Interview mit Johanna Schüßler, Bihl+Wiedemann „Safety sorgt für Effizienz“

Im A&D Interview: Johanna Schüßler, Produktmanagerin bei Bihl+Wiedemann.

Bild: Christian Vilsbeck, A&D
31.03.2017

Mit einem Master für Safety over EtherCAT setzt Bihl+Wiedemann seine Innovationsoffensive zur sicheren Bewegungsüberwachung von Antrieben fort. Produktmanagerin Johanna Schüßler verät im Gespräch mit A&D, was alles hinter den Safety Gateways steckt.

A&D:

Kaum eine Produktion kommt heute um eine sichere Bewegungsüberwachung herum. Welchen Herausforderungen begegnen dabei Maschinenbauer?

Schüßler:

Der häufigste Anwendungsfall für die sichere Bewegungsüberwachung ist der Wartungs- oder Einrichtbetrieb. Hierfür benötigen Maschinenbauer Lösungen, die sicher überwachen und gleichzeitig uneingeschränktes Arbeiten ermöglichen. Früher haben Entwickler mit starren Sicherheitskonzepten gearbeitet. Diese sind zwar einfacher, schalten aber die Antriebsenergie ab und es kommt zum Stillstand der Maschine. Das hat nicht selten dazu geführt, dass Schutzeinrichtungen manipuliert wurden. Mit einer sicheren Bewegungsüberwachung hingegen kann das Wartungspersonal selbst bei sich bewegenden Antrieben Arbeiten auf eine sichere Art und Weise verrichten. Und für manche Arbeiten müssen sich die Antriebe sogar bewegen.

Wie sieht die Innovationsoffensive von Bihl+Wiedemann für diese Herausforderungen aus?

Die sichere Bewegungsüberwachung ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat. Wir sind diesen Trend von Anfang an mitgegangen und haben seit 2010 viele innovative Produkte dafür entwickelt. Angefangen bei externen Drehzahlwächter-Modulen, die neben dem Antrieb sitzen und diesen überwachen, bis hin zu Gateways mit sicheren Protokollen, die als Safety Master Antriebe sicher steuern. Das neueste dieser Produktfamilie ist das FSoE Gateway. (Fail Safe over EtherCAT, Anmerkung der Redaktion)

Wie positioniert sich Bihl+Wiedemann mit den neuen Gateways gegenüber seinen Mitbewerbern?

Unser Vorteil ist, dass wir selbst keine Antriebe und auch keine standardmäßigen Steuerungen herstellen. Wir sind reiner Hersteller von Sicherheitskomponenten und somit unabhängig. Der Anwender kann seine Antriebe und Steuerungen frei wählen, unsere Sicherheitstechnik sitzt nebendran. Gerade kleine und mittlere Antriebshersteller, die FSoE in ihre Antriebe integriert haben, fragen sich oft, wo sie die sichere Steuerung herbekommen. Bisher lief das oft auf eine Steuerung von einem anderen Antriebshersteller hinaus, was unangenehm ist. Wir hingegen können mit verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten.

Welche Anstrengungen mussten Sie unternehmen, um die Sicherheitssteuerungen ins Gateway zu integrieren?

Für die sichere Antriebssteuerung war es notwendig, die Safety Monitore leistungsfähiger zu machen. Besonders die Hardware musste von ihrer Leistungsfähigkeit deutlich verbessert werden, um mit so vielen Antrieben kommunizieren zu können. Es war einfach deutlich mehr Power notwendig, um die verschiedenen Kommunikationsprotokolle handeln zu können.

Für welche Anlagengrößen sind die Safety Master ausgelegt?

Typischerweise für mittelgroße bis große Anlagen. Aber wir hatten durchaus auch schon einige Projekte mit kleineren Applikationen. Unsere Gateways sind modular und über Safe Link erweiterbar. In die kleineren Maschinen haben wir ein Gate­way mit einem AS-i Master integriert. Damit können bis zu 31 sichere EAs angeschlossen werden, was ausreichend für eine kleinere Maschine ist. Bei größeren Maschinen können wir auf zwei AS-i Kreise in einem Gerät gehen und somit die doppelte Anzahl an sicheren EAs ansprechen. Bei ganz großen Maschinen erweitern wir die Gateways, indem wir sie über Safe Link koppeln. Das heißt, vom Spektrum her können wir das alles sehr gut abdecken.

