Corporate News Solar-Vertrieb: Direkt zum Kunden


Technologievorsprung: Bei der Jagd nach immer höheren Wirkungsgraden schneiden taiwanesische Unternehmen oft besser ab als chinesische oder europäische.

28.02.2013

Die Zeiten sind schwierig für die Solarbranche. Mit seiner Technologie, seinem Vertriebskonzept und seinen Aktivitäten im Projektgeschäft sieht sich ein Unternehmen mit taiwanesischen Wurzeln allerdings auf der Gewinnerseite.

Die Romantische Straße von Füssen nach Würzburg muss man kennen, Creglingen dagegen nicht unbedingt. Obwohl: Die Ferienstraße führt einige Kilometer hinter Rothenburg durch diesen Ort, der eine Herrgottskirche samt Marienaltar von Tilman Riemenschneider und ein Fingerhut-Museum aufweist - und im Industriegebiet ein Solarunternehmen, das sich in mancher Hinsicht gegen den Strom vieler Modulhersteller schwimmen sieht. Eine Produktionsstätte wird man hier im idyllischen Taubertal allerdings nicht finden; die Deutschlandzentrale beherbergt außer ihren rund 20 Mitarbeitern nur noch ein kleines Distributionslager. „Die Hauptmengen kommen in Rotterdam an. Von Creglingen aus verteilen wir nur relativ kleine Mengen an Solarteure“, erläutert Deutschland-Geschäftsführer Sascha Roßmann den Warenfluss aus Asien.

Falsch liegt, wer hier bei „Asien“ an China denkt: Winaico ist die Tochter des taiwanesischen Herstellers Win Win und legt Wert auf den Unterschied zu Modulen vom chinesischen Festland. Während China hierzulande den Markt vom Volumen her beherrscht - unter den Top-10-Herstellern der Welt sind sieben chinesische Firmen vertreten - agieren die politisch abtrünnigen Chinesen auf der vorgelagerten Insel eher nach dem Motto: Kleinere Marktanteile, aber feinere Qualität. „Ich habe vier Jahre in China gewohnt und kenne das Solar-Geschäft dort seit 2002“, sagt Roßmann. Er mag China sehr, spricht selbst Chinesisch. „Aber Chinesen haben Schwierigkeiten, Qualität zu managen“, ist seine Erfahrung. „Die taiwanesischen Lieferanten zeigen dagegen eine ganz andere Mentalität in der Art mit Qualität umzugehen.“

Technologieführer Taiwan

Nach Roßmanns Beobachtung haben sich chinesische Firmen schon immer mit Solarzellen gebrüstet, die sie aus Taiwan eingeführt und in China zu Modulen verbaut haben, teilweise um Produktlinien mit höherem Wirkungsgrad anbieten zu können. Er sieht darin einen deutlichen Hinweis auf die Technologieführerschaft Taiwans. In dem 23-Millionen-Inselvolk kommt ein hohes Niveau in Sachen Halbleiter-Technologie nicht von ungefähr: Taiwan ist - zumindest in Fachkreisen - bekannt durch seine Elektronik- und Halbleiterfirmen, auch wenn Endkunden nicht unbedingt taiwanesische Marken kennen, weil die dortigen Firmen oft als Zulieferer auftreten. „Da sind die Taiwanesen die Werkbank für Japan, Korea und ganz Europa“, formuliert Roßmann, der inzwischen für den weltweiten Vertrieb von Winaico zuständig ist.

Ähnlich sind sie bei Solarmodulen daher bislang nicht sehr aufgefallen, haben sie sich doch früher vor allem auf die Herstellung hochwertiger Solarzellen konzentriert. Das Geschäft mit den Modulen habe erst in den letzten Jahren zugenommen, so die Beobachtung von Roßmann, und zwinge die taiwanesischen Firmen jetzt, näher an den Markt zu gehen, also in Marketing und Vertrieb einzusteigen - was ihnen aber nicht liege.

Da kam vor einigen Jahren der Solarmarkt- und Chinakenner Roßmann gerade recht, um das Winaico-Geschäft im von EEG-Förderungen verwöhnten Deutschland anzukurbeln. „Die Kombination aus unserem Technologie- und Produktions-Know-how in Taiwan und unserem direkten Vertriebsansatz in den Ländermärkten sind die Eckpfeiler unserer Entwicklung“, so Sascha Roßmann. Mit seiner direkten Art („Ich bin ein Mann der klaren Worte“) kommen seine asiatischen Kollegen gut zurecht, denen sonst oft die Mentalität der Amerikaner besser liegt als die europäische. „Bei uns geht es immer um die Sache. Es braucht eine gewisse Diskussionslust, um unser Know-How und die Erwartungen des Marktes möglichst optimal zusammenzubringen.“

