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Titelreportage Steuerungs- & Schaltanlagenbau 4.0

Bild: Rittal
30.03.2016

Die höchstmögliche Automatisierung aller Prozesse – vom Engineering bis hin zur Verdrahtung – zählt zur hohen Kunst im Steuerungs- und Schaltanlagenbau. Rittal bietet Kunden über die gesamte Wertschöpfungskette passende Werkzeuge für die Realisierung an. Im Zentrum steht der virtuelle Prototyp der Anlage.

Wer vor prall gefüllten Schaltschränken steht, dem wird sofort bewusst, wie komplex die Umsetzung ist. SPS-Einheiten, Netzwerkkomponenten, Steckverbinder, IPCs oder Kühler sind dicht gepackt angeordnet. Die unzähligen Bohrungen, Kabelkanäle und Verdrahtungen von mehreren Kilo­metern verdeutlichen den Aufwand, den Steuerungs- und Schaltanlagenbauer betreiben müssen, umso mehr.

Wird bei der Planung nicht alles hinsichtlich Raumbedarf, Schaltschrankgröße, Kühlmaßnahmen und benötigter Komponenten berücksichtigt, fangen die Probleme spätestens beim Aufbau der Anlage an; inklusive teurer Redesigns. Oft liegen für die Arbeitsschritte im Schaltanlagenbau unterschiedliche Daten zugrunde: Dies führt zwangsläufig zu Fehlern. Kann der Schaltanlagenbauer von der Planung bis hin zum fertigen Produkt dagegen auf einen durchgängigen Datensatz zugreifen, so lassen sich Fehler schon im Vorfeld vermeiden. „Wenn im Engineering ein Frequenzumrichter platziert wird, weiß die Fertigungsmaschine später automatisch, wo Bohrungen, Gewinde und Verkabelungen im Schaltschrank angebracht werden müssen. Außerdem erkennt der Ingenieur sofort mögliche Fehlerquellen wie beispielsweise Kollisionen oder Hotspots“, erläutert Uwe Scharf, Geschäftsbereichsleiter Produktmanagement bei Rittal, wie moderner Steuerungs- und Schaltanlagenbau aussehen kann. „Das heißt, es erfolgt jetzt auf einmal eine Verknüpfung der früher unabhängigen Prozesse Engineering, Produkte und Werkstatt.“

Planung inkludiert Montage

Rittal bietet Kunden aus dem Steuerungs- und Schalt­anlagenbau eine Lösung über die komplette Wertschöpfungskette an. Als zentrales Element zieht sich ein virtueller Prototyp durch alle Schritte des Anlagenbaus. Zu jedem Zeitpunkt sieht der Konstrukteur, ob seine Konfiguration machbar ist. Ein zentraler Datensatz ist der Schlüssel. „Das heißt ganz konkret, dass ich in der frühen Planung schon Dinge prüfen kann, die sonst erst später in der Montage auffallen“, kommentiert Scharf den Mehrwert einer durchgängigen Datenstrategie. Die Qualität des virtuellen Prototyps hängt natürlich stark von den vorliegenden Daten der Komponenten ab. Neben den mechanischen Abmessungen muss jedes Bauteil auch Details zu den elektrischen Anschlüssen, der Leistungsaufnahme sowie Bestellnummern und -informationen enthalten.

Plausibilisierung in Echtzeit

Für die Planung und das Engineering empfiehlt Rittal seinen Kunden die Software-Plattform von Eplan. Beide Unternehmen gehören zum Firmenverbund der Friedhelm Loh Group. Über Eplan Electric P8 wird die Elektroplanung durchgeführt. Verknüpft mit dem Engineering-Tool Pro Panel, mit dem sich der 3D-Schaltschrankaufbau realisieren lässt, erfolgt die Erstellung des virtuellen Prototyps. Eingebunden in den Prozess ist ebenfalls von Eplan das Data Portal; in der Datenbank sind rund 600.000 Herstellerdaten der wichtigsten Anbieter für Schalt­schrankausstattung mit allen nötigen Informationen.

„Durch die elektrotechnische Planung in Eplan erfolgt die Plausibilisierung am virtuellen Prototypen. Beispielsweise lassen sich mechanische Kollisionen oder ob sich die Kabel für einen Antrieb überhaupt in den Kabelkanal routen lassen überprüfen“, hebt Scharf die Vorteile der Datendurchgängigkeit hervor. Die Softwaretools Therm und Thermal Design Integration zeigen zudem die Wärmebelastung eines Schrankes und weisen auf Hotspots hin. Außerdem wird auf notwendige Abstände zu Nachbarkomponenten geachtet. Bei Bedarf kann zum Beispiel ein Lüfter platziert werden.

Das Engineering in der Eplan-Plattform bildet zusammen mit dem virtuellen Prototyp die Schaltzentrale für alle nachfolgenden Prozesse im Steuerungs- und Schaltanlagenbau. Hat der Kunde das Engineering des Schaltschranks und seiner Komponenten abgeschlossen, liefert Rittal ihm den passenden leeren Schaltschrank auf Basis des virtuellen Prototyps. Neben den Schränken unterstützt das Unternehmen den Anlagenbauer auf Wunsch auch mit Klimatisierungs-, Stromverteilungs- und IT-Infrastruktursystemen sowie Zubehör.

Bohren oder lasern

Für den Steuerungs- und Schaltanlagenbauer beginnt nach dem Engineering und Kauf aller Komponenten erst die eigentliche Arbeit: Jetzt müssen Bohrungen, Gewinde und Ausschnitte erstellt sowie Montageplatten, Seitenteile oder Türen bearbeitet werden. Typischerweise verrichten Anlagenbauer hier viel Handarbeit. Genau diese Prozesse unterstützt Rittal durch automatisierte Werkzeuge. Die Friedhelm Loh Group besitzt durch Rittal Automation Systems mit dem Bearbeitungscenter Perforex BC und dem Lasercenter LC passende Maschinen für die Werkstattautomatisierung. Perforex-Anlagen verarbeiten die Materialien Stahlblech und Edelstahl. Daten für die Ausschnitte oder Bohrungen holt sich Perforex wieder vom virtuellen Prototypen. „Wir selbst nutzen diese Maschinen schon länger. Und wir haben festgestellt, dass auch unsere Kunden einen entsprechenden Bedarf haben. Also haben wir Perforex in unser Angebot einer durchgehenden Wertschöpfungskette aufgenommen“, erklärt Scharf die Entscheidung.

Aufwendig und fehleranfällig ist insbesondere die Verdrahtung aller Komponenten im Schaltschrank. Rittal Automation Systems nimmt sich auch dieser Problematik an und unterstützt mit verschiedenen Maschinen und Softwaretools die Kabelkonfektionierung und Verdrahtung. Mit Smart Wiring gibt es ein neues Softwaretool, mit dem sich alle notwendigen Informationen zur Verdrahtung wie Verlegewege etc. für die Fertigung bereitstellen und visualisieren lassen. Anwender profitieren von erheblicher Zeitersparnis bei der manuellen Verdrahtung. Als höchste Stufe der Verdrahtung bietet Rittal für größere Serienfertigungen den vollautomatischen Verdrahtungsroboter Averex an. Eine normgerechte Dokumentation aller Arbeitsschritte und Komponenten ist über Eplan ebenfalls gewährleistet.

Durch den unterbrechungsfreien digitalen Workflow ermöglicht Rittal Steuerungs- und Schaltanlagenbauern kürzere Durchlaufzeiten, flexiblere Reaktion auf Kundenanforderungen sowie eine bessere Kostenkontrolle.

In unserem Titelinterview spricht Uwe Scharf, Geschäftsleiter Produktmanagement, über Rittals digitale Strategie.

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