Magnettechnologie Reed-Schalter versus Hall-Sensor: Vor- und Nachteile im Vergleich

Für welche Anwendung eignen sich Hall-Sensoren, für welche Reed-Schalter besser?

Bild: iStock, serazetdinov
20.11.2019

Die Nachfrage nach Reed-Schaltern hat jüngst stark zugenommen. Das liegt vor allem an deren mechanischem Aufbau, der bei Passivität keinerlei Energieressourcen verbraucht. Im Vergleich zum Hall-Sensor ist er deshalb eine attraktive Alternativlösung für Anwendungen, in denen etwa Energieeffizienz und niedriger Stromverbrauch eine zentrale Rolle spielen.

Reed- und Hall-Technologie folgen einem jeweils eigenen Konstruktionskonzept. Zwar werden beide durch ein externes Magnetfeld angesteuert beziehungsweise aktiviert, tatsächlich befindet sich im Hall-Sensor jedoch ein Stromkreislauf, der auch im passiven Zustand mit Strom versorgt werden will, weil sein Konstruktionsprinzip die Bereitstellung eines Ausgangssignals vorsieht.

Beim Reed-Sensor handelt es sich dagegen um einen mechanischen Schalter, der erst durch einen Spannungsimpuls aktiviert wird, um eine Last zu schalten. Wird er das nicht, verbraucht er keinerlei Strom. Dieser Hauptunterschied hat verschiedene Konsequenzen für den Einsatz der beiden Technologien in konkreten Anwendungen.

Technologien mit Potenzial

„Im Zuge der Energiewende, die sich bei der Herstellung von Endgeräten an den Maßstäben der Energieeffizienz orientieren muss, ist die Nachfrage nach Sensoren auf Reed-Basis in der jüngsten Vergangenheit stark angestiegen“, berichtet Martin Reizner, Product Manager Magnetic Position Sensors EMEA beim Sensorik-Hersteller Standex Electronics. Ein Ende dieser Entwicklung sei nicht abzusehen. „Insbesondere bei weißer Ware, wie Geschirrspülern oder Kühlschränken beziehungsweise batteriebetriebenen Anwendungen steigen immer mehr Hersteller auf die Reed-Technologie um.“

Im Vordergrund steht bei den Sensorik-Herstellern wie auch bei den Kunden deshalb die Minimierung des Stromverbrauchs der Applikation, der durch den Einsatz der Reed-Technologie anwendungsgerecht optimiert beziehungsweise reduziert werden kann. Fakt ist: „Beide Technologien haben ihre Daseinsberechtigung“, sagt Reizner. Er vertritt die Meinung, dass sich Hall-Sensoren vor allem für Hochgeschwindigkeitsanwendungen größer 1 kHz besser eignen, weil hier der Reedkontakt an seine physikalischen Grenzen gerät.

Für Anwendungen mit Frequenzen kleiner 1 kHz empfiehlt Reizner dagegen den Reed-Schalter. Dazu zählt etwa ein Durchflusszähler, der etwa in weißer Ware zum Einsatz kommt. Auch wenn für Reed-Schalter noch kein normierter Sicherheitsstandard existiert und jede Anwendung über eine gesonderte Autorisierung und Sicherheitsfreigabe verfügen muss, hat er jedoch im Vergleich zum Hall-Sensor einen großen Vorteil: die Schalthysterese.

Beispiel: Wasserdurchfluss

Physikalisch bedingt verfügt der mechanische Reed-Schalter über eine Schalthysterese. Sie beschreibt die Differenz zwischen dem Ein- und den Ausschaltpunkt eines Reed-Schalters. Das heißt: Erreicht der vorbeifahrende Magnet zum Beispiel einen vordefinierten Einschaltpunkt von 5 mm Entfernung zum Reed-Schalter, schlagen dessen Paddel zusammen. Der Reed-Schalter ist aktiv. Bewegt sich der Magnet weiter, bis er die vordefinierte Abschaltposition von 7 mm erreicht, schaltet er sich erst hier wieder ab. Die Schalthysterese beträgt also 2 mm.

In bestimmten Anwendungen kann das erwünscht sein, zum Beispiel in einem mit einem Flügelrad ausgestatteten Wasserdurchflussmesser auf Reed-Basis. Dieser ist auch dann gegen zufällige Wellenbewegungen des Wassers resistent, wenn das Flügelrad durch sie leicht bewegt wird. Von Herstellerseite ist es in diesem Fall nicht erwünscht, dass hier eine Schaltung stattfindet, folglich also gemessen werden würde. Der Wasserdurchfluss muss also erst eine gewisse Stärke erreichen, bis geschaltet beziehungsweise gezählt wird.

Mit anderen Worten: Bewegt sich der Reed-Schalter innerhalb der Hysterese, zählt er keine Wassereinheiten. Dagegen kennt der Hall-Sensor keine Schalthysterese und keine unterschiedlichen Ein- und Ausschaltpunkte. Er würde bei der geringsten Wasserbewegung sofort reagieren.

Reed und Hall im detaillierten Vergleich

Der mechanische Aufbau wirkt sich auch auf die Kostensituation des Reed-Schalters aus. Er ist kostengünstiger herzustellen als der Hall-Sensor, der unter anderem die zusätzlich erforderliche Außenbeschaltung, die Signalverstärkung, die Temperaturstabilisierung, den Kurzschlussschutz sowie den Stromverbrauch in der Kalkulation berücksichtigen muss. Auch wenn der Reed-Schalter nicht ganz an die kleinste Baugröße des Hall-Sensors herankommt. Der aktuell kleinste Reed-Schalter besitzt eine Glaslänge von knapp 4 mm und ermöglicht dadurch ein kompaktes Reed-Design, das an Hall-Dimensionen heranreicht.

Der Reed-Schalter selbst ist von einer Glashülle umgeben, die mit Schutzgas – in der Regel Stickstoff – befüllt ist. Dieser Aufbau wird zusätzlich durch ein stabiles Gehäuse geschützt. Glas und Gehäuse riegeln den Reed-Schalter hermetisch vor äußeren Umwelteinflüssen wie Staub, Öl, Wasser, chemischen Substanzen ab, die sich negativ auf seine Funktion auswirken könnten, und verhindern Korrosion.

Auch unter extremen thermischen Bedingungen wie zum Beispiel Hitze oder Kälte hat der Reed-Schalter Vorteile. Während hier Arbeitsleistung und Zuverlässigkeit des Hall-Sensors nachlassen, gewährleistet der Reed-Schalter im Temperaturbereich von -65 bis 150 °C (Hall-Sensor -55 bis 125 °C) eine reibungslose Funktion.

Der mechanische Charakter des Reed-Schalters macht ihn gegen elektronische Störfelder immun. Er benötigt im Gegensatz zum Hall-Sensor keinen Schutz gegen elektromagnetische Entladung (ESD, electromagnetic discharge). Das sorgt für eine hohe elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) in Bezug auf benachbarte, systemrelevante Geräte, über die der Hall-Sensor nicht verfügt, weil er von seinem Grundprinzip her ein Ausgangssignal zu liefern hat, das eine fortwährende Stromversorgung erforderlich macht.

In diesem Fall sind besondere EMV-Vorkehrungen zu treffen, um den Hall-Sensor von Nachbargeräten zu isolieren. Die Schwierigkeit liegt hier insbesondere beim Auftreten von Leckströmen. Ein spezieller ESD-Schutz ist deshalb unumgänglich.

Die maximale Isolation eines Reed-Schalters liegt bei 1.015 Ω. Er übertrifft damit die Isolationswerte eines Hall-Sensors um ein Vielfaches. Trotzdem treten auch beim Reed-Sensor Leckströme auf. Diese liegen jedoch im Fempto-Ampere-Bereich, der sogar in der Medizintechnik toleriert wird. Das mechanische Prinzip des Reed-Schalters ermöglicht deshalb im Umkehrschluss auch die Messung von kleinsten Strömen. Dafür sorgt auch der geringe Übergangswiderstand von 50 mΩ. Hall-Sensoren erreichen hier Hunderte von Ohm.

