Thermische Netze Vernetztes Heizen mit Abwärme

Im Jahr 2050 sollen rund 40 Prozent des Raumwärme- und Brauchwarmwasserbedarfs über thermische Netze, also Hoch- bis Niedertemperaturnetze, gedeckt werden.

Bild: iStock, Wenjie Dong
09.03.2020

Der Schweizer Gebäudepark ist für rund einen Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. In 60 Prozent der Wohnbauten wir noch immer mit Heizöl oder Gas geheizt. Muss eine Heizung ersetzt werden, finden Alternativen kaum Beachtung. Das will die Energie Schweiz nun ändern.

Der Schweizer Gebäudepark könnte ökologisch viel nachhaltiger beheizt und gekühlt werden, als es jetzt der Fall ist. Forschende der Hochschule Luzern schaffen im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE eine Plattform, die Wissen um die Technik der Thermischen Netze bündelt. Der Schweizer Gebäudepark ist für rund einen Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Denn geheizt wird in rund 60 Prozent der Wohnbauten immer noch mit fossilen Energieträgern wie Heizöl oder Gas. Auch wenn die Heizungen ersetzt werden müssen, wird mehrheitlich wieder eine Öl- oder Gasheizung eingebaut. Alternativen werden kaum überprüft. Deshalb leistet das frisch gestartete Programm erneuerbar heizen von Energie Schweiz mit gezielten Beratungen einen Beitrag zur Förderung von Alternativen. Denn an vielen Orten können erneuerbare Energien wie Sonne, Erdwärme, Holz oder auch ein Fernwärmeanschluss installiert werden.

Alternativen

Fernwärme nutzt zum Beheizen von Liegenschaften Abwärme, zum Beispiel von Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), Abwasser, industriellen Prozessen, Wärmekraftkopplungs-Anlagen oder Geothermie. In der nahen Zukunft wird wegen der Klimaerwärmung der Aspekt der Fernkälte immer wichtiger. Denn auch kaltes Wasser kann über Thermische Netze geleitet werden.
Als Kältequellen stehen etwa See-, Fluss- und Grundwasser sowie das Geocooling zur Verfügung.

Thermische Netze beziehen Wärme oder Kälte dort, wo sie ohnehin anfällt. Über ein Leitungsnetz mit warmem oder kaltem Wasser transportieren sie diese dorthin, wo sie genutzt wird. „So können Unterdeckungen an einem Ort mit Überschüssen an einem anderen Ort kompensiert werden“, erklärt Prof. Joachim Ködel. Er leitet seit 2016 und noch bis 2021 das Programm „Thermische
Netze“ am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern.

Handbuch für Entscheidungsträger in der Wärme- und Kälteversorgung

Sein Team hat vom Bundesamt für Energie BFE den Auftrag bekommen, Wissen über die Technik der „Thermischen Netze“ zusammenzutragen. Denn in der Schweiz wird an verschiedenen Orten bereits seit längerem mit Fernwärme oder seit einigen Jahren mit Niedertemperaturnetzen für Heizung und Kühlung gearbeitet oder zu dem Thema geforscht. Dies geschieht teilweise dezentral und auf kantonaler Basis. Das bedeutet: Zum Beispiel in Graubünden erworbenes Wissen dringt nicht nach Bern oder Luzern. Dieses Wissen wird nun gesammelt, systematisiert und in einem Handbuch und weiteren Grundlangedokumenten allen Entscheidungsträgern in Sachen Wärme- und Kälteversorgung zugänglich gemacht. „Wichtig ist, dass die Entscheider mit Fakten operieren können und die Diskussion um die Technik versachlicht wird“, sagt Ködel.

Ökologische Lösung

Damit Fernwärme und Fernkälte in einem Gebiet sinnvoll eingesetzt werden können, muss eine genügend hohe Wärmedichte vorhanden sein. Das ist vor allem in Stadtzentren, Mehrfamilienhausquartieren sowie in Gewerbezonen der Fall. In diesen Gebieten empfiehlt Ködel, Fernwärme und –kälte mit Priorität in Betracht zu ziehen, da individuelle Heizungen oder
Kälteanlagen kaum eine ökologisch gleichwertige Alternative bieten können. In urbanen Gebieten ist die Verlegung von Leitungen zurzeit allerdings häufig kostenintensiv. Hier ökonomische
Lösungen zu identifizieren, neue zu finden und das Wissen mit Weiterbildungen zu vermitteln, steht zum jetzigen Zeitpunkt im Fokus des Projekts.

Angesprochen sind Raumplaner, Investoren, Industrie sowie Energieplaner und -lieferanten. Sie sollen befähigt werden, sich an fundierten Methoden zu orientieren und so von einer höheren
Planungssicherheit profitieren. Dafür werden Aus- und Weiterbildungskurse angeboten und Präsentationen von realisierten Projekten organisiert. „So werden alle befähigt, Thermische Netze dort einzusetzen, wo es zweckmäßig ist und ökologisch und ökonomisch sinnvoll“, sagt Joachim Ködel.

Der Bedarf ist in Zukunft groß. Es wird erwartet, dass im Jahr 2050 rund 40 Prozent des Raumwärme- und Brauchwarmwasserbedarfs über thermische Netze, also Hoch- bis Niedertemperaturnetze, gedeckt werden könnten, vorausgesetzt, dass der Energiebedarf des Gebäudeparks dank Sanierungsmaßnahmen um rund die Hälfte reduziert werden kann.

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