Engineering Smarte Technik bricht den Stein

 

Bild: Roland T. Frank
05.06.2015

Mühlen in der Grundstoffindustrie bringen Mahlleistungen von bis zu 1.000 t pro Stunde und laufen teils rund um die Uhr – umso wichtiger werden optimierte Betriebs- und Wartungsmodi. Eine durchgängige, datenbankbasierte Engineering-Plattform beschleunigt nun Entwicklungsprozesse für die Planung industrieller Grundstoffmühlenanlagen.

Ob Zementrohmaterial, Kalk, Gips oder Puzzolane (unter Hitze entstandenes, kieselsäurehaltiges Gestein): Mühlen für die Grundstoffindustrie leisten Enormes. Sowohl den Antrieben als auch der Walztechnik wird gigantische Kraft und absolute Zuverlässigkeit abverlangt. Die Anlagen müssen rund um die Uhr laufen, Antriebsleistungen bis zu 12.000 kw und Mahlleistungen bis zu 1.000 t pro Stunde sind aufgrund der Entwicklung zu immer größeren Anlagenkapazitäten im Gespräch.

Anlagenverfügbarkeit und optimierte Wartungskonzepte werden so immer wichtiger, aber auch ein effizientes, sicheres und transparentes Engineering für Konstruktion und Betrieb.

Als eine der führenden Firmen im Bereich Mühlentechnologie hat sich die Gebrüder Pfeiffer mit Hauptsitz in Kaiserslautern daher entschieden, ihre Engineeringprozesse zu optimieren. Dafür nutzt sie das System Engineering Base.

Das Familienunternehmen blickt auf mehr als 150 Jahre im Anlagenbau zurück. Es entwickelt moderne Aufbereitungstechnik für die Grundstoffindustrie, hauptsächlich im Bereich Zement, Kalk, Gips und Keramik. Mühlen, Trockner, Sichter, Kalklöschanlagen oder Gipskocher von Gebr. Pfeiffer sind dank Niederlassungen in den USA oder Indien weltweit im Einsatz. Derzeit ist für Nordafrika die zweitgrößte Zementmühle der Welt in Arbeit, die bis zu 340 t OPC (Ordinary Portland Cement) pro Stunde mahlen kann.

Internationale Aufträge, vor allem aus Ländern mit Bauboom wie Indien oder China, bedürfen eines hochtransparenten Änderungsmanagements und unmissverständlicher Kommunikation mit den Kunden. Auch deshalb machten sich die Mühlen-Spezialisten auf die Suche nach einem neuen System.

„Unser Kunde Holcim machte uns auf den Software-Anbieter Aucotec aufmerksam", erklärt Wolfgang Fuhr, Leiter der Organisation und Datenverarbeitung bei Gebr. Pfeiffer. Holcim, einer der weltweit größten Zementhersteller, nutze Aucotecs System Engineering Base (EB) nicht nur im Anlagenbetrieb, sondern setze es schon in der Ausschreibungsphase ein und baue auf den dabei bereits erarbeiteten Daten die weitere Entwicklung der Anlage auf. Aucotec ist ein unabhängiger Systementwickler mit Zentrale in Hannover.

Bauboom verlangt Durchgängigkeit

Dass Holcim seinen Lieferanten EB-Dokumentationen vorgibt, war keinesfalls der Hauptgrund, weshalb sich das Unternehmen schließlich für die unternehmensweite Einführung der Software-Plattform entschied. Zum einen prüften die Kaiserslauterer Referenzen anderer Anlagenbauer. Zum anderen waren sie überzeugt, dass bestimmte Anforderungen, die sie als Hersteller mit hoher Fertigungstiefe an ihre eigenen Produkte stellen, am besten mit einem besonders durchgängigen System umsetzbar seien. „Unsere Innovationsfähigkeit hängt auch ab von der Schnelligkeit und Qualität, mit der die Entwicklung und Konstruktion arbeitet“, sagt Fuhr. „Deshalb brauchten wir ein durchgängiges Engineering-System zur Erstellung von P&IDs und Fließbildern für die Anlagenplanung. Mit EB ist jetzt das umständliche Wechseln zwischen den Tools Geschichte."

