Anlagenbau & Betrieb Systemverantwortung am Reaktor

21.02.2012

Edelmetalle stehen hoch im Kurs - besonders wenn sie Leben retten. Etwa als Bestandteil der platinhaltigen Wirkstoffe für die Krebstherapie, die Heraeus produziert. In seiner neuen Multipurpose-Anlage setzt der Pharmahersteller auf Komplettpakete aus Armatur und Ansteuerung, die einen besonders zuverlässigen Betrieb und geringe Invest- und Prozesskosten gewährleisten. Für die perfekte Abstimmung der Komponenten steht der Systemlieferant gerade.

Schon seit 1982 produziert Heraeus das Chemotherapie-Medikament Cisplatin. Damals regte der Onkologe Professor Walter Gallmeier bei seinem Bruder, Heraeus-Direktor Jochen Gallmeier, an, dieses Antitumorpräparat herzustellen. Davor waren Cytostatika nur aus den USA zu beziehen und in Deutschland in der Krebstherapie kaum verbreitet. Heute ist Heraeus der weltweit größte Hersteller von platinbasierten Antitumorwirkstoffen. Die große Nachfrage nach Cytostatika sowie die Entwicklung weiterer Medikamente wie beispielsweise Carboplatin machten 2009 den Neubau einer Multipurpose-Anlage notwendig. Die Automatisierung dieser Anlage mit vier Reaktoren in Größen von 200 bis 1.000 Litern sollte nicht nur einen möglichst großen Output sicherstellen, sondern auch die Dokumentation vereinfachen. „Die Automatisierung bedeutet eine große Arbeitserleichterung für uns, sowohl in der Anlagenerstellung als auch im Betrieb“, erklärt Raimund Seliger, Projektleiter Engineering bei Heraeus. Funktionen wie Heizen, Kühlen, Inertisieren oder Druckaufbau sind automatisiert, was den Anlagenbedienern die Arbeit erleichtert und Fehler ausschließt. Ausgenommen von der Automatisierung ist der eigentliche Dosierprozess. Nach wie vor werden die Roh- und Zusatzstoffe im Batch-Handbetrieb verwogen und gemischt. „In der vom Planungsbüro Chemgineering entwickelten Anlage wird konsequent der Systemgedanke umgesetzt“, ergänzt Bernd Becker, Vertriebsingenieur Prozessautomation von Festo. In der zweijährigen Projektlaufzeit übernahm Chemgineering die Machbarkeitsstudie und eine erste Kostenschätzung. Festo brachte die Engineering-Leistung für das Teilpaket der Kugelhähne, Klappen und deren Ansteuerung ein. Von den Armaturen mit Antrieben, Sensorboxen und einbaufertigen Schaltschränken für die Atex-Zone2 mit CPX/MPA-Ventilinseln bis zur Feldbusanbindung kommt alles aus einer Hand - konsequent aufeinander abgestimmt. „Für uns als Anwender ist es eine große Erleichterung, für einen Großteil der Automatisierungstechnik einen einzigen Ansprechpartner zu haben“, erläutert Seliger. Außerdem hätte der Einzelbezug aller Komponenten inklusive Engineering- und Beschaffungsaufwand die Anlage um 20 bis 30 Prozent verteuert, berichtet der Engineering-Experte. Denn Festo lieferte nicht nur die Hardware, sondern übernahm auch wesentliche Teile des Engineerings und den Factory-Acceptance-Test (FAT) vor der Auslieferung. Nicht zuletzt entlastete der Automatisierungsexperte den Endanwender und das Planungsbüro bei der technischen Integration der Einzelkomponenten. So sanken die Kosten für den Betreiber erheblich - bei gleichzeitiger Verkürzung der Inbetriebnahmezeit. Zum Befüllen der Reaktoren werden Edelstahlkugelhähne der Baureihe VZSB sowie mit PTFE ausgekleidete Kugelhähne (DN25-80), ausgerüstet mit Schwenkantrieben vom Typ DAPS und Stellungsrückmeldern, eingesetzt. Die einfach wirkenden Antriebe mit integrierter Rückstellfeder sorgen dafür, dass die Armaturen im Störfall in die definierte Sicherheitsstellung gehen. „Damit sind pneumatische Antriebe sicherer als elektrische“, so Seliger. Denn Letztere müssten im Falle eines Stromausfalls mit Hilfe einer Notstromversorgung erst in den sicheren Zustand gefahren werden. Außerdem zeichnen sich die DAPS-Antriebe durch einfache Mechanik, geringen Verschleiß und eine hohe Lebensdauer aus. Weitere automatisierte Kugelhähne befinden sich an den CIP-Stationen. Absperrklappen, die mit PTFE-Liner und ebenfalls mit pneumatischen Antrieben DAPS ausgestattet sind, regeln die Abluftwege mit saurer, alkalischer und lösungsmittelhaltiger Abluft sowie die Temperierung der Reaktoren. Kernstück der Automatisierung ist die Ventilinsel CPX/MPA mit integrierten Remote I/Os im Schaltschrank. Dank des flexiblen Steuerungskonzepts konnten an der busangesteuerten Ventilinsel alle Rückmelder und Sensoren aus dem Feld angeschlossen werden. Pneumatische Antriebe und Prozessarmaturen werden über die angebaute MPA-Ventilinsel gesteuert. Festo lieferte die einbaufertigen Ventilinselschränke für Atex-Zone2 direkt an die Anlage. „Einbauen und vergessen ist das Ziel für unsere Kunden“, erklärt Bernd Becker. Für Heraeus geht die Rechnung auf: Die Arbeitserleichterung, die die Komplettsysteme zur Automatisierung bieten, erlaubt es ihren Betreibern, sich voll auf die Kernkompetenzen Edelmetall und hochaktive pharmazeutische Wirkstoffe zu konzentrieren.

Bildergalerie

Verwandte Artikel