Die grundsätzliche Bandbreite der möglichen Lastfälle, die mit einem Reed-Schalter geschaltet werden können, ist enorm: Sie erstreckt sich vom Nano-Volt-Bereich bis in den Kilovolt-Bereich, von Fempto-Ampere bis Ampere und ermöglicht Frequenzen bis 10 GHz. Selbst kleinste Reed-Schalter sind in der Lage, Spannungen von bis zu 1.000 V zu isolieren. Dafür ist keinerlei ESD-Schutz erforderlich.

Es gibt größere und kleinere Reed-Schalter mit unterschiedlichen Amperewindungen (AW) und Hysteresen bezüglich der Magnetentfernung oder der Magnetgröße. Aufgrund seines Funktionsprinzips lassen sich diese Reed-Parameter an viele Anforderungen anpassen.

Diesbezüglich ist der Hall-Sensor im Nachteil. Nimmt man einen programmierbaren Hall-Chip, kann er mithilfe einer Software diese Schwäche zwar etwas kompensieren, insgesamt bleibt er aber hinter dem Reed-Schalter zurück, wenn es um anwendungsgerechte Konfiguration geht.

Dafür eignet sich der Hall-Sensor für Applikationen mit Frequenzen größer 1 kHz. Dazu gehören unter anderem Hochgeschwindigkeitssensoren zur Drehzahlmessung. Wegen der nicht vorhandenen Schalthysterese bietet der Hall-Sensor hier eine deutlich höhere Wiederholgenauigkeit in der Signalmessung.

Damit einher geht auch eine deutlich längere Lebensdauer. Mit über 500 Millionen Schaltzyklen übertrifft der Hall-Sensor in diesem Einsatzbereich die Reed-Technologie um Klassen. Ist es jedoch das Ziel des Reed-Schalters, überwiegend kleine Lasten unter 5 V zu schalten, wie es etwa in Zähler-Anwendungen der Fall ist, dann lassen sich mit dem Reed-Schalter Schaltzyklen in Milliardenhöhe realisieren.

Bildergalerie

  • Mit der Cent-Münze werden die Größenverhältnisse deutlich. Der weltweit kleinste Reed-Sensor (rechts) von Standex Electronics reicht mit 4 mm Größe (Glaslänge) an die Dimensionen des Hall -Sensors (links) heran.

    Mit der Cent-Münze werden die Größenverhältnisse deutlich. Der weltweit kleinste Reed-Sensor (rechts) von Standex Electronics reicht mit 4 mm Größe (Glaslänge) an die Dimensionen des Hall -Sensors (links) heran.

    Bild: Standex Electronics

  • Hall-Effekt: In einem stromdurchflossenen Leiter, in dem senkrecht zur Stromrichtung ein magnetisches Feld wirkt, wird senkrecht zu den elektrischen und magnetischen Feldlinien eine Spannungsdifferenz aufgebaut.

    Hall-Effekt: In einem stromdurchflossenen Leiter, in dem senkrecht zur Stromrichtung ein magnetisches Feld wirkt, wird senkrecht zu den elektrischen und magnetischen Feldlinien eine Spannungsdifferenz aufgebaut.

    Bild: Standex Electronics

  • Ein Reed-Schalter besteht aus zwei überlappenden ferromagnetischen Schaltzungen, die hermetisch in ein Glasröhrchen eingeschmolzen werden. Wirkt ein Magnetfeld auf den Schalter, bewegen sich die Paddel aufeinander zu – der Schalter schließt.

    Ein Reed-Schalter besteht aus zwei überlappenden ferromagnetischen Schaltzungen, die hermetisch in ein Glasröhrchen eingeschmolzen werden. Wirkt ein Magnetfeld auf den Schalter, bewegen sich die Paddel aufeinander zu – der Schalter schließt.

    Bild: Standex Electronics

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