Zur Unterstützung der grafischen Bearbeitung ist in dem datenbankbasierten System das Microsoft-Tool Visio integriert, das weit verbreitet ist und die intuitive Arbeitsweise der Office-Welt mit sich bringt. Wolfgang Fuhr: „Auf diese Weise brauchen wir keine extra CAD-Werkzeuge mehr, und die Kopplung der Grafiken mit der Datenbank macht die erarbeiteten Informationen enorm transparent.“ EBs Datenbank stützt sich ebenfalls auf eine bekannte Microsoft-Komponente: den SQL-Server. Er sorgt dafür, dass sämtliche Eingaben, egal ob in Explorer, Grafik oder Liste erstellt, sofort auch in den jeweils anderen Ansichten erscheinen. Denn die Datenbank enthält das zentrale Modell; Grafik oder Arbeitsblatt sind nur unterschiedliche Repräsentationen dieses Modells. Dadurch entfallen Mehrfacheingaben ebenso wie die damit verbundenen Abstimmungsaufwände und Fehler.

Weniger Aufwand, weniger Fehler

Ein weiterer Punkt beschleunigt den Anlagen-Entwicklungsprozess und verringert Aufwand und Fehler zusätzlich: die Bibliotheken, die die Engineering-Plattform zur Verfügung stellt. Neben vorgegebenen Standardsymbolen lassen sie sich auch mit unternehmenseigenen Shapes ergänzen. Das wiederum sorgt für einen umso höheren Standardisierungsgrad, je besser diese Bibliotheken gefüllt sind. Diese vorgefertigten Komponenten müssen dann nur noch per Drag&Drop in das Projekt gezogen werden. „Für die bei uns übliche modulare Zusammenstellung der Anlagen ist das eine großartige Unterstützung“, erklärt Fuhr. Besonders lobt der Abteilungsleiter das integrierte, transparente Änderungsmanagement. Zum einen profitiert es von der Standardisierung, zum anderen konnte es durch die Einführung eines neuen Asset Codes noch vereinfacht und beschleunigt werden. Mit Asset Code ist eine neue Strukturdefinition gemeint, also hauseigene Regeln für Equipment-Bezeichnungen. Für Wolfgang Fuhr schafft das komfortable grafische Markieren von Änderungen in Diagrammen eine bisher nicht gekannte Übersicht und trägt damit ebenfalls zur schnelleren Abwicklung bei.

Zukunftsvision Branchenstandard

Für die Zukunft planen die IT-Spezialisten bei Gebr. Pfeiffer noch weitergehend mit EB: „Wir würden das System gerne auch schon für die Angebotserstellung nutzen“, so Fuhr. Dabei generiert das ausschreibende Unternehmen per Knopfdruck aus dem Flowsheet in EB ein Tender-Projekt, das die Zulieferer in ihre EB-Datenbank einlesen können, um dort das Datenmodell mit ihren Angaben zu füllen. Datenblätter und Flowsheet sind miteinander verlinkt. Am Ende des Ausschreibungsprozesses vergleicht EBs Tendering Manager jedes einzelne Attribut der eingetragenen Objektdaten. In wenigen Minuten zeigt er die Unterschiede, die sonst in wochenlanger Arbeit gesichtet, sortiert und bewertet wurden – ohne Format- und Werkzeugübergänge, Papier und Excel-Listen.
Eine ERP-Schnittstelle wäre eine weitere Optimierung, die der oberste Datenverarbeiter anstrebt, das neue System sei offen dafür. Darüber hinaus denkt Fuhr an EB als Branchenstandard im Zementanlagenbau. „Es wäre wünschenswert, wenn sich das konkretisieren würde.“

Achema Halle 9.2 B12

Bildergalerie

  • Die größte Zementmühle Australiens MVR 6000 C-6 lieferte der deutsche Anlagenbauer Gebr. Pfeiffer. Zunehmende Internationalisierung fordert durchgängige Engineering-Lösungen.

    Die größte Zementmühle Australiens MVR 6000 C-6 lieferte der deutsche Anlagenbauer Gebr. Pfeiffer. Zunehmende Internationalisierung fordert durchgängige Engineering-Lösungen.

    Bild: Gebr. Pfeiffer SE

  • Diese Gasflow-PID, eine in der Prozesstechnik klassische Engineering-Grafik, ist Teil des Workflows mit Engineering Base.

    Diese Gasflow-PID, eine in der Prozesstechnik klassische Engineering-Grafik, ist Teil des Workflows mit Engineering Base.

    Bild: Gebr. Pfeiffer SE

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