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Interview „Sicherheit und 
Dokumentation sind immer gefordert“

Bild: Recom
11.11.2015

Netzteile müssen in der Medizintechnik ganz bestimmten Ansprüchen genügen. Wieso es dabei als Hersteller nicht ausreicht, nur die Normen zu erfüllen, und welche Möglichkeiten es gibt, sich vor Plagiate zu schützen, darüber spricht Thomas Rechlin, Teamleiter Application Engineering bei Recom, im Interview.

E&E:

Was sind die speziellen Anforderungen, die in der Medizintechnik an Netzteile gestellt werden?

Thomas Rechlin:

Klassisch sind zwei Punkte immer gefordert. Zunächst einmal der Sicherheitsaspekt. Der hängt in der Regel von der Isolation ab. Hier muss man zwischen zwei Schutzklassen unterscheiden. Bei der Patientensicherheit werden zwei unabhängige Schutzmaßnahmen, auch Means of Patient Protection oder MOPP genannt, verlangt. Diese sind notwendig falls direkter Patientkontakt vorliegt. Besteht kein Patientenkontakt ist nur der reine Operatorschutz, also der Schutz für das Bedienpersonal nötig. Der nennt sich Means-of-Operator-Protection (MOOP).

E&E:

Können Sie den Unterschied an einem Beispiel veranschaulichen?

Thomas Rechlin:

Bei einer OP-Leuchte oder einem Kontrollmonitor reicht beispielsweise die reine Bedienersicherheit aus. Hier besteht kein direkter Kontakt zum Patienten. Sind bei einem Gerät hingegen direkt Sensoren an den menschlichen Körper angeschlossen, wie bei einem Messgerät, einem EKG zum Beispiel, dann benötigt man den doppelten Patientenschutz. Denn es muss gewährleistet werden, dass der Patient in keiner Situation durch die medizinische Gerätschaft zu Schaden kommen kann.

E&E:

Was ist neben dem Sicherheits-aspekt die zweite Forderung?

Thomas Rechlin:

Der zweite große Punkt, den die Kunden verlangen, ist Dokumentation. Also alles was mit Zertifikaten zusammenhängt. Je ausführlicher die Dokumentation ist, die man dem Kunden mit dem Produkt mitgeben kann, desto besser. Seien es Testreports von Zertifikaten, Risk-Management-Reports oder zusätzliche Testreports die gemacht wurden. Für den Kunden wird es damit viel einfacher seine Gesamtapplikation entsprechend zertifizieren zu lassen. In dem Bereich sehen wir einen Trend, dass Kunden sehr sehr viel an Dokumentation zu den Produkten dazu haben möchten.

E&E:

Recom hat dieses Jahr einige Produkte für die Medizintechnik herausgebracht. Steht die Medizintechnik in diesem Jahr im Fokus von Recom?

Thomas Rechlin:

Nicht direkt im Fokus. Die Medizintechnik ist generell ein wichtiges Marktsegment für uns. In der Tat haben wir aber im Frühjahr mit der REM3-, 6- und 10-Serie eine neue DC/DC-Familie auf den Markt gebracht, die sich von den Spezifikationen her nochmal von unseren bisherigen Produkten abhebt. Sie ist höher spezifiziert als es die Medizintechniknorm verlangt. Sie besitzt eine zweifache MoPP-Zertifizierung auch bis 250 VAC. Das ist bei DC/DC-Produkten jetzt nicht unbedingt Usus, wird von den Kunden aber mittlerweile gefordert. Konzentrieren möchten wir uns in diesem Jahr zusätzlich auf den AC/DC-Bereich. Dort werden wir noch zwei weitere Netzteile herausbringen.

E&E:

Wenn die Norm eigentlich geringere Anforderungen stellt, wieso verlangen ihre Kunden trotzdem höhere Schutzmaßnahmen?

