Pharmazeutische Wirkstoffe „Trend ist die Konti-Trocknung“

Martin Specht, Sales Manager bei AVA, spricht im Interview über Trocknungsprozesse pharmazeutischer Wirkstoffe und deren Einfluss auf den Anlagenbau.

Bild: Andreas J. Focke, AVA
17.06.2019

Ein sehr großer Teil pharmazeutischer Wirkstoffe wird in fester Form als Tablette oder Pille dargereicht. Im Interview mit der P&A sprach Martin Specht, Sales Manager bei AVA, über die Trocknung pharmazeutischer Wirkstoffe.

Welche unterschiedlichen Trocknungsprozesse durchlaufen die pharmazeutischen Wirkstoffe bei der Herstellung von Arzneimitteln?

Je nach Herstellungsweise eines pharmazeutischen Wirkstoffes können Trockenschritte entweder gar nicht nötig sein oder mehrfach auftreten. Es stehen dabei sämtliche Trocknungstechniken wie Sprühtrocknung, Wirbelschicht- oder Kontakttrocknung zur Verfügung.

Das bedeutet, es ist vom Wirkstoff abhängig, ob überhaupt eine Trocknung vorgenommen werden muss?

Richtig, beziehungsweise in welchem Prozessschritt man sich gerade befindet: Betrachtet man den Prozess von Anfang bis Ende oder befindet man sich schon in einem bestimmten Prozessschritt, in dem zum Beispiel Trockenstoffe nur noch miteinander vermengt und verpresst werden müssen. Bei der reinen Trockenherstellung, der Dry Granulation, findet keine Trocknung statt. Wenn man aber von der Suspension ausgeht, also vom Beginn der Wirkstoffherstellung, dann werden in aller Regel Trocknungsschritte nötig sein.

Welche Herausforderungen stellen sich beim Trocknungsprozess von Wirkstoffen, die der Anlagenbauer berücksichtigen muss?

Wirkstoffe sind sehr temperatur- und stoßempfindlich. Für den ersten Punkt muss zum einen die Produkt-, zum anderen aber auch die Beheizungstemperatur – bei der Kontakttrocknung erfolgt diese über den Doppelmantel – überwacht werden. Damit kann man sowohl eine Überhitzung des Produkts im Bereich des Wärmeübergangs ausschließen, als auch eine zu hohe Produkttemperatur zum Ende des Trocknungsprozesses. Beides muss man unterscheiden. Um ein Produkt aufzuwärmen, kann ich den Doppelmantel auf eine sehr hohe Temperatur bringen, beispielsweise auf 100 bis 150 °C. Für Wirkstoffe ist dies aber schon zu hoch. Durch die Mischbewegung im Inneren des Behälters ist das Produkt aber nur eine sehr kurze Zeit mit der Wanderung in Berührung. Insofern gilt es, beides zu überwachen: sowohl die Heiztemperatur als auch die Produkttemperatur. Und diese steigt gerade zum Ende des Trocknungsprozesses rapide an, weil die Verdampfungsleistung, die letztendlich das Produkt während der Trocknung kühlt, zurückgeht.

Und wie sieht es mit der Stoßempfindlichkeit aus?

Unsere Trockner verfügen über ein Wendelmischwerk, eine sogenannte Helix als Einfach- oder Doppelhelix ausgebildet, welche das Produkt in einer Vortexbewegung an der Behälterwandung nach oben führt. Im Zentrum fließt das Produkt dann wieder zurück zum Boden, wo es dann erneut an der beheizten Wandung nach oben befördert wird. Die Scherkräfte sind hier im Vergleich, beispielsweise mit einem Schaufeltrockner, sehr gering. Man spricht hier von einem sensitiven Mischprozess.

Wie haben sich die Anforderungen der Pharmaunternehmen in den letzten Jahren verändert und wie hat AVA als Unternehmen darauf reagiert?

Da sind drei wesentliche Merkmale zu nennen: die Reinigbarkeit, die Vermeidung von Stillstandszeiten und das Containment. Wenn man da näher drauf eingeht, bedeutet das, dass es vor allem die werkzeuglose Reinigung, sprich Cleaning in Place (CIP), den Herstellern von pharmazeutischen Produkten ermöglicht, die produktberührten Oberflächen automatisch von Wirkstoffresten zu befreien und anschließend die Oberflächen wieder abzutrocknen. Insbesondere bei Mehrzweckanlagen würde eine manuelle Nachreinigung den Durchsatz sehr stark reduzieren. Dafür bietet AVA verschiedene Reinigungsdüsen an, welche entweder nach der Reinigung wieder in der Behälterwand verschwinden oder 360-Grad-Sprühdüsen, die im Produktraum verbleiben. Die Trocknung erfolgt anschließend über den beheizten Doppelmantel und ein angelegtes Vakuum. Die Stillstandszeiten können weiter reduziert werden, indem man einen kontinuierlichen Prozess anstrebt. Die Produktion wird im Konti-Verfahren seltener durch Reinigungen unterbrochen. Die passende Antwort hat AVA mit der HTK-VT.