Und so haben die Asiaten sich auch von Roßmanns Weg überzeugen lassen, in ihr Geschäftsmodell nicht Großhändler einzubinden, sondern im wesentlichen über den Direktvertrieb zu arbeiten - eine Strategie, die dem Unternehmen in einer Phase schwindender Margen zunehmend zugutekomme. „Ich habe schon vor fünf Jahren gesehen, dass das die Zukunft sein wird, wenn die Kostenspirale nach unten abgeschlossen sein würde“, gibt Roßmann zu Protokoll. Denn dann geben es die Margen nicht mehr her, einen Großhandel zu finanzieren. Nur ein Direktvertrieb könne noch funktionieren. Denn ein Zwischenhändler mit 7 oder 10 Prozent Bruttomarge würde den Herstellern in Asien bei der Kalkulation des Herstellungspreises enorme Kopfschmerzen bereiten und dazu führen, dass sie an der Qualität sparen, um attraktive Preispunkte zu erreichen. „Man muss das genau andersherum aufsatteln“, behauptet Roßmann: „Man braucht immer mehr Qualität zu den bestmöglichen Konditionen. Das kann man mit einem mehrstufigen Vertrieb nicht realisieren, da dort nur monetäre Motive zählen.“ Daher lautet seine Philosophie „Direktvertrieb mit der besten Qualität direkt auf den Hof des Installateurs oder Elektrobetriebs“.

Partner der Solarbetriebe

Daher sieht sich Winaico als Partner der Solarbetriebe. „Ich würde etablierten Elektrobetrieben, die sich bisher zurückgehalten haben, empfehlen jetzt einzusteigen“, überrascht Roßmann angesichts der desolaten Aussichten im Solarmarkt. Seine Begründung: „Wer nur Solar macht, hat das Problem, dass die Margen nicht ausreichen. Die Elektrobetriebe haben aber ja Kundenstämme von einigen tausend Haushalten. Die können daher mit Solarinstallationen auch Geld verdienen, weil sie ihre Fixkosten mit anderen Geschäften stützen.“

Weniger optimistisch fällt die Prognose weiter vorn in der Solarwertschöpfungskette aus: Die europäischen Solar-Hersteller und -zulieferer können in Europa kaum überleben, ist Roßmann überzeugt (siehe Interview). Grund dafür sei der hohe Margen- und Technologiedruck asiatischer Hersteller. So gehen zum Beispiel die Wirkungsgrade ständig weiter nach oben. „In sechs oder neun Monaten werden wir bei polykristallinen Modulen 260 oder 265 Watt pro Modul erreichen, die meisten asiatischen Hersteller liegen bei 250 Watt“, prophezeit Roßmann. Bei monokristallinen Modulen werden die Leistungen pro Modul bald jenseits der 300 Watt liegen. „Wir werden natürlich irgendwann an technisch-physikalische Grenzen stoßen, aber da ist noch viel Potenzial.“

Diesem ständigen Druck, Zellen und Module mit höherer Leistung zu geringen Kosten zu produzieren, seien die europäischen Hersteller kaum gewachsen, deren Erfahrung in der Produktion von Halbleitern im großindustriellen Maßstab mit der der asiatischen und US-Konkurrenz nicht mithalten könne. Auch derzeit diskutierte Strafzölle gegen China (von denen die Taiwanesen nicht betroffen wären), änderten daran nichts (siehe dazu auch den Artikel auf Seite 22).

Massiver Wettbewerb bedroht Europäer

Bedrohlich sei die Situation auch für die europäischen Wechselrichter-Hersteller: „Die goldenen Zeiten sind auch in diesem Segment vorbei, weil der asiatische Wettbewerb massiv zunehmen wird“, ist Roßmann überzeugt. „Die hiesigen Hersteller haben sich bisher durch das Aufstellen von Normen schützen können, weil sie damit einen Zeitvorsprung hatten.“ Wenn aber eine gewisse Standardisierung eingetreten sei, können die Asiaten leicht „auf den Knopf drücken und zu ganz anderen Kosten produzieren als das die hiesigen tun.“

Einen dauerhaft schützenden Vorsprung in Qualität und Lebensdauer sieht der internationale Vertriebschef von Winaico nicht: „Korea ist zum Beispiel sehr stark in der Leistungselektronik. Wenn die loslegen, müssen sich unsere Hersteller warm anziehen“, lautet seine Diagnose.

Energiespeicher als neue Anwendungen

Klar ist also, dass sich der Solarmarkt verändern wird, nicht nur wegen globaler wirtschaftlicher Verschiebungen, sondern auch durch neue Anwendungen. Winaico arbeite an Speicherlösungen „in Lithium-Polymer-Technologie, weil das so sicher ist, dass es sich problemlos im Flugzeug transportieren lässt“, bemerkt er mit Blick auf die Boeing Dreamliner, deren Probleme mit Lithium-Ionen-Batterien ihnen ein vorübergehendes Startverbot einhandelte. Eine Besonderheit der Winaico-Lösung sei die flexible Steuerung, die in Echtzeit permanent die Stromlast zwischen Netz und Verbraucher ausgleicht und somit die Stromerzeugung vom Verbrauch entkoppelt. „Wir haben bereits Anlagen im Feld laufen und werden im ersten Halbjahr 2013 zum Vertrieb des Produktes an unsere Partner herantreten“, beschreibt Roßmann neue Geschäftsfelder.

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