Gestapelter Anbau mit Vollautomatisierung Vertical Farming revolutioniert die Landwirtschaft

Beim Vertical Farming erfolgt der Anbau von Pflanzen nicht auf „freiem Feld“, sondern in geschlossener, kontrollierter Umgebung.

Bild: Bachmann Visutec
25.04.2022

In der vertikalen Landwirtschaft, dem „Vertical Farming“, gedeihen Pflanzen nicht auf freiem Feld: Sie werden in einer geschlossenen, kontrollierten Umgebung angebaut – auf mehreren, übereinander angeordneten Wachstumsflächen. Die gezielte Dosierung von Licht, Klima, Wasser und Nährstoffen schafft dabei optimale Wachstumsbedingungen. Eine sinnvolle Automatisierung reduziert Arbeitskosten. Die niederländische Artechno Growsystems hat dieses System perfektioniert und nutzt hierfür industrielle Automatisierungstechnik.

Überlegungen, eine landwirtschaftliche Produktion in mehrstöckige Gebäude zu verlagern, sind nicht neu. Ideen dazu entstanden bereits in den 1960er-Jahren in Europa. Vor dem Hintergrund des weltweiten Bevölkerungswachstums und der Tatsache, dass in den kommenden drei Jahrzehnten rund 80 Prozent der Menschen in urbanen Ballungszentren leben, gewinnt das Vertical Farming eine ganz neue Bedeutung: Um den Nahrungsbedarf von zusätzlich drei Milliarden Menschen zu decken, reichen die vorhandenen Bodenressourcen für einen traditionellen landwirtschaftlichen Anbau nicht mehr aus. Unabhängig davon befürchten Wissenschaftler massive Umweltschäden durch den damit verbundenen hohen Wasserverbrauch und die Einträge von Dünger und Pestiziden.

Im Gegensatz zu konventionellen Anbaumethoden ermöglicht die vertikale Landwirtschaft zudem die saisonunabhängige Pflanzenproduktion und ganzjährige Ernten. Die Anbauflächen sind geschützt vor Extremwetterereignissen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels, was sichere Erträge garantiert.

Revolutioniert – und perfektioniert

Die niederländische Artechno Growsystems hat die Idee des Vertical Farmings nun mit ihren AVF+-Systemen revolutioniert: Aus der perfekten Kombination von Licht, Klima, Wasser und Nährstoffen schafft das innovative Unternehmen optimale Wachstumsbedingungen für Pflanzen. Zusammen mit einer sinnvollen Automatisierung der landwirtschaftlichen Prozesse von der Aussaat bis zur Ernte reduzieren sie zudem den manuellen Arbeitsaufwand auf einen Bruchteil von jenem der traditionellen Landwirtschaft.

In AVF+-Systemen werden rund 99 Prozent weniger Wasser benötigt als beim herkömmlichen Gemüseanbau, denn das eingesetzte Wasser wird rezykliert und wieder dem Kreislauf zugeführt. Dieses wird auf seinen verbliebenen Düngemittelanteil untersucht, und nur noch das Fehlende ergänzt. Auch der Düngemitteleinsatz lässt sich so um mehr als 60 Prozent reduzieren. Durch den Anbau in einer von Umweltweinflüssen geschützten Umgebung kann zudem auf Pestizide gänzlich verzichtet werden.

Ökonomie mit Licht und (noch) Schatten

Artechno hat es geschafft, abhängig von der Pflanzensorte die Erntemengen auf bis zu 100 kg pro Quadratmeter Anbaufläche und Jahr auszubauen. Das ist leicht das Fünffache dessen, was man im herkömmlichen Anbau erreichen kann. Gelungen ist dies durch ihr weltweit einzigartiges Konzept der Klimakammern: In den rund 8 Meter hohen Zellen sind die Anbauflächen in zehn Schichten übereinander angeordnet, bei denen die Temperaturabweichung weniger als 1 Grad Celsius aufweist.

„Die Klimazelle bietet den perfekten Raum für einen Ausgleich von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2. Durch unser einzigartiges Airflow-Prinzip wird das Klima auf jeder Schicht homogen verteilt und gibt den Pflanzen immer genau das, was sie für ein starkes und gesundes Wachstum benötigen“, sagt Ruud Jansen, Mitinhaber bei Artechno Growsystems.

Optimierungspotenzial sieht der Ingenieur bei der benötigten Energie. Das für das Pflanzenwachstum notwendige Licht verbrauche davon noch zu viel. Versuche mit nochmals sparsameren LED-Leuchten, Veränderungen an der Oberflächenausgestaltung der Zelle, um das Licht noch besser zu reflektieren, sowie der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien eröffnen jedoch neue Potenziale: „Da die Pflanzen zum Wachstum CO2 benötigen, erreicht die Anlage damit sogar eine positive CO2-Bilanz“, so Jansen.