Thomas Rechlin:

In der Regel hat man üblicherweise zwei Schutzmaßnahmen, zwei MOPP. Die werden üblicherweise auf der AC-Seite vom Netzteil schon erfüllt. In vielen Geräten gibt es zusätzlich dazu noch ein DC-Netzteil, das für eine Applikation ist, die direkt am Patienten hängt. Obwohl der doppelte Patientenschutz schon über das AC-Netzteil gegeben ist, möchten sich die Kunden zusätzlich absichern. Deswegen sollen eben auch die DC/DC-Wandler über zwei MOPP verfügen.

E&E:

Sie haben Normen erwähnt. Die Normierung ist ja ein sehr wichtiger Prozess. Wieviel Entwicklungszeit wird aufgrund einer Veränderung bei Normen benötigt?

Thomas Rechlin:

Das ist relativ schwierig zu beantworten. Das hängt immer von der Norm ab. Nehmen Sie das Beispiel der 60601. Die liegt mittlerweile in der dritten Edition vor. Die vierte steht allerdings schon ins Haus. Voraussichtlich wird sie 2017 kommen. Was wir bis jetzt von ihr wissen, bezieht sie sich im Kern auf die EMV-Normen. Teilweise gibt es da sehr radikale Verschärfungen. Das spricht dafür, dass sehr umfassende Anpassungen an Geräten nötig werden könnten. So wie wir sie verstehen, müssen die verschärften Maßnahmen allerdings nicht zwangsweise erfüllt werden. Weil die Norm einen definierten Ausfall des Produkts erlaubt. Nehmen wir zum Beispiel den Fall eines Surge-Impuls, der eigentlich von der Norm vorgegeben wäre. Kann der Patient dadurch nicht zu Schaden kommen, kann man einen definierten Ausfall in seinem Risikomanagement-Report vermerken ohne, dass ein Redesign oder eine Nachzertifizierung des Produkts nötig ist.

E&E:

Worum handelt es sich bei den beiden für Ende des Jahres angekündigten Netzteilen?

Thomas Rechlin:

Im Prinzip ist es eine Erweiterung der beiden, im Frühling vorgestellten, AC/DC-Netzteile. Allerdings mit etwas geringeren Leistungen von 40 und 65 W. Die Bauform ist ähnlich. Auch 3 x 2 Zoll. Sie erfüllen den höchsten Medizinstandart und erreichen den BF-Grad was den Leckstrom betrifft. Das ist für AC/DC-Netzteile so ziemlich die höchste Einstufung die man erreichen kann.

E&E:

Für welche Geräte wurden die Netzteile denn konkret entwickelt?

Thomas Rechlin:

Gedacht sind sie unter anderem für den Homehealthcare-Bereich. Dort sind die Geräte meist etwas kleiner und brauchen weniger Leistung. Außerdem wird das Thema Energieeffizienz mehr und mehr auch im Medizintechnikbereich relevant.

E&E:

Letztes Jahr hat Recom vor Plagiaten seiner Netzteile gewarnt. Ist das immer noch ein großes Thema?

Thomas Rechlin:

Leider ja. Insbesondere in den asiatischen Märkten. Es ist sehr schwer dort gegen die Hersteller von Plagiaten vorzugehen. Wir raten deshalb nur von Recom akkreditierten Distributoren zu kaufen. Außerdem versuchen wir es den Kopierern schwerer zu machen, indem wir das Recom-Logo im Gehäuse einprägen, anstatt es nur aufzudrucken.

E&E:

Welche Möglichkeiten gibt es noch, sich als Kunde zu schützen?

Thomas Rechlin:

Äußerlich sind Fälschungen kaum von Originalen zu unterscheiden, da Fälscher in der Regel besser Logos kopieren als Produkte entwickeln können. Es empfiehlt sich daher hier besonders wachsam zu sein. Vorsicht ist geboten, wenn Produkte, die bei großen Distributoren eine lange Lieferzeit haben, bei unbekannten Händlern schnell lieferbar sind. Ein weiteres Merkmal von Plagiaten ist der meist deutlich geringere Preis im Vergleich zu renommierten Adressen. In solchen Fällen ist eine gesunde Skepsis angebracht. Sollten Kunden einen Verdacht haben, bieten wir an, Wandler kostenlos auf Echtheit prüfen zu lassen.

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