Die Potenz der Wirkstoffe hat sich aber auch verändert …

Richtig. Die hochaktiven Stoffe oder high-potency APIs verfügen über eine höhere biologische Aktivität und verlangen somit nach mehr Sicherheit für den Betreiber. Um Kreuzkontaminationen mit anderen Produkten oder eine hohe Arbeitsplatzkonzentration zu vermeiden, bietet AVA zum Beispiel Endlos-Liner-Systeme zur staubfreien Entleerung an, welche direkt an die Trockner angeschlossen werden oder auch spezielle Isolatoren zur sicheren Entnahme von Filterelementen. Ventile werden als Doppelklappen mit Aktiv-Passiv-Modulen ausgeführt und auf Probenehmer wird größtenteils verzichtet, da eine Analyse online mit beispielsweise Nahinfrarotsensoren stattfindet.

Sicherheit ist in der Pharmabranche generell ein wichtiges Thema, es spielt also auch beim Trocknungsprozess eine große Rolle?

Ja, da geht es hauptsächlich um die Arbeitsplatzkonzentration, die auf einen Wert, den das Pharmaunternehmen vorgibt, minimiert werden muss. Hier spielt die Anlagentechnik eine große Rolle. Wir erhalten als Hersteller die Vorgabe, unter einem bestimmten OEB-Level (Occupational Exposure Band) zu bleiben und dementsprechend müssen wir die Anlagentechnologie dazu liefern.

Gibt es ein bestimmtes Trocknungsverfahren, das sich am besten für pharmazeutische Wirkstoffe eignet?

Nein. Das beste Trocknungsverfahren muss jedes Mal über Versuche bestimmt werden, in denen die meisten Vor- und die geringsten Nachteile eruiert werden. Wir bieten dies unseren Kunden in unserem Technikum an beziehungsweise verleihen auch unsere Trocknungssysteme dafür. So lässt sich herausfinden, welches Verfahren sich am besten für das jeweilige Produkt und für den Gesamtproduktionsprozess eignet.

Die Kontakttrocknung ist der häufigste Einsatzfall bei der AVA. Welche Vorteile bietet dieses Verfahren?

Im Vergleich zu einer Sprüh- und Wirbelschichttrocknung bieten die Kontakttrockner verhältnismäßig kleine Filterflächen und weisen nahezu keine Abluftmengen auf. Die Filterflächen kosten sehr viel Geld, letztendlich auch in der Wartung, aber auch die Abluftmengen selbst. Das ist konditionierte Luft, die einen bestimmten Trocknungsgrad aufweisen muss: bestimmte Luftmengen, bestimmte Temperaturen – das kostet alles sehr viel Geld. Auch der Energieeinsatz ist bei Kontakttrocknern deutlich geringer, da keine großen Luftmengen erhitzt werden müssen. Ein großer Vorteil ist auch der deutlich geringere Platzbedarf von Kontakttrocknern. Das spiegelt sich dann letztendlich in den Gebäudekosten wider.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Ein großes Thema wird die kontinuierliche Produktion sein …

Genau. Ein Trend der nächsten Jahre ist definitiv die Konti-Trocknung. Die wird sich wahrscheinlich auch im Generikabereich stark durchsetzen. Ich schätze, 70 Prozent der Generika werden in Indien hergestellt. Wir spüren anhand der Anfragen, dass dort immer mehr auf die kontinuierliche Trocknung beziehungsweise kontinuierliche Herstellprozesse gesetzt wird.

Sind überhaupt alle pharmazeutischen Wirkstoffe für die kontinuierliche Produktion geeignet?

Das sind sie bestimmt nicht. Hier spielen viele Faktoren, wie beispielsweise Fließeigenschaften und die Trocknung selbst, eine Rolle. Ich würde die kontinuierliche Produktion als eine zusätzliche Möglichkeit mit gewissen Eigenschaften beschreiben, deren Vorteile bei einem bestimmten Produkt zur Geltung kommen oder eben nicht.

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