Skalierbar von klein bis groß

Die Systeme von Artechno sind komplett skalierbar, von der kleinen Anlage, welche auf 15 m2 der Forschung und Entwicklung von Anbaurezepten dient, bis hin zu Klimazellen mit einer Anbaufläche von 960 m2. Das ganze Konzept ist dabei so ausgelegt, dass diese Zellen wiederum miteinander kombiniert werden können und sich so Anbauflächen von bis zu 20.000 m2 erzielen lassen – abhängig von den Bedürfnissen der Pflanzen, dem verfügbaren Platz und dem gewünschten Produktionsvolumen. Auch die Umsysteme der Anbaulogistik – die Aussaat, das Be- und Entladen der Zellen, die Ernte und schließlich die Reinigung der Pflanzbehälter – sind modular aufgebaut und komplett automatisierbar: „Unsere Kunden können mit einigen wenigen Schlüsselkomponenten beginnen und ihre Auto- matisierung und ihren Betrieb mit zunehmendem Wachstum skalieren“, erläutert Ruud Jansen.

Begeistert überwacht und gesteuert

Die Vollautomatisierung des gesamten Anbauprozesses garantiert einerseits eine konsistente Pflanzenproduktion, andererseits geringe Arbeitskosten. Monitoring und Bedienung geschehen zentral von einem Ort aus – mit Atvise scada von Bachmann Visutec. Im Frontend setzt Artechno dazu auf die 15.6“-Webterminals OT1215 von Bachmann, die mit ihren Dual-Core-Prozessoren richtig viel Rechenpower liefern.

Die industrietauglichen Touch-Panels werden als Bundle mit vorinstalliertem Atvise scada an Bord geliefert. Sie ermöglichen so die Bedienung vor Ort und fungieren gleichzeitig als vollwertiger SCADA-Server. Diese Lösung sei für ihn einzigartig, zeigt sich Jansen begeistert. „Die Umsetzung in reiner Webtechnik lässt es zu, dass unsere Kunden die Anlage mobil und mit den verschiedensten Endgeräten überwachen und bedienen können. Ganz ohne Hürden, responsiv in jedem Viewport.“

Die leistungsstarke Projektierung gäbe seinem Ingenieurteam zudem viel Freiraum für die effiziente Umsetzung der Anwendungen, gerade in der Skalierung und dem Ausbau der Zellen zu größeren Anlagen. Für den Systementscheid pro Atvise war für ihn in diesem Zusammenhang auch die Kommunikation per OPC UA wichtig: Bei einem Ausbau der Anlagen können weitere Datenpunkte leicht integriert werden, das System bleibt in der Gesamtarchitektur durchgehend synchron, ohne Informationsverlust, und ohne Schnittstellenanpassungen. Überdies erlaubt Atvise das Online-Engineering, was die Inbetriebnahme der komplexen Anlagen deutlich einfacher macht.

„Zudem ist der HMI-Builder wirklich praktisch. Er schafft die Basis für das moderne Look & Feel unserer Bedienoberflächen“, freut sich Jansen.

Noch viel Potenzial

Vertical Farming würde weder den Anbau in Gewächshäusern, noch den Anbau auf dem Feld verdrängen, erklärt Jansen. Aber es biete eine Möglichkeit, mit den Herausforderungen der Zukunft besser umgehen zu können, spare Wasser und reduziere die Gewässerbelastung. Die kleine Stellfläche in einem geschlossenen Volumen mache es zudem möglich, dass die Produktion näher zu den Verbrauchern rücken könne und so Kosten und Emissionen aus dem Transport der Waren reduziert werden.

Zudem könne das Vertical Farming Länder mit schwierigen Umweltbedingungen unabhängiger von Lebensmittelimporten machen. „Wir forschen außerdem daran, wie wir zukünftig neben dem Anbau von Blattgemüse und Kräutern auch jenen von Früchten saisonal unabhängiger und produktiver gestalten können“, gibt der Mitinhaber einen Ausblick. Insbesondere Erdbeerpflanzen böten sich hierfür an.

Jansens Ziel ist es, mit Artechno zu wachsen und der weltweit führende Anbieter solcher Anbausysteme zu werden. Mit Bachmann fühlt er sich dazu mit einem guten Partner verbunden: „Wir können auf eine Technologie aufbauen, die State-of-the-art ist. Daneben erhalten wir auf kurzen Weg einen exzellenten Support, der für die Weiterentwicklung unserer Systeme wichtig ist.“

Bildergalerie

  • Modernes Look und Feel: Visualisierung und Bedienung der vertikalen Landwirtschaft auf einem Bachmann OT1215 mit Atvise scada.

    Modernes Look und Feel: Visualisierung und Bedienung der vertikalen Landwirtschaft auf einem Bachmann OT1215 mit Atvise scada.

    Bild: Bachmann Visutec

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel