Prozessautomation & Messtechnik Smarter Manager für den Motor

12.06.2014

Die zunehmend komplexeren Anforderungen im Bereich Elektromotoren lassen auch die Elektrotechnik in den Niederspannungsschaltanlagen nicht unberührt. Dort wird der herkömmliche Standard konventioneller Abzweige vielfach von Lösungen mit smarten Motormanagementsystemen verdrängt.

Viele Prozesse leben vom kontinuierlichen Anlagenbetrieb, weil die physikalischen, chemischen und technischen Eigenschaften der eingesetzten Basis- und Zusatzstoffe sowie der Abspalt- und Endprodukte exakt definierte Produktionsabläufe erfordern. Kurze Unterbrechungen oder Stopps, die bei stückbezogenen Fertigungs- und Umformprozessen nur unwesentlichen Einfluss auf den gesamten Workflow oder die Produktqualität besitzen, haben in der Prozesstechnik meist erhebliche negative Auswirkungen. Aus diesem Grund etablieren sich Systemlösungen, die einen übersichtlichen Betrieb und einen schnellen Anlagenservice ermöglichen. Insofern sind auch Schaltanlagen mit übersichtlich aufgebauten Motor Control Centern (MCC) gerade in der Prozessindustrie sehr weit verbreitet. Ihr Vorteil: Die einzelnen Motorabzweige zum Betrieb der zahlreichen Elektromotoren für Pumpen, Lüfter, Kompressoren oder Rührwerke etc. sind häufig standardisiert aufgebaut und können bei Bedarf entsprechend schnell ausgetauscht, repariert beziehungsweise an eine veränderte Anlagentechnik angepasst werden. Am schnellsten geht das in Verbindung mit der optionalen Einschubtechnik, die viele Schaltanlagen ermöglichen, wie zum Beispiel die Sivacon S8 von Siemens.

Während häufig einfache Schalttechnik für solche standardisierten Abzweige beziehungsweise Einschübe verwendet wurden, zeichnet sich mittlerweile ein Trend zu so genannten Smart MCC ab. Das bedeutet: Während früher rein mechanisch arbeitende Einzelgeräte je nach Bedarf systematisch miteinander verschaltet wurden, um die Steuer-, Schalt- und Schutzfunktionalitäten für die Motoren zu realisieren, gibt es heute elektronische Kompaktgeräte mit hoher Funktionsinte­gration, so etwa das neue Motormanagementgerät Simocode pro S, das Siemens Ende 2013 auf den Markt gebracht hat. Damit lässt sich nicht nur ein intelligentes Motormanagement einfach realisieren; auch die Kommunikation mit der übergeordneten Steuerung – beispielsweise über Profibus DP – befindet sich mit an Bord. Die Vorteile solch kommunikationsfähiger Lösungen liegen auf der Hand: Die Geräte benötigen deutlich weniger Platz im Schaltschrank, sind erheblich flexibler in der Anwendung, sparen Engineering-Aufwand und stellen zudem vielfältige Diagnosemeldungen zur Verfügung. Die Handhabung wird also einfacher, bei erheblich kürzeren Servicezeiten.

Einstiegslösung mit elektronischem Vollschutz

Für die Prozessindustrie attraktiv ist die modular aufgebaute Einstiegslösung, weil sich damit Steuer-, Schalt- und Schutzfunktionen kostengünstig in Motorabzweige integrieren lassen. Bereits das Basisgerät mit 22,5 mm Baubreite bietet einen elektronischen Motorvollschutz durch das integrierte elektronische Überlastrelais sowie weitere Steuerfunktionen wie zum Beispiel den Direkt- und Wendestarterbetrieb. Selbst Stromgrenzwerte, interner Erdschluss und die Erfassung von Stillstandszeiten gehören zum Leistungsumfang des Grundgeräts. Mit den frei belegbaren vier Eingängen und zwei Ausgängen lassen sich Motormanagementlösungen kostengünstig aufbauen und einfach parametrieren. Die Geräte liefern detaillierte Betriebs-, Service- und Diagnosedaten für einen störungsfreien Anlagenbetrieb. Die offene Kommunikation über Profibus sorgt für eine einfache Einbindung in übergeordnete Steuerungslösungen. Vorteile wie geringer Platzbedarf, einfaches Engineering und wirtschaftliche Einstieglösung erleichtern Anwendern den Umstieg von herkömmlicher MCC-Einschubtechnik zum intelligenten Motormanagement.

