Unheimliche Retter Spinnengift für Therapeutika und Bioinsektizide

Trifft man in der Natur auf eine giftige Spinne, kann es ganz schnell böse enden. Im Labor hingegen sind Spinnengifte ein Segen für die Pharmaindustrie und Bioinsektizide.

Bild: iStock, Perytskyy
04.03.2022

Krabbeln, springen, rennen und einbuddeln. Die achtbeinigen Tierchen faszinieren und ekeln zugleich. Ihr Gift ist jedoch auch gewinnbringend für unsere Gesundheit – natürlich nur wohl dosiert.

Die Wespenspinne – übrigens Spinne des Jahres 2001 – ist ein besonders hübsches Exemplar aus der Familie der Radnetzspinnen. Die Weibchen dieser Gattung können bis zu 25 mm groß werden, die Männchen deutlich kleiner. Auch die auffällige Färbung tragen nur die weibliches Tiere. Wichtig jedoch ist das Gift der Spinne. Für Menschen ungefährlich, da die Giftklauen die Haut nicht durchdringen können, jedoch für die Wissenschaft ein spannendes. Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass das Gift der Wespenspinne hauptsächlich aus hochmolekularen Proteinen aufgebaut ist und im Vergleich zu anderen Spinnen nur wenige Peptide mit Cystin-Knoten enthält.

Geringe Dosis bereits ausreichend

Spinnengifte sind hochkomplex, sie können bis zu maximal 3.000 Komponenten enthalten. Das Gift der Wespenspinne hingegen enthält nur etwa 53 Biomoleküle. Es ist stark von hochmolekularen Bestandteilen dominiert, dazu gehören sogenannte CAP-Proteine und andere Enzyme. Wie in anderen Spinnengiften sind Knottine vorhanden – allerdings machen diese nur einen geringen Teil des gesamten Gemischs aus.

Knottine stellen eine Gruppe von neurotoxischen Peptiden dar, die aufgrund ihrer Knotenstruktur robust gegenüber chemischem, enzymatischem und thermischem Abbau sind. Man könnte diese Moleküle daher als Bestandteil von Medikamenten oral verabreichen, ohne dass sie im Magen-Darmtrakt verdaut werden. Sie können ihre Wirkung daher sehr gut entfalten, weshalb sie großes Potenzial für die Medizin bieten.

Darüber hinaus binden Knottine spezifisch an Ionenkanäle. „Je spezifischer ein Molekül an sein Zielmolekül andockt, nur einen einzigen Typ von Ionenkanal angreift, desto weniger Nebenwirkungen löst es aus“, erklärt Dr. Tim Lüddecke, Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Gießen. Zudem beeinflussen die Knottine schon in geringen Mengen die Aktivität der Ionenkanäle, sprich, sie sind in geringer Konzentration wirksam. Infolgedessen können abgeleitete Arzneien niedrig dosiert verabreicht werden. Die Kombination dieser Eigenschaften machen Spinnengifte so interessant für die Wissenschaft.

Auch entdeckten die Projektpartner im Gift der Wespenspinne Moleküle, die in ihrer Struktur Neuropeptiden ähneln, die für den Transport von Informationen zwischen den Nervenzellen verantwortlich sind. „Wir haben neuartige Familien von Neuropeptiden gefunden, die wir bislang von anderen Spinnen nicht kennen. Wir vermuten, dass die Wespenspinne damit das Nervensystem von Insekten angreift. Seit Längerem ist bekannt, dass Neuropeptide im Tierreich im Laufe der Evolution häufig zu Toxinen umgebaut werden“, sagt der Forscher.

Verwandte Artikel