Smart Traffic & Mobility Steuerkette oder Zahnriemen?

Trockenlaufend: Das für den Steuertrieb und Ventiltrieb benötigte Drehmoment einer Steuerkette im Vergleich mit einem trockenlaufenden Zahnriemen.

Bild: BorgWarner
06.05.2014

Welches der beiden Antriebsmittel die effizienteste Lösung für den Steuertrieb ist, zeigen ausgiebige Vergleichstests auf einem Reibungsprüfstand.

Im Zeitalter des Automobils stellen sich Fahrzeugkon­strukteure regelmäßig eine entscheidende Frage: Steuerkette oder Zahnriemen? Diverse Studien behandelten die Qualität und Leistungsfähigkeit beider Technologien. Einige unterstreichen die Überlegenheit des Zahnriemens, andere hingegen sehen die Vorteile auf Seiten der Steuerkette. Eine Testreihe, durchgeführt von BorgWarner in einem seiner Technologiezentren, ging der Frage auf den Grund.

Status Quo der Leistungsbewertung

Wann immer Konstrukteure eines Verbrennungsmotors zwischen Steuerkette und Zahnriemen als Steuertrieb entscheiden müssen, bewerten sie neben der Dauerhaltbarkeit besonders die Größe des Bauraums, das NVH-Verhalten (Noise, Vibration, Harshness), die Reibung sowie den Gesamtwirkungsgrad. Erfahrungsgemäß verfügt die Steuerkette über eine Reihe von Vorzügen gegenüber dem Zahnriemen.

Ausgelegt für hohe Motorlaufleistungen erweist sich die Steuerkette als besonders geeignet für Hochleistungsmotoren. Vor allem die hohe Fertigungsqualität sowie die Verwendung hochwertiger Materialien und Beschichtungen haben einen positiven Effekt auf Stabilität, Dauerhaltbarkeit, Verschleißfestigkeit und Effizienz der Steuerkette. Zahnriemen altern hingegen sehr viel schneller und können ohne Vorwarnung reißen. Besonders bei modernen Motorkonzepten, bei denen aufgrund des begrenzten Bauraums jeder Millimeter zählt, stellt die Steuerkette eine kompakte Lösung dar. Die hier geschilderte Untersuchung zeigte einen Bauraumvorteil der Steuerkette gegenüber dem Zahnriemen von acht bis zehn Millimetern, je nach Auslegung.

Als schwieriger erweist sich der Effizienzvergleich der beiden Technologien. Zwar besitzen Zahnriemen hinsichtlich der Bewertung des Reibungsverhaltens konstruktionsbedingte Vorteile, weil ein nicht metallischer Riemen auf einer metallischen Riemenscheibe läuft. Moderne Steuerketten verfügen jedoch dank kontinuierlicher Weiterentwicklungen über eine optimierte Reibleistung, die dem Zahnriemen fast ebenbürtig ist. Die Hersteller setzen in diesem Zusammenhang vor allem auf reibungsarme Materialien, präzise Verbindungsgeometrien, verbesserte Spannvorrichtungen und fortschrittliche Verarbeitungstechniken.

Testaufbau und Vorgehensweise

Die Bewertung der Effizienz von Steuerketten und Zahnriemen erfolgte durch Messungen des zum Antrieb der Kurbelwelle erforderlichen Drehmoments. Zahnketten von BorgWarner wurden dabei zunächst mit einem konventionellen trockenlaufenden und anschließend mit einem nasslaufenden Zahnriemen verglichen. Der Reibungsprüfstand von BorgWarner in Ithaca (New York) erlaubt es, die Reibung des gesamten Nockenwellenantriebs zu messen. Der Prüfstand besteht aus einem per Elektromotor geschleppten unbefeuerten Motor, der die Kettenspannung durch das Nockendrehmoment erzeugt.

Um störende Variablen wie Verlustleistungen durch Kraftstoff- und Ölpumpen auszuschließen und isolierte sowie reproduzierbare Ergebnisse zu gewährleisten, modifizierten die Ingenieure die getesteten Motoren leicht und balancierten die Kurbelwelle ohne Kolben und Pleuelstange neutral aus. Darüber hinaus wurde auf die vorderen und hinteren Kurbelwellendichtungen verzichtet.

BorgWarner führte die Testreihe auf zwei durch Zahnriemen angetriebenen Motoren – einem 1,0-Liter-Reihen-Drei­zylindermotor sowie einem 1,6-Liter-Reihen-Vierzylindermotor – zunächst mit den vom OEM vorgegebenen Steuertriebkomponenten durch. Anschließend entwickelten die Ingenieure für beide Motoren ein individuelles Steuerkettensystem auf Basis einer Zahnkette mit einer Teilung von 8 Millimetern beziehungsweise 6,35 Millimetern.