Was wären typische Applikationen dafür?

Im Prinzip sind sämtliche Anwendungen mit Schutztüren typisch dafür. Ein weiteres Beispiel sind Werkzeugmaschinen, bei denen eine Klappe geöffnet wird, um Material einzulegen oder fertiges Material zu entnehmen. Da darf nicht jedes Mal die ganze Maschine abschalten, nur um die Klappe öffnen zu können. Mit der sicheren Steuerung wird die Drehzahl heruntergefahren oder in einen sicheren Stopp gebracht und überwacht. So kann schneller weitergearbeitet werden. Das geht dann zusätzlich noch in Richtung mehr Effizienz.

Wie hilft Bihl+Wiedemann dabei, die Komplexität in der funktionalen Sicherheit zu entschärfen?

Die Sicherheitstechnik wird mittlerweile immer stärker automatisiert. Das macht sie komplexer, aber auch viel flexibler. Heutzutage lässt sich die Sicherheitstechnik viel besser auf die Bedürfnisse der Anwender anpassen, und das ist eine tolle Sache. Natürlich muss der Anwender die Sicherheitstechnik gut überblicken können. Deshalb ist es sehr wichtig, dass diese nicht zu komplex wird. Aus diesem Grund haben wir kürzlich eine komplett überarbeitete Software auf den Markt gebracht, die genau das zum Ziel hat: Den Benutzer zu führen und vorzugeben, welche Funktionen in welcher Konstellation möglich sind.

Wie soll das funktionieren?

Über einen Hardware-Katalog in unserer Software wählt der Anwender die Sensoren aus, die er anschließen möchte. Wird das Steuerungsprogramm erstellt, bekommt der Programmierer nur das zu sehen, was mit den angeschlossenen Sensoren möglich ist. Es werden auch Defaults, also Voreinstellungen, vorgenommen. Belässt der Programmierer es dabei, hat er gleich eine sinnvolle Konfiguration. Damit wollen wir die Hürde, in die Programmierung der Sicherheitstechnik einzusteigen, gezielt senken.

Welche Rolle spielt Safe Link in Zukunft?

Safe Link ist ein proprietäres Protokoll, das wir entwickelt haben, um unsere Sicherheitsmonitore miteinander zu vernetzen. Vom Erfolg des Protokolls waren wir selbst überrascht. Dass es so erfolgreich ist, mag daran liegen, dass Safe Link einfach beherrschbar ist. Zwei sichere Steuerungen lassen sich auf der Feldbusebene zwar auch miteinander koppeln. Das ist aber meistens recht aufwändig. Mit unseren Gateways und Safe Link geht die sichere Kopplung ganz einfach über Ethernet. Angewendet wird es, um eine Anlage zu erweitern, weil ein Gateway etwa nicht alles abdecken kann, oder, sehr häufig auch zum Koppeln von benachbarten Maschinenteilen. Was Maschinenbauer früher mit potenzialfreien Kontakten auf beiden Seiten und parallel verdrahtet gemacht haben, geht jetzt mit einem Ethernet-­Kabel. Damit können bis zu 31 Informationen in beide Richtungen geschickt werden, was viel flexibler ist. Wir haben Safe Link standardmäßig in allen unseren Safety Monitoren drin.

Bihl+Wiedemann hat jetzt Safety Gateways für CIP Safety über Sercos, für Profi­safe und nun auch für FSoE. Wann kommt das Gateway für Opensafety?

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir darüber schon nachgedacht haben. Das wird wahrscheinlich irgendwann kommen, es gibt aber noch keinen Zeitplan dafür.

Werden Sicherheitssteuerungen auf Basis von SPSen in Zukunft überflüssig?

Nein, soweit würde ich mich nicht aus dem Fenster lehnen wollen. Je nach Applikation sind unterschiedliche Konzepte sinnvoll. Wir haben ja auch Safety
Gateways, die auf der Feldbus­ebene kein Safety Master, sondern Safety Slaves sind und als Zulieferer zur SPS arbeiten. Der Vorteil für die Kunden ist, dass sie aus beiden Möglichkeiten wählen können, und das wird auch weiterhin so bleiben.

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