Verfahrenstechnik Raus aus der kältetechnischen Eiszeit

22.03.2013

Eine gute Kälteanlage sorgt für optimale Produktionsergebnisse in der Prozessindustrie - und spart Geld. 115.000 Euro sind es konkret bei einem Kunststoffverarbeiter, dessen alte Anlage immer für den kältetechnischen Worst Case arbeitete. Nun passt sich die Kälteleistung an die tatsächliche Außentemperatur an und kühlt nicht mehr als nötig.

Viele Produktionsschritte der Prozesstechnik - zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie oder der Kunststoffverarbeitung - sind auf ein definiertes Temperaturfenster angewiesen. Um dieses zu erzeugen, braucht man eine Kälteanlage. Allerdings gibt es gibt es hier große Unterschiede in der Energieeffizienz. Dabei können Unternehmen erhebliche Energiemengen und damit auch Betriebskosten einsparen, wenn sie neueste Kältetechnik und eine maßgeschneiderte Kälteanlage einsetzen. Die Kältetechnik hat in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Die Anlagen sind mit energiesparenden Antrieben ausgestattet und mit elektronischen Steuerungen, die bedarfsgerecht einzelne Prozesse und Anlagenteile zu- und abschalten beziehungsweise sie auf den Punkt genau regeln. Einzelne Komponenten wie zum Beispiel Wärmetauscher werden verstärkt mit Blick auf die Effizienz ausgewählt. Außerdem kann man Anlagen heute sehr viel genauer auslegen. �?ltere Kälteanlagen sind häufig überdimensioniert, nicht an den Produktionsprozess angepasst und verbrauchen so viel Energie.Ein Unternehmen der Kunststoffverarbeitung, das unter anderem im Thermoforming und in der Folienextrusion tätig ist, plante die Erneuerung der vorhandenen Kälteanlagen und bat L&R um ein Angebot. Vor Ort wurden die Grundparameter ermittelt: eine Wasservorlauftemperatur von 12°C, eine Rücklauftemperatur von 17°C und eine Kühlleistung von 650kW. Die L&R-Ingenieure erarbeiteten auf der Basis der vorhandenen Leistungsdaten eine Lösung, die dem Anwender verschiedene Möglichkeiten der Energieeinsparung aufzeigte.

Drei Stellschrauben für Effizienz

Dabei wurden vor allem drei Maßnahmen vorgeschlagen: eine Winterentlastung durch freie Kühlung, eine gleitende Kondensationstemperaturregelung mit der Vari-Kon-Steuerung und Verbraucherpumpen mit drehzahlgeregelten Antrieben. Die vorhandene Kältemaschine wurde - wie die meisten Kälteanlagen - mit einer festen Kondensationstemperatur betrieben, die in der Regel bei ca. 47°C liegt. Diese Temperatur benötigt man jedoch nur bei sehr hohen Außentemperaturen von ungefähr 35°C. Die Anlage arbeitete also immer für den kältetