Anlagenbau & Betrieb Terminplan nicht zum Dummy machen

14.10.2014

Steht die Anlage, herrscht der Ausnahmezustand. Das gilt in der Prozessindustrie selbst dann, wenn das alles geplant ist. Große Mengen an Material,zahlreiche zusätzliche Fachkräfte und eine Vielzahl paralleler Arbeiten sind zu koordinieren. Etliche Entscheidung können unter Umständen die Deckungsbeiträge in Millionenhöhe beeinflussen – im besten Fall positiv. Dazu sollte sich der Turnaround-Manager von einer statischen Terminplanung verabschieden.

Fragt man Turnaround-Manager nach der Qualität ihrer Terminplanung, stößt man oft in ein Wespennest: Viele sagen, sie sei nicht genau genug, unvollständig oder ungeeignet, um Entwicklungen im laufenden Turnaround ausreichend abzubilden. Das reduziert die Möglichkeiten aktiv zu steuern und das Projekt optimal zu managen. In vielen Fällen sind die Ursache dafür statische Terminpläne, die nicht widerspiegeln, wie dynamisch Mammutprojekte wie Turnarounds in Wirklichkeit ablaufen. Sind die Verantwortlichen jedoch in der Lage, einen vollständigen, ganzheitlichen Ansatz bei Aufbau und Anwendung der Terminplanung zu verfolgen, kann das verhindert werden. Dynamische Terminplanung, die potenzielle Risiken berücksichtigt und während des Projekts effektive Hilfe zur Steuerung ist, kann über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Wie wichtig das Thema Planung & Terminplanung für den Erfolg von Turnarounds in Raffinerien und chemischen Großanlagen ist, zeigen auch aktuelle Befragungen unter Verantwortlichen in der Prozessindustrie. So gaben rund zwei Drittel der Befragten in einer Ende 2013 von T.A. Cook durchgeführten Studie an, dass die Ausgaben für Anlagenstillstände in den nächsten fünf Jahren steigen werden. Die Mehraufwendungen sind zum Großteil das Resultat eines größeren Arbeitsumfangs, der auf Grund längerer Anlagenlaufzeiten notwendig wird. Die damit gestiegene Komplexität der Stillstände hat zu einer Fokussierung bei den eingesetzten Managementmethoden, speziell des Terminplans, geführt.

Basis für ein dynamisches Turn­around-Management ist eine hohe Qualität des Terminplans. Standards und Qualitätskriterien sollten bereits vor Erstellung klar in einem Terminplankonzept definiert werden. Dieses Konzept ist im Grunde eine Vereinbarung aller relevanten Akteure der Turnaround-Organisation darüber, wie der Terminplan entwickelt, gemanagt und genutzt wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass die vereinbarten Richtlinien später gelebt werden und der Terminplan nicht zum Management-Dummy degradiert wird.

Hierzu gehören Struktur und Detaillierungsgrad, Umgang mit Risiken und Unsicherheiten, der Grad der Integration mit anderen Teilprojekten sowie schließlich die Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Personen. Die Struktur des Terminplans und der Durchführungsorganisation sollten aufeinander abgestimmt sein, um im Projekt aussagekräftig berichten und effizient entscheiden zu können. Jedes Konzept ist natürlich nur so gut, wie die Menschen, die es anwenden. Um sicherzustellen, dass der Plan rechtzeitig und analog der definierten Qualitätskriterien fertiggestellt wird, haben sich iterative Terminplanreviews bewährt.

Typische Qualitätsprobleme bei Turnaround-Terminplänen sind Aktivitäten mit fehlenden Verknüpfungen auf Vorgänger- oder Nachfolgeraktivitäten, fehlende Ressourcenzuordnung, das Fehlen standardisierter Meilensteine und eine hohe Anzahl von fest fixierten Terminen. Dadurch kann der Terminplan den dynamischen Charakter des tatsächlichen Projekts nicht widerspiegeln und wird unbrauchbar zum Steuern während der Durchführungsphase.

Gleichzeitige Investitionsprojekte mitplanen

Die Nutzbarkeit des Terminplans wird außerdem drastisch eingeschränkt, wenn nicht alle während des Turnarounds durchgeführten Aktivitäten enthalten sind. Typischerweise werden während eines Stillstands auch Investitionsprojekte durchgeführt. Diese sollten in der gleichen Struktur und mit dem gleichen Detaillierungsgrad wie die Turnaround-Aktivitäten abgebildet werden. Erfasst der Terminplan auch diese Teilprojekte, können unter anderem Personalressourcen so früh wie möglich zugeteilt und sowohl Abhängigkeiten als auch Verzögerungen rechtzeitig erkannt und berücksichtigt werden.

Die Optimierung der Terminplanung und -steuerung ist ein kontinuierlicher Prozess, der viele verschiedene Aspekte beinhaltet. Hierzu gehören der kritische Pfad des Turnarounds, die vorhandenen Ressourcen sowie parallele Arbeiten und die eventuell dadurch entstehenden Risiken. Jedes Projekt beinhaltet Risiken – man kann diese nicht ausschalten, aber erfolgreich managen. Voraussetzung dafür ist, dass potenzielle Risiken identifiziert und hinsichtlich ihres Einflusses auf den Fertigstellungstermin bewertet werden. Viele Unternehmen legen hierfür ein Risikoregister an, das potenzielle Gefahren strukturiert und projektunabhängig erfasst.

Immer häufiger werden zusätzlich zu klassischen Szenarienanalysen auch stochastische Verfahren wie eine Monte-Carlo-Simulation bei der Optimierung von Terminplänen angewendet. Diese Methode wertet Terminpläne aus und zeigt nicht nur, was passieren kann, sondern auch welche Auswirkungen auf das Gesamtprojekt die Summe aller Risiken haben kann. Dabei wird zum Beispiel sichtbar, wie stark sich der Endtermin verschieben kann, wenn sich einzelne Arbeitspakete verzögern. Im Ergebnis bekommen Turnaround-Manager mehr Planungssicherheit.

Während der Turnaround-Durchführung kommt es auf ein gewisses Maß an Flexibilität an. In einigen Fällen werden Turnarounds streng am kritischen Pfad orientiert gesteuert, was sich negativ auswirken kann. Unter Umständen wird damit der pünktliche Abschluss des Turnarounds gar verhindert, da kritische Ressourcen nicht optimal eingesetzt oder vorhandene Risiken ausgeblendet werden. Dies lässt sich am Beispiel eines anfänglich unkritischen Behälters deutlich machen: Für Öffnen, Inspizieren und Reinigen sind fünf Tage geplant. Nach dem Öffnen stellt sich jedoch heraus, dass umfangreiche Reparaturmaßnahmen notwendig sind, die die Gesamtbearbeitungszeit auf zehn Tage verdoppeln. Sobald diese Information bekannt ist, sollte sie im Terminplan als Forecast erfasst werden, um mögliche Auswirkungen auf Folgeaktivitäten, die Verfügbarkeit kritischer Ressourcen oder vielleicht sogar den Endtermin festzustellen.

Dieses Beispiel zeigt die Wichtigkeit einer realistischen, zeitnahen Rückmeldung des Arbeitsfortschritts durch die Ausführenden. Zeitnah im Terminplan eingepflegt, spiegelt dieser den Status auf der Baustelle so akkurat wie möglich wider. Nur so bleibt der dynamische Charakter erhalten, Arbeitsprioritäten können auf Basis des Terminplans festgelegt und Verzögerungen und Planänderungen aktiv gesteuert werden, um eine Terminverschiebung des Wiederanfahrens der Anlage zu vermeiden.

Dynamische Terminplanung und -steuerung von Turnarounds müssen nicht kompliziert sein. Im Gegenteil, es handelt sich nur um eine konsequente Anwendung von grundsätzlichen Prinzipien im Projektmanagement: So genau wie nötig und so flexibel wie möglich. Schafft man es, alle Stakeholder beim Betreiber und den beteiligten Industrieserviceunternehmen hinter diesem Prinzip zu vereinen, stehen die Chancen für einen erfolgreichen Turnaround definitiv besser.

Bildergalerie

  • Bei geplanten Anlagenstillständen in der Groß- und Petrochemie müssen nicht nur Material und Entscheidungen koordiniert werden. Zahlreiche zusätzliche Fachkräfte sind in Container- und Zeltstädten unterzubringen und zu versorgen.

    Bei geplanten Anlagenstillständen in der Groß- und Petrochemie müssen nicht nur Material und Entscheidungen koordiniert werden. Zahlreiche zusätzliche Fachkräfte sind in Container- und Zeltstädten unterzubringen und zu versorgen.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel