Verfahrenstechnik Reise durch den Ofen

05.02.2014

Ein neues Abkühlungsverfahren steigert die Effizienz von Rollenherd-Durchlauföfen um mindestens zehn Prozent. Die Düsentechnologie ermöglicht die Wärmebehandlung von geschweißten und kalt gezogenen Stahlrohren schneller oder auf einer kürzeren Strecke.

Bisher begrenzt meistens die Kühlstrecke die Kapazität einer Durchlauf­ofen-Anlage für geschweißte oder kalt gezogene Rohre. Um ein kalt verfestigtes Stahlrohr weich zu glühen oder zu normalisieren, muss man das Werkstück während seiner Ofenreise auf eine Temperatur von bis zu 960 °C erhitzen. Anschließend kühlt es in der Kühlzone ab, die in etwa doppelt so lang wie die Heizzone ist. Strahlung und natürliche Konvektion führen die Wärme ab. Kühlwasser in dem Doppelmantel dieser Strecke nimmt die Energie auf und gibt sie über einen externen Kühlturm wieder ab. Abhängig von der jeweiligen Legierung soll der Übergang von heiß nach kalt allmählich oder eher abrupt sein. Für das leichte Handling der Rohre strebt man eine Austrittstemperatur von 60 °C bis 150 °C an.

Wenn die Rohe aus dem Ofen austreten, haben sie je nach Wärmebehandlung noch eine Temperatur von 800 °C bis 930 °C. Entsprechend folgt auf die Erwärmungszone in der Regel die Kühlzone. Dort führen wassergekühlte Wände die Wärme ab. Bei einer Erwärmungszone von 25 m mit anschließender Kühlstrecke von 60 m dauert der komplette Durchlauf je nach Rohrabmessung mehrere Stunden.

Den Kühleffekt erhöhen

Die Auslegung der Ofenanlage stellt häufig den Engpass der Produktionskapazität dar. Gleichzeitig sind die Potenziale der Wasserkühlung im Wesentlichen ausgereizt. Andere Möglichkeiten wie der Einsatz von Ventilatoren über den gesamten Kühlstreckenbereich bergen gewisse Risiken in Bezug auf Qualität und Sicherheit, da Umgebungsluft angesaugt wird. Um die Abkühlung der Rohre bei gleichbleibender Qualität dennoch zu beschleunigen, setzte Linde bei der Schutzgas-Atmosphäre an. Schutzgase werden im konventionellen Betrieb eingesetzt, um Oxidationen zu vermeiden sowie den Randkohlenstoffgehalt zu beeinflussen.

Beim Carbocat-Verfahren ersetzt man das bislang im Ofenbereich eingespeiste Schutzgas im Rahmen eines Zonenbegasungskonzepts zum größten Teil durch hochreinen Stickstoff. Diese speist man hauptsächlich in die Kühlstrecke ein, lediglich etwa 20 Prozent des gesamten Bedarfs an Schutzgas werden in der Heizzone des Ofens als Endogas mittels Spaltretorten erzeugt. Der Vorteil: Anders als ein herkömmliches Schutzgas braucht der Stickstoff im Ofen nicht energieintensiv erwärmt zu werden. Stattdessen wird er mit Raumtemperatur eingespeist und trägt selbst zur Abkühlung der Rohre bei, was die Kühlstreckenleistung verbessert. Das im Ofenraum erzeugte Endogas ist prozessbedingt bereits heiß und braucht nicht, wie sonst bei externen Anlagen notwendig, abgekühlt und wieder erwärmt zu werden. Das steigert die Effizienz des Gesamtsystems.

Linde hat nun ein Verfahren entwickelt, bei dem die Schutzgas-Atmosphäre am Ausgang der Kühlstrecke abgesaugt, rückgeführt und über Verdichter wieder in den Prozess eingebracht wird. Der zusätzliche Kühleffekt geht in diesem Fall auf die verstärkte Gasströmung längs der Kühlstrecke zurück. Dabei gilt: je höher die Strömungsgeschwindigkeit, desto stärker die Kühlwirkung.

Querströmung gegen 
Wärmestau

Bei der Entwicklung der neuen Lösung standen deshalb vor allem zwei Ziele im Fokus: hohe Strömungsgeschwindigkeiten bei konstanter Atmosphären-Qualität und ein optimales Zirkulationsverhalten. Möglich wird dies durch eine völlig neuartige Anordnung spezieller Düsen: Sie sitzen rechts und links in den Seitenwänden oder den Decken der Kühlstrecke. So entstehen Querströmungen, die einen Wärmestau an der Tunneldecke vermeiden. Darüber hinaus entwickelt sich zwischen den gegenüberliegenden Austrittskegeln eine zusätzliche Saugwirkung, die für eine gleichmäßige Gasbewegung im gesamten Raum der Kühlzone sorgt. So verhindert man, dass sich die Rohre einseitig abkühlen oder verziehen.

Im Unterschied zu anderen Verfahren sind bei dieser neuen Lösung keine bewegten Teile mehr nötig, was Verschleiß und Wartungskosten im gesamten Prozess reduziert. Im Ofeninneren entstehen zudem durch die weit gefächerte Anordnung der Carbojet-Düsen keine starken Unterdrücke wie bei früher verwendeten Jetkühlern. Das heißt, die Gefahr möglicher Leckagen wird minimiert und die Sicherheit und Qualität der Atmosphäre ist jederzeit gewährleistet.

Die Technologie kann man ohne großen Installationsaufwand und somit auch ohne nennenswerten Produktionsausfall in vorhandene Rollenherd-Durchlauf­öfen einbauen. Die Herausforderung liegt vielmehr in der komplexen Berechnung der Düsenpositionen. Stehen diese fest, bohrt man für jede einzelne Düse ein Loch in einen unkritischen Bereich der Kühlstrecke. Die Lanze mit der Düse passt man dann gasdicht ein. Das System ist universell bei jeder Schutzgasart einsetzbar. Geeignet ist es sowohl für den Betrieb mit reinem Stickstoff als auch mit einer Kombination mit Exo- oder Monogas und Wasserstoff. Auch eine Kombination mit dem Carbocat-Verfahren zur katalytischen Erzeugung von Schutzgas ist möglich.

Deutliche Kapazitäts­steigerungen

Die Gasmengen bleiben mit dem neuen System gegenüber dem konventionellen Betrieb unverändert. Durch die wesentlich höhere Kühlwirkung steigert sich die Kapazität deutlich. Das bedeutet: Entweder läuft der der Kühlprozess schneller ab, bis die bisherigen Temperatur am Ausgang erreicht ist, oder die Austritts-Temperatur der Rohre ist bei gleicher Durchlaufzeit niedriger. Eine seit knapp zwei Jahren laufende Installation bei dem Kunden Železiarne Podbrezová in der Slowakei hat die Erwartungen bestätigt. Nach den bisherigen Erfahrungen von Linde liegen die Effizienzsteigerungen durch das Verfahren bei mindestens zehn Prozent. Durch einfache Umbauten lässt sich dieser Wert verdoppeln, vorausgesetzt die Heizkapazität lässt dies zu. Abhängig von den Rohrdimensionen und der Legierung hat Linde in Einzelfällen auch schon 30 Prozent realisiert. Legt man zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit einen Maschinenstundensatz von beispielsweise 500 Euro bei einer Stundenleistung von 4 t zugrunde, ließen sich mit dem neuen Linde-Verfahren in derselben Zeit mindestens 4,4 t produzieren. Lediglich die Mehrmenge an Energie zur Erwärmung des Materials wäre zur berücksichtigen. Und nicht zuletzt können neue Öfen kleiner und damit platz- und materialsparender dimensioniert werden.

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