Ackermanns Seitenblicke Uberisierung statt Sharing Economy

Ackermanns Seitenblicke: Uberisierung statt Sharing Economy

28.10.2016

Die Gründer des Fahrdienstanbieters Uber – dem Erzfeind aller Taxi-Unternehmen – hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass sie den Wortschatz der westlichen Welt um einen neuen Fachbegriff bereichern werden: die Uberisierung.

Dahinter verbirgt sich eine einfache Formel für ein modernes Geschäftsmodell, nämlich die digitale Plattform: Man stelle eine App für bereits vorhandene Güter und Dienstleistungen ins Netz und erhält eine neue Unabhängigkeit. Das trifft nicht nur auf den wirtschaftlichen Bereich zu, wenn aus Angestellten nolens volens Unternehmer werden. Nein, Uber ist ein Synonym für ein neues Verständnis von Gesellschaft geworden, nachdem die reine Sharing Economy vermutlich missverstanden wurde und deshalb nicht so richtig zum Fliegen gekommen ist.

Im Rahmen der Digitalisierung der Wirtschaft haben sich die digitalen Plattformen unerwartet rasch nach vorne geschoben und die Wettbewerbsbedingungen grundlegend verändert. Der frappierende Erfolg mancher dieser Plattformen – beispielhaft die amerikanischen Unternehmen Uber oder AirBnB – hat diesem Eindringen branchenfremder Newcomer mit digitalen Geschäftsmodellen in etablierte Branchen die obige Bezeichnung eingebracht. Klingt ja auch einleuchtend: Das Privatauto, das meist ungenutzt herumsteht, ist Ausgangspunkt für die Uberisierung, und der effiziente Einsatz solch ungenutzter Ressourcen erscheint überaus sinnvoll. Ebenso wie die Nutzung vorübergehend verwaister Wohnungen.

Das Konzept endet jedoch nicht beim Auto oder der Privatwohnung, sondern lässt sich auf fast alle Bereiche der Wirtschaft anwenden, auch auf Journalisten, auf Rechtsanwälte, Banker und Sekretärinnen. So ist eine neue Schicht von (oft schlecht bezahlten) Serviceanbietern entstanden: Menschen, die für andere Leute Tätigkeiten verrichten – vom einfachen Anstehen in der Schlange vor der Theaterkasse bis hin eben zum „Taxi“-Fahren. Und alles ohne Sozialleistungen, ohne Urlaubsansprüche, ohne Büro. Die Plattformen krempeln unsere Arbeitswelt um; geregelte Arbeitszeiten, ein eigener Arbeitsplatz, Sozialleistungen sowie Krankheits- und Unfallschutz welken zu Begriffen aus einer vergangenen Zeit dahin. Obwohl das Modell auch mit Teilen zu tun hat, gilt das nur für die Benutzeroberfläche, wohingegen der technische Hintergrund – Macht, Besitz und Einfluss – eben nicht geteilt werden und sehr wenige sehr viel Geld verdienen. Die Bewegung erfasst alle möglichen Bereiche: Transportdienstleistungen, die Art, wie wir wohnen und Urlaub machen, Projekte finanzieren, Musik hören oder menschliche Beziehungen eingehen. Andere Online-Plattformen vermitteln Software, Immobilien, Jobs.

Ihr Umsatz setzt sich aus Mitglieds- oder Transaktionsgebühren zusammen. Noch einmal Uber: Obwohl sie kein einziges Auto besitzen, ist ihre Marktkapitalisierung höher als der von Ford oder von allen Mietwagenanbietern zusammen. AirBnB ist innerhalb weniger Jahre zu einem der weltweit größten Anbieter für die Vermietung von Ferienzimmern und -wohnungen aufgestiegen, ohne eine einzige Immobilie zu besitzen. Dabei basiert das gesamte Geschäft im Grunde lediglich auf einer App. Inzwischen strecken auch Giganten wie Google, Amazon oder Apple ihre Fühler nach digitalen Plattformen aus. Trotz gelegentlicher Teilerfolge vor Gericht (Taxiunternehmer gegen Uber) lässt sich der Trend nicht aufhalten. Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder bestätigt: „Unternehmen brauchen in der digitalen Wirtschaft eine Plattform-Strategie. Sie müssen wissen, wie sie sich in diesem veränderten Umfeld bewegen wollen.“

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  • Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Bild: Roland Ackermann

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