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Stellenabbau und Werksschließungen Tiefe Einschnitte bei Siemens

In seiner mehr als 100-jährigen Geschichte hat das Dynamowerk Berlin viele Krisen überstanden: Schäden im Zweiten Weltkrieg zum Beispiel oder das drohende Aus nach der Wiedervereinigung. Mit dem nun geplanten Stellenabbau bei Siemens steht die nächste Krise ins Haus: Mehr als 500 Mitarbeiter verliert das Werk in den kommenden Jahren.

Bild: Siemens
17.11.2017

6.900 Stellen sollen weltweit wegfallen, die Hälfte davon in Deutschland. Mit den am Donnerstag angekündigten Plänen, die auch Konsolidierungen in der globalen Aufstellung von Siemens vorsehen, reagiert das Unternehmen auf den Wandel im Bereich der Energieerzeugung.

Ein düsterer Tag für Siemens: Strukturelle Veränderungen in Märkten der Divisionen Power and Gas, Power Generation Services sowie Process Industries and Drives zwingen das Unternehmen dazu, seine globale Aufstellung zu konsolidieren. Das erklärte der Konzern am Donnerstag und reagiert damit auf den rasant zunehmenden Strukturwandel im Bereich der fossilen Stromerzeugung und im Rohstoffsektor. Der Konsolidierungsplan soll die Auslastung der Werke steigern, die Effizienz vorantreiben und Kompetenzen durch die Bündelung von Ressourcen ausbauen.

Lisa Davis, Mitglied des Siemens-Vorstands erklärte dazu: „Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie dagewesen ist. Der Ausbau und die Innovationskraft erneuerbarer Energien setzen andere Formen der Energieerzeugung zunehmend unter Druck.“ Die jetzigen Maßnahmen, so Davis, knüpfen an die bereits vor drei Jahren gestarteten Anstrengungen des Konzerns, um sein Geschäft an die sich verändernden Marktbedingungen anzupassen. Neben der Umsetzung dieser Maßnahmen stehen auch Investitionen in künftige Wachstumstechnologien auf dem Plan.

Janina Kugel, Chief Human Resources Officer und Mitglied des Siemens-Vorstands, ergänzte: „Die Einschnitte sind notwendig, um unser Know-how bei der Kraftwerkstechnologie, bei Generatoren und bei großen elektrischen Motoren nachhaltig wettbewerbsfähig halten zu können. Das ist das Ziel unserer Maßnahmen.“

Werksschließungen und Bündelung von Know-how kosten 6.900 Jobs

Personell bedeuten die Einschnitte einen Abbau von rund 6.900 Arbeitsplätzen weltweit in den betroffenen Divisionen. Die Stellen, von denen etwa die Hälfte an den deutschen Standorten wegfallen werden, sollen über einen Zeitraum von mehreren Jahren abgebaut werden. Besonders hart trifft es die Division Power Generation Services, bei der rund 6.100 Arbeitsplätze betroffen sind. In Deutschland ist eine Anpassung um rund 2.600 Stellen geplant.

Die Standorte Görlitz und Leipzig werden komplett geschlossen, die Standorte Offenbach und Erlangen werden zusammengelegt. Durch diese drei Maßnahmen sollen insgesamt 1.600 Stellen entfallen. Für den Standort Erfurt werden mehrere Optionen geprüft wie beispielsweise ein Verkauf. Darüber hinaus sollen etwa 640 Stellen in Mülheim an der Ruhr und etwa 300 in Berlin abgebaut werden.

Um das Know-how im Kraftwerksbau, -betrieb und in der -instandhaltung noch effektiver zu sichern und zu nutzen, sollen Kompetenzzentren an Standorten entstehen, an denen Kern-Know-how und Vorteile in der Wertschöpfungskette von Forschung und Entwicklung, Fertigung, Test und Logistik vorhanden.

In Europa entfallen außerhalb Deutschlands durch Restrukturierungsmaßnahmen insgesamt gut 1.100 Stellen. Außerhalb Europas sind weitere 2.500 Stellen betroffen, davon 1.800 in den USA durch Konsolidierung in der Fertigung sowie in der Verwaltung.

Überkapazitäten bei Gasturbinen, Motoren und Generatoren

Zu dem Marktwandel, der die Einschnitte bei Siemens nötig gemacht hat, erklärte der Konzern, dass die Nachfrage nach großen Gasturbinen mit mehr als 100 Megawatt Leistung am Weltmarkt drastisch gesunken ist und sich auf rund 110 Turbinen pro Jahr einpendeln wird. Die weltweite, technische Fertigungskapazität aller Hersteller schätzt das Unternehmen dagegen auf etwa 400 Turbinen.

Besonders drastisch ist die Lage in der Rohstoffindustrie für Process Industries and Drives: Die Kunden sind kaum bereit, zu investieren, gleichzeitig nimmt die Wettbewerbsintensität durch Billiganbieter deutlich zu. Ob im Bergbau, in der Stahlerzeugung oder beim Schiffbau: Die Nachfrage nach großen elektrischen Motoren und Generatoren ist auf Grund fehlender Kapazitätsausweitungen bei den Siemens-Kunden in der Prozessindustrie deutlich gesunken. Eine Erholung in diesen Feldern ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Die Folge sind auch in diesem Bereich deutliche Überkapazitäten in der bestehenden Fertigungslandschaft für diese Technologien, die in Summe rund 760 Stellen in Deutschland kosten werden. Davon betroffen sind aufgrund ungenügender Auslastung und einem negativen Geschäftsausblick das Dynamowerk in Berlin, dessen Fertigungskapazitäten in den Power-Generation-Werken in Mülheim an der Ruhr und Erfurt gebündelt werden sollen. Eine Schließung des Standortes in Berlin ist nicht geplant. Obwohl die Bereiche Forschung und Entwicklung, Engineering, Service und Vertrieb in Berlin verbleiben sollen, werden dort 570 Stellen abgebaut.

Wie geht es weiter?

Siemens konzentriert sich darauf, weiter konsequent in Wachstumsmärkte zu investieren und Personal aufzubauen. So wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr weltweit fast 39.000 Menschen eingestellt, davon etwa 5.200 in Deutschland. Dadurch stieg die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland im Jahresvergleich leicht von 113.000 auf 115.000. Für 2018 sollen sowohl die Investitionen in Forschung und Entwicklung als auch in Produktionsanlagen deutlich ausgebaut werden. Die Zahl der Neueinstellungen dürfte in etwa auf Vorjahresniveau liegen. Die Zahl der offenen Stellen im Konzern lag zuletzt bei 3.200. Ziel ist es, möglichst viele der vom Umbau betroffenen Stellen auf freie Stellen im Konzern zu vermitteln oder für diese zu qualifizieren.

Siemens-Aufsichtsrat und IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner sagte der Süddeutschen Zeitung, dass die Gewerkschaft erst dann über die Schließungspläne verhandeln würde, wenn diese zurückgenommen werden würden und schloss auch Streiks als letztes Mittel nicht aus. Die Siemens-Pressestelle verkündete indes via Twitter, dass Willi Meixner, CEO der Siemens-Division Power and Gas, die betroffenen Standorte zeitnah besuchen werde, um dort den Dialog mit den Mitarbeitern zu führen.

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