Auf die Daten „hören“ Smarte akustische Sensorik in der Waferproduktion

Für die Überwachung des Zustands der Ventile setzte das Team zum einen auf einen akustischen Sensor, weil sich damit Unterschiede im Klang zwischen einem normal reagierenden und einem defekten Ventil feststellen lassen.

07.05.2021

Globalfoundries setzt in seiner Halbleiterproduktion in Dresden eine smarte Sensorik bei der Überwachung von Reinstwasserventilen ein, um eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen und so eine unterbrechungsfreie Produktion sicherzustellen. Die gewonnen Sensordaten trainieren eine künstliche Intelligenz, die Aussagen über den Betriebszustand des Ventils ermöglicht – dargestellt in übersichtlichen Dashboards in der Cloud.

Der US-amerikanische Halbleiterhersteller Globalfoundries betreibt in Dresden den größten Fertigungsreinraum Europas, es gilt als das größte und modernste europäische Halbleiterwerk. Hier werden Mikrochips für Kunden aus den Bereichen Automobil- und Fertigungsindustrie, Computer, Mobilfunk und Unterhaltungselektronik produziert. Die Mikrochips werden in Reinräumen in mehr als 1.000 Prozessschritten gefertigt.

Sowohl die Anlagen als auch jeder der einzelnen Fertigungsabschnitte werden dabei streng überwacht, um Ausfälle oder Qualitätsschwankungen in der Produktion zu vermeiden. Eine besondere Herausforderung dabei sind die Regelventile für Reinstwasser, einem wichtigen Versorgungsmedium in der Halbleiterproduktion. Die Wafer, aus denen die Chips gefertigt werden, werden in speziellen Becken mit Reinstwasser gesäubert, um sie von Chemikalienresten zu befreien. Der Zu- und Ablauf des Reinstwassers wird über Ventile geregelt.

Defekte an diesen produktionskritischen Ventilen waren bislang nicht vorhersehbar und konnten gegebenenfalls zu Störungen in der Produktion führen. Eine Kontrolle fand immer manuell vor Ort und mit hohem Zeitaufwand von erfahrenen Mitarbeiter*innen statt. Eine Vorhersage war so nicht immer verlässlich möglich, Wartungen und Reparaturen nicht planbar.

Komplexe Fehleranalyse

Das Werk läuft im 24/7-Modus. Wartungen oder gar Ausfälle verursachen Fertigungsunterbrechungen. Eine Störung oder der Ausfall eines Anlagenteils kann zu einer Kettenreaktion im gesamten Fertigungsprozess führen und finanziell schwerwiegende Folgen haben. Bei den Regelventilen führt ein Ausfall oder Defekt zu Druckschwankungen im jeweiligen System und damit zu Verletzungen des regelkonformen Betriebs – im schlimmsten Fall hat das negative Auswirkungen auf das Produkt.

Die Fehleranalyse bei Störungen war bisher sehr komplex, oft mussten verschiedenste Quellen analysiert werden und nicht selten mussten die Komponentenhersteller selbst die notwendigen Informationen auslesen. Es gab bis dato keine Indikatoren oder Messinstrumente, die eine Überwachung und Zustandsbewertung der Teilkomponenten des Ventils ermöglichten.

Smarte Sensorik

Um diesen Überwachungsprozess zu digitalisieren, startete Globalfoundries gemeinsam mit T-Systems MMS, Sensry, den Coderittern und Infineon ein Projekt im Rahmen der „Digital Product Factory“, einem dreimonatigem, methodisch geführten Co-Innovationsformat des Smart Systems Hubs, einem von zwölf Digital Hubs der Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Deutschland. Ziel war es, eine komplette IoT-Lösung – von der Sensorik über die Datenvorverarbeitung in einer Edge-Computing-Hardware bis hin zur Darstellung in Cloud-Dashboards – zu realisieren.

Besondere Herausforderungen dabei waren die Auswahl geeigneter Sensoren, die Implementierung von Machine-Learning-Algorithmen zur Früherkennung von Schäden und die Realisierung einer flexiblen Cloud-Plattform zur übersichtlichen Darstellung und Bewertung des Zustands der Ventile. Mit der Lösung sollen notwendige Wartungen rechtzeitig und ohne Produktionsausfall vorgenommen werden können.

Überwachung per Klanganalyse

Für die Überwachung des Zustands der Ventile setzte das Team zum einen auf einen akustischen Sensor, weil sich damit Unterschiede im Klang zwischen einem normal reagierenden und einem defekten Ventil feststellen lassen. Die geeignete akustische Sensorik stellt Infineon mit einem Mikrofon-Sensor bereit. Ein zusätzlicher Beschleunigungssensor des Fraunhofer Instituts für Elektronische Nanosysteme (ENAS) erfasst Vibrationen.

Für die Überwachung direkt vor Ort kam die hochintegrierte Edge-Hardware des Sensorikspezialisten „Sensry“ zum Einsatz. Die gewonnen Daten wurden durch Machine-Learning-Algorithmen vorverarbeitet, die gemeinsam mit den „Coderittern“, einem Dresdner IoT-Startup, entwickelt wurden. Die Übertragung der Daten in die Cloud und die übersichtliche Darstellung in Dashboards erfolgte mit der Plattform „Cloud Shopfloor Intelligence“ der T-Systems MMS. Damit sind die Daten zum Zustand der Anlagen in Echtzeit und remote abrufbar und können in weitere Prozessschritte integriert werden, beginnende Defekte können somit frühzeitig erkannt werden. Mit den gewonnen Sensordaten wird eine künstliche Intelligenz trainiert, die Aussagen über den Betriebszustand des Ventils ermöglicht.

Das entlastet nicht nur das Fachpersonal, sondern ermöglicht auch die frühzeitige und immer genauere Bestimmung und Planung des Wartungsbedarfs. Produktionskritische Kennzahlen können durch die Kenntnis des aktuellen Betriebszustandes und eine erhöhte Ausfallsicherheit besser eingehalten werden. Auch die Komponentenhersteller und Anlagenbauer profitieren von den gewonnenen Daten. Ein weiterer großer Vorteil: Das System funktioniert herstellerunabhängig, es ist keine Insellösung.

Bildergalerie

  • Eine besondere Herausforderung bei der Waferproduktion sind die Regelventile für Reinstwasser, einem wichtigen Versorgungsmedium in der Halbleiterproduktion.

    Eine besondere Herausforderung bei der Waferproduktion sind die Regelventile für Reinstwasser, einem wichtigen Versorgungsmedium in der Halbleiterproduktion.

    Bild: Globalfoundries

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