Vielseitige Module schaffen hohe Flexibilität

Ergänzend zum Basisgerät mit vier digitalen Eingängen und zwei Relaisausgängen gibt es ein so genanntes Multifunktionsmodul. Dieses verdoppelt die E/As und ermöglicht den zusätzlichen Anschluss eines Temperatursensors und einer externen Erdschlusserfassung. Extreme Temperaturen, Feuchtigkeit und aggressive Umgebungsbedingungen führen nicht selten zu schleichenden oder plötzlichen Erdschlüssen. Diese sofort zu erkennen, zu lokalisieren und zu beseitigen ist mit der externen Erdschlusserkennung gewährleistet. Die große Einsatzbreite dieser Lösung reicht von 30 mA bis 40 A.

Sind erweiterte Steuerfunktionen wie Stern-Dreieck-Start oder Sanftstart – etwa beim schonenden Pumpenanlauf – gefordert, kommen beim Multifunktionsmodul die weiteren zwei Ausgänge zum Einsatz. Die zusätzlichen vier Eingänge wiederum können entweder mit 24 V DC oder mit 110 – 240 V AC/DC beaufschlagt werden. Damit lassen sich selbst mechanische Schalter in rauer, schmutzbelasteter Umgebung einbinden.

Ein vereinfachtes Engineering ermöglicht es, Motorabzweige nicht nur komfortabler aufzubauen, sondern auch die Handhabung spürbar zu erleichtern. Beispielsweise gibt es für das Motormanagement nun ein Initialisierungsmodul, in dem die gesamte Parametrierung inklusive Adressierung des zugehörigen Abzweigs gespeichert ist und das fest in der Schaltanlage eingebaut ist. Vorteil dieser Lösung: Muss ein Motoreinschub wegen Störungen oder Änderungen in der Anlage ausgetauscht werden, genügt es, einen neuen (Ersatz-)MCC-Einschub mit wenigen Handgriffen einzuschieben. Sobald der Steuerstecker kontaktiert ist, werden Adressierung und Parametrierung aus dem Initialisierungsmodul ins neue Gerät eingelesen. Anschließend ist der Antrieb wieder betriebsbereit und die Produktion läuft weiter.

Durch die umfassende Diagnose können Störungen in einem Abzweig frühzeitig und exakt per Busanbindung an die Leitwarte übermittelt werden. Und weil der schnelle Austausch von Einschüben auch vom Bedienpersonal an der Anlage technisch durchgeführt werden kann, lassen sich unter Umständen Stillstände oder Prozessunterbrechungen sogar komplett eliminieren.

Die Geräte erfüllen des Weiteren eine wichtige Voraussetzung für einen großen Teil der Anwendungen in der Prozessindustrie, die Zulassung für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen für die Zündschutzarten EEx e/d entsprechend der Atex-Richtlinie 94/9/EG (Schutz von Motoren). Viele länderspezifische Zertifizierungen wie UL, CSA und CCC erleichtern zudem die weltweite Nutzung. Eine Vielfalt an Schutz-, Steuer- und Überwachungsfunktionen für Standardanwendungen und die Anbindung an Profibus ist bereits im Einstiegsmodell enthalten, darunter Überlastschutz von Class 5 bis 40, Strommessung und Thermistormotorschutz. Das High-end-Gerät Simocode pro V bietet zusätzlich eine Spannungserfassung und damit die Ermittlung leistungsbezogener Kenndaten wie Wirkleistung und Energieverbrauch sowie die sicherheitsgerichtete Abschaltung von Motoren und Anbindung an Profinet.

Von einer solchen Lösung profitiert die gesamte Prozesstechnik. Während konventionelle Motorabzweige in der Regel lediglich Betriebsdaten mit der Leittechnik austauschen, kann ein elektronisches Motormanagement selbst Statistikdaten erheben oder die Gründe für eine Auslösung visualisieren. Die Leitwarte ist so über sämtliche Vorgänge im Werk informiert.

Die Integration des Motormanagements erfolgt mit der Hilfe der Software Simocode ES, ein System für Inbetriebnahme, Betrieb und Diagnose. In Verbindung mit der Buskommunikation lassen sich intelligente MCC-Abzweige also nicht nur über einen optionalen Bedienbaustein oder über ein Handprogrammiergerät direkt vor Ort parametrieren und diagnostizieren, sondern auch komfortabel von einer zentralen Stelle aus. Waren beispielsweise im Zuge der Inbetriebnahme früher aufwändige Umverdrahtungen im Steuerstromkreis keine Seltenheit, wird heutzutage einfach vom Rechner aus umkonfiguriert. Als Ergänzung zu der Stand-alone-Version gibt es die Software übrigens auch integriert in dem
neuen Engineering-Framework TIA Portal von Siemens.

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