Expertenkommentar von Uwe Scheuermann, Semikron „Rechenleistung alleine reicht nicht aus, um reale Module nachzubilden“

Uwe Scheuermann ist Senior Manager Product Reliability bei Semikron

Bild: Tilman Weishart
04.10.2018

Simulationstools werden immer feiner und die hohe verfügbare Rechenleistung verspricht auch komplexe Zusammenhänge in Elektronik darstellbar zu machen. Beides alleine reicht allerdings nicht aus, um Leistungsmodule vollständig zu simulieren. Welche Probleme es gibt, erklärt Professor Uwe Scheuermann, Senior Manager Product Reliability bei Semikron.

Bei Semikron setzen wir im Rahmen der Produktentwicklung unserer Leistungsmodule die Finite Elemente Plattform von Ansys ein. Diese Software erlaubt die Analyse in unterschiedlichen physikalischen Domänen, also der mechanischen, thermischen oder elektrischen Eigenschaften und auch eine gekoppelte Simulation ist möglich. Auf den ersten Blick hat der Fortschritt bei der Rechenleistung eine Stufe erreicht, die eine realistische Modellbildung für leistungselektronische Module erlaubt. Bei genauere Hinsehen, zeigt sich allerdings, dass allein die Rechenleistung nicht ausreicht, um die komplexen Wechselwirkungen in realen Modulen nachzubilden.

Wie schwierig das ist, zeigt sich bereits dadurch, dass die in Leistungsbauelementen freigesetzte Verlustleistung selbst temperaturabhängig ist. Die verbreitete Annahme bei thermischen Simulationen, dass sich die Verlustleistung gleichmäßig auf parallele Chips verteilt, ist selten realistisch. Eine vollständig gekoppelte elektro-thermische Simulation, die die Stromverteilung auf dem Chip und zwischen parallelen Chips mit einer temperaturabhängigen exponentiellen Strom-Spannungskennlinie (Dioden, IGBTs) korrekt abbildet, ist nur mit tiefen Eingriffen in die Software möglich. Dafür ist auch ein erheblicher Aufwand bei der Modellerstellung notwendig.

Aber auch wenn man näherungsweise eine temperaturunabhängige Verlustleistungsdichte in den Bauelementen annimmt, führt die Modellierung des thermisch-mechanische Verhaltens von Leistungsmodulen schnell zu einem fundamentalen Problem: die Bestimmung der stressfreien Temperatur für einen Stapel von Lagen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten. Dazu muss der Herstellungsprozess nachgebildet werden und die plastischen oder sogar viskoplastischen Eigenschaften von Materialien und Verbindungsschichten müssen bekannt sein. Gerade die Bestimmung der temperaturabhängigen Materialeigenschaften und die Validierung an realen Proben stellt einen erheblichen Aufwand dar. Dieser ist allerdings unerlässlich, wenn man von relativen Aussagen zu realitätsnahen Simulationsmodellen übergehen möchte.

Um die erwähnten Probleme anzugehen, wäre die Bildung eines Netzwerks zum Austausch von validierten temperaturabhängigen Materialparametern zwischen Experten aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie wünschenswert. In dem ECPE Workshop „The Future of Simulation in Power Electronics Packaging for Thermal and Stress Management“ werde ich zusammen mit Professor Bernhard Wunderle von der Technischen Universität Chemnitz die Bildung eines solchen Netzwerks anregen. Der Workshop findet am 20. und 21. November 2018 in Nürnberg statt. Er wird sich außerdem mit den Erwartungen von Simulationsexperten in Europa für die Zukunft der Simulation in der Aufbau- und Verbindungstechnik von Leistungsmodulen auseinander-
setzen.

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