Analyse mit der Strip-Methode

Die Analyse erfolgte anhand der sogenannten Strip-Methode. Auf Grundlage des Drehmoments, das benötigt wird, um den Motor über die Kurbelwelle anzutreiben, kann das Gesamtdrehmoment des Motors bestimmt werden. Hierbei wird zunächst die Messung mit eingebauter Steuerkette oder Zahnriemen am Motor durchgeführt. Anschließend werden die Steuerkette beziehungsweise der Zahnriemen entfernt und erneut das zum Antrieb der Kurbelwelle erforderliche Drehmoment gemessen. Das so ermittelte Drehmoment der Kurbelwelle wird vom Gesamtdrehmoment des Motors subtrahiert. Als Ergebnis erhält man das für den Steuertrieb und Ventiltrieb nötige Drehmoment.

Eine gründliche und mehrfach durchgeführte Testreihe stellte indessen die hohe Reproduzierbarkeit der Testergebnisse sicher. Auch die Messbasis wurde regelmäßig überprüft. Die Abweichung bei wiederholten Testreihen betrug weniger als drei Prozent.

Testergebnisse

Im Rahmen des Konstruktionsprozesses der Steuerketten sichern dynamische Systemsimulationen eine hohe Zuverlässigkeit des Steuerketten-Designs. Beide getesteten Steuerketten von BorgWarner erwiesen sich auf Grundlage der Simulationen als stabil und in der Lage, alle Anforderungen hinsichtlich Kettenspannung und -steuerung zu erfüllen. Die Messergebnisse weisen ähnliche Drehmomentverluste bei der Steuerkette und einem nasslaufenden Zahnriemen bei einer guten Wiederholgenauigkeit von +/- 0,02 Nm auf. Beim Vergleich zwischen Steuerkette und trockenlaufendem Zahnriemen sticht die Steuerkette durch Effizienzvorteile heraus. Die Nachteile des trockenlaufenden Zahnriemens lassen sich teilweise dadurch erklären, dass Abdichtungen zur Nockenwelle nötig sind, um den Zahnriemen trocken zu halten. Zwar bieten Zahnriemen und Steuerkette ähnliche Leistungswerte. Hinsichtlich Packaging, Dauerhaltbarkeit und Systemkontrolle erweisen sich Steuerketten jedoch gegenüber dem Zahnriemen als vorteilhafter.

An Motorvarianten anpassen

Die Testreihen zeigen, dass beide Technologien unter optimalen Bedingungen die gleiche oder zumindest eine ähnliche Effizienz aufweisen. Für Konstrukteure spielt bei der Wahl zwischen Steuerkette und Zahnriemen jedoch auch immer die Adaptierbarkeit der Ventilsteuerung an unterschiedliche Motorkonfigurationen eine wichtige Rolle. Weil sie eine höhere Festigkeit im Verhältnis zur Breite aufweisen, eignen sich Steuerketten für verschiedene Motorvarianten.

Alle für eine einfache Anpassung an unterschiedliche Motoren notwendigen Bauteile sind vorhanden. Dazu zählen ein hydraulischer Kettenspanner, eine Gleitschiene für das Lasttrum sowie ein Spannarm für das Leertrum. BorgWarner deckt bei einer aktuellen Motorapplikation mit einem einzigen Kettenspannertuning sechs verschiedene Kettentriebkonfigura­tionen ab.

Robustheit für Hochleistungsmotoren

Ein herkömmlicher trockenlaufender Zahnriemen weist im Gegensatz dazu ein um 50 Prozent geringeres Verhältnis zwischen Festigkeit und Breite auf. Die für Hochleistungsmotoren erforderliche Robustheit des Riemenantriebs kann auch erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und das Packaging des Motors haben. Nötig sind unter Umständen eine Verbreiterung des Zahnriemens, eine zusätzliche Gleitschiene für das Lasttrum oder eine Umlenkrolle sowie eine stärkere Vorspannung aufgrund der höheren Eingangsamplituden.

Mehrere Kriterien betrachten

Die durchgeführten Vergleichstests zeigen, dass Steuerketten und Zahnriemen bei optimalen Bedingungen ähnlich effizient arbeiten. Gegenüber trockenlaufenden Zahnriemen verfügen Steuerketten über einen messbaren Effizienzvorteil. Im Vergleich mit nasslaufenden Zahnriemen sind vergleichbare Leistungswerte zu beobachten. Bei der Identifizierung des richtigen Steuertriebs sollten daher weitere Kriterien berücksichtigt werden.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel