Teerhaltiger Straßenaufbruch Straßen nachhaltig recyceln

Bei der Aufbereitung von teerhaltigen Straßenaufbrüchen sind Rohstoffverlust und CO2-Ausstoß hoch.

Bild: iStock, Christian Meurer
26.07.2022

Müssen alte Straßen erneuert werden, stellt sich die Frage: Wohin mit den Anteilen, die mit Teer belastet sind? Bestehende Entsorgungswege sind teuer, wenig nachhaltig und erzeugen viel CO2. Im Projekt „InnoTeer“ entwickeln vier Fraunhofer-Institute eine Alternative, um Teer aus Straßenaufbruch unschädlich zu machen und die verbleibende Mineralik in hoher Qualität zurückzugewinnen. Mit nur einer Anlage ließen sich bereits große Mengen an CO2 einsparen.

Jährlich fallen in Deutschland etwa 3,3 Millionen Tonnen teerhaltiger Straßenaufbruch an: Zwei Millionen Tonnen davon landen auf Deponien, 300.000 Tonnen werden per LKW aus Deutschland in die Niederlande transportiert, in die bislang einzige Asphaltaufbereitungsanlage Europas. Die Rohstoffverluste sind groß und die Kosten für die Entsorgung sind enorm: allein in Deutschland belaufen sie sich auf insgesamt 223 Millionen Euro pro Jahr. Zudem sind Transporte und die thermische Behandlung mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden.

Mit der derzeit verwendeten Anlagentechnik wird der Teeranteil im Asphalt bei Temperaturen von 850 bis 1.000 °C verbrannt. 90 bis 95 Prozent des Asphalts sind allerdings Zuschläge, in der Regel Steine unterschiedlicher Korngrößen. Bei Temperaturen über 600 °C kann es zu einer Schädigung dieser Steine kommen, ihre Druckfestigkeit nimmt ab. In der Folge kann das Material nicht ohne weiteres in neue Straßen eingebaut werden, ein wertvoller Rohstoff geht verloren.

Fraunhofer startet Projekt InnoTeer

Im Projekt „InnoTeer“ entwickeln die Fraunhofer-Institute IBP, IML, IOSB und UMSICHT nun ein mehrstufiges Verfahren, um teerhaltigen Straßenaufbruch in dezentralen Anlagen effizient aufzubereiten. Das Projekt, das am 1. April 2022 startete, hat eine Laufzeit von drei Jahren; das Gesamt-Budget umfasst 3,5 Millionen Euro.

„Unsere Ziele im Projekt sind klar: weniger CO2-Emissionen durch weniger Transporte und eine Behandlung bei niedrigeren Temperaturen. Gleichzeitig eine bessere Qualität und größere Menge, an recyceltem Material für den Wiedereinbau in neue Straßen. Die Deponierung soll am Ende nahezu vollständig vermieden werden“, sagt Projektleiter Dr. Alexander Hofmann von Fraunhofer UMSICHT.

Damit nur die teerhaltigen Bestandteile aus dem Straßenaufbruch weiter behandelt werden müssen, und der Rest des Materials im Ursprungszustand erhalten bleibt, wird am Fraunhofer IOSB ein Verfahren zur optischen Erkennung von Teer entwickelt. Hierfür kommen insbesondere spektroskopische Verfahren zum Einsatz. „Eine besondere Herausforderung liegt dabei in der Unterscheidung des teerhaltigen Materials von schwarzer Mineralik und Bitumen“, sagt Georg Maier vom Fraunhofer IOSB. Das Verfahren wird dann für den echtzeitfähigen Einsatz optimiert und in ein optisches Schüttgutsortiersystem integriert. Damit lassen sich die unbelasteten Anteile des Straßenaufbruchs sicher von den teerhaltigen Anteilen trennen. Nicht kontaminiertes Material kann sofort wiedereingesetzt werden.

Für die teerhaltigen Teile gibt es ebenfalls einen neuen Lösungsansatz. Diese werden nicht wie bisher CO2-intensiv verbrannt, sondern bei niedrigeren Temperaturen unter Sauerstoffabschluss pyrolysiert. Der Teer wird dabei thermisch zersetzt und kritische Inhaltsstoffe werden unschädlich gemacht. Die Gesteinskörnung bleibt unbeschädigt. Quasi als Nebenprodukt entsteht ein Synthesegas, das zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

Übrig bleiben Sand, Kalkstein und Kohlenstoff. „Am Fraunhofer IBP entwickeln wir Mög-lichkeiten, diese Mischung in Bauprodukten einzusetzen, etwa erneut in Asphalt einzu-arbeiten“, erläutert Dr. Volker Thome, Abteilungsleiter am Fraunhofer IBP. Zudem wird die Ökobilanz des derzeitigen Vorgehens bewertet und mit dem neuartigen Ansatz verglichen.

Parallel zu den Sortier- und Behandlungsverfahren entwickelt das Fraunhofer IML Modelle, anhand derer sich die Materialströme in Abhängigkeit von Standorten und Anzahl der Anlagen sowie der eingesetzten Transportmittel genau bewerten und nach unter-schiedlichen Zielkriterien steuern lassen. „Wir schätzen, dass wir mit nur einer Anlage in Deutschland allein den Logistikaufwand um etwa 40 Prozent reduzieren könnten, mit vier Anlagen um weitere 30 Prozent“, sagt Ralf Erdmann vom Fraunhofer IML mit Blick auf die eingesparten Transporte durch den Verzicht auf eine umweltbelastende Deponierung.

Prototyp-Anlage mit 300 Kilogramm pro Stunde

Am Ende des dreijährigen Projekts soll eine Prototyp-Anlage stehen, die 300 Kilogramm teerhaltigen Straßenaufbruch pro Stunde aufbereiten kann. Diese könnte dann auf eine größere Anlage hochskaliert werden, die 20 Tonnen pro Stunde verwerten kann. „Das Interesse seitens Baufirmen und Behörden ist bereits jetzt sehr groß“, sagt Hofmann.

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