Fachbeitrag Strom im Voraus bezahlen

Nie wieder Schockmomente: Die Ungewissheit darüber, wie hoch die Stromrechnung ausfällt, könnte bald der Vergangenheit angehören, wenn Smart Meter eine Prepaid-Funktion erhalten.

Bild: Blueberries/iStockphoto
30.09.2014

Smart Meter mit einer Prepaid-Funktion ersparen Energieversorgern Kosten an mehreren Stellen. Doch genau diese Funktion sieht das BSI als Nebenaspekt an. Zu Unrecht, wie bisherige positive Erfahrungen mit dem voraus­bezahlten Strom zeigen.

Noch dreht sich in den meisten Stromzählern in Deutschland eine Scheibe. In Neubauten aber werden die alten Drehzähler nicht mehr eingebaut. Und bis 2020 sollen sie komplett durch digitale Stromzähler ausgewechselt sein – den Smart Metern. Das ist der Wunsch der Bundesregierung, um die Energiewende weiter umzusetzen. Was aber in einem Smart Meter an technischen Standards eingebaut wird, das ist noch unklar. Dr. Peter Heuell, Geschäftsführer von Landis+Gyr Deutschland, sagt zum Status Quo: „Die BSI-konformen Geräte kommen dann auf den Markt, wenn sie die komplette Zertifizierung haben, also inklusive technischer Richtlinie. Das BSI hat die Testspezifikation für die technische Richtlinie ausgeschrieben. Vielleicht ist sie bis Ende des Jahres fertig.“ Indessen ist bei Herstellern herauszuhören: Prepaid ist eine wichtige Funktion beim Smart Metering und kein Neben­aspekt. Dr. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie wird nicht müde, eben diese Funktion einzufordern: „Ich werbe dafür, dass bei der Festlegung des Smart-Meter-Standards die Prepaid-Möglichkeit fest vorgesehen wird.“

Akzeptanz für Prepaid-Zähler

Prepaid-Zähler sind keine neue Erscheinung, sondern werden etwa von Bigge Energie in Olpe schon seit den Neunziger Jahren eingesetzt. Armin Fahrenkrog, Leiter Energie, Vertrieb, Beratung und Marketing bei Bigge Energie, stellt bei seinen Kunden eine hohe Akzeptanz für die Zähler fest. Ein erster Effekt: Der Stromverbrauch in Haushalten mit Prepaid-Zählern sinkt. Waren Kunden notorisch in Zahlungsrückstand, schätzen sie die Möglichkeit, kleinere Beträge auf eine Karte zu laden und den Verbrauch ablesen zu können. Wobei das Unternehmen in seinem Gebiet weniger als 100 Prepaid-Zähler installiert hat. Dabei überschreibt die Prepaid-Karte auch rote Zahlen; entstehende Schulden beim Überziehen des Prepaid-Kontos werden beim nächsten Aufladen beglichen. Im Haushalt gehen also nicht gleich alle Lichter aus, sobald das Guthaben auf der Karte aufgebraucht ist. Rigorose Zwangsabschaltungen sollen mit dieser Technik vermieden werden. Ein Smart Meter mit Prepaid-Funktion ließe sich – das ist technisch möglich – von der Zentrale des Energieversorgers aus steuern. Strom einschalten oder ausschalten geht dann auf Knopfdruck von der Ferne. Die Vorbehalte von Verbrauchern gegen Smart Meter mit Prepaid-Funktion resultieren meist aus der Angst, plötzlich ohne Strom dazusitzen.

Laut Bundesnetzagentur wird jährlich etwa 300.000 Haushalten wegen Zahlungsrückständen der Strom abgedreht, Sozialverbände sprechen sogar von 600.000. Dann fallen nicht nur die Stromkosten an, hinzukommen Gebühren für Mahnverfahren und Abschaltung. Was die angespannte Situation nur verschlimmert. Anstatt Inkassobüros zu beschäftigen und so weitere Kosten zu verursachen, könnte die Technik der Smart Meter Kosten reduzieren. Michael Kopatz meint: „Prepaid-Zähler vermeiden Schuldenberge und Sperren. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass Prepaid-Zähler die soziale Lage von einkommensarmen Menschen stabilisieren und die Versorger im Inkassobereich entlasten.“ In der Diskussion rückt meist in den Hintergrund, dass Prepaid nicht nur für sozial schwache Stromkunden eine Option ist. Im Umgang mit Mobil­telefon und Smartphone hat sich Prepaid als akzeptables Geschäftsmodell etabliert. Das ließe sich auch auf die Stromkunden übertragen.

Ein Prepayment-System ohne Scheck­karte oder Schlüssel, die der Kunde an einer Zahlstelle mit einem Guthaben aufladen muss, ist durch Smart Meter möglich. Wird das Messsystem mit Schaltrelais und Kommunikationseinheit ausgerüstet, kann der Energieversorger selbst Ablesekosten sparen und wenn gewünscht ein Prepaid-Guthaben gutschreiben. So ein Smart Meter hat aber seinen Preis: Statt der 50 bis 60 Euro für einen einfachen Smart Meter käme das Gerät mit Prepaid-Option auf etwa 300 Euro. Herbert Reichenbach, Prüfstellenleiter beim Hersteller NZR Nordwestdeutsche Zählerrevision in Bad Laer, sieht darin ein Hindernis: „Die Investition ist groß.“ Bei zentraler dynamischer Tarifierung eines Smart Meter mittels Software könnten diese Kosten allerdings weiter gesenkt werden.

Noch ist nichts entschieden

Wann und ob Smart Meter mit einer Prepaid-Funktion ausgerüstet werden, steht noch in den Sternen. In der gegenwärtigen Situation ist in dieser Hinsicht die Politik gefordert und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Mit den BSI-Gateways bietet sich jedenfalls die Möglichkeit, Prepayment in Deutschland stärker zu verbreiten. Doch dazu müssen erstmal BSI-konforme Smart Meter in die Haushalte kommen und selbst dann ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. „Wenn die ersten Systeme ab etwa 2016 installiert werden sollen“, gibt Peter Heuell zu bedenken, „muss möglichst schnell der nächste wichtige regulatorische Schritt erfolgen: Die Verabschiedung des Verordnungspakets ,Intelligente Netze'. Solange es dieses Paket nicht gibt, ist so viel Unsicherheit im Markt, dass sich keiner bewegt. Im Koali­tionsvertrag steht, bis Jahresende 2014 soll es verabschiedet sein. Darauf verlassen wir uns!“

Weitere Informationen

BSI-Broschüre „Das Smart Meter Gateway“: http://goo.gl/kLDZ8k

Bildergalerie

  • Vorausbezahlter Strom: Der Prepaid-Zähler verwaltet das Guthaben auf dem Schlüssel oder der Scheckkarte.

    Vorausbezahlter Strom: Der Prepaid-Zähler verwaltet das Guthaben auf dem Schlüssel oder der Scheckkarte.

    Bild: NZR, Harald Fette

  • Vorausbezahlter Strom: Der Prepaid-Zähler verwaltet das Guthaben auf dem Schlüssel oder der Scheckkarte.

    Vorausbezahlter Strom: Der Prepaid-Zähler verwaltet das Guthaben auf dem Schlüssel oder der Scheckkarte.

    Bild: NZR

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