist paradox: Viele Technologien, die für den Klimaschutz relevant sind, setzen sich nicht durch, einfach weil sie preislich nicht konkurrenzfähig sind. Das muss dringend korrigiert werden. Der ZVEI tritt deshalb dafür ein, dass der Kohlendioxid-Preis künftig die zentrale Steuerungsgröße ist, um den CO2-Ausstoß dauerhaft zu senken oder gar auf null zu bringen.

Gleichzeitig muss der Strompreis runter. Die EEG-Umlage sollte signifikant auf 2 ct/kWh reduziert werden und nicht nur auf 6,5 ct/kWh für das kommende Jahr, beziehungsweise 6 ct/kWh für 2022 gedeckelt werden, wie von der Bundesregierung im Konjunkturprogramm vorgesehen. Salopp gesagt: Strom zu tanken muss künftig billiger sein, als Sprit zu tanken. Also, Strompreis runter, CO2-Preis hoch.

Warum? Weil Strom mit weitem Abstand der bedeutendste Energieträger werden muss, um die Klimaziele zu erreichen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Strom aus Erneuerbaren direkt genutzt oder in Form von Wasserstoff zwischenspeichert und dann beispielsweise in einer Brennstoffzelle wieder in Strom gewandelt wird. Deshalb müssen wir alles daransetzen, den Ausbau der erneuerbaren Energien signifikant zu beschleunigen. Einen Stillstand wie zuletzt bei der Windenergie können wir uns nicht länger leisten.

Deutschland in der Leuchtturmfalle

Überhaupt müssen wir auch wieder in der Lage sein, große Infrastrukturprojekte im eigenen Land zu realisieren. Zu oft stecken wir in Deutschland in der Leuchtturmfalle: Wenn es um innovative Pilotprojekte geht, in denen Wissenschaft und Industrie eng zusammenarbeiten, sind wir zwar schneller als die meisten anderen. Dennoch mangelt es zu häufig an der nachfolgenden Skalierung solcher Projekte. Nicht, weil es technisch nicht umsetzbar wäre, sondern weil es am Ende politisch nicht opportun scheint, etwa aufgrund von Bürgerprotesten.

Das ist riskant. Wollen wir Leitanbieter für klimaschonende Technologien sein, müssen wir auch Leitmarkt sein können. Dafür müssen technologische Innovationen auch hierzulande mehr zur Anwendung kommen. Nicht zuletzt, um im Kampf gegen den realen Klimawandel erfolgreich sein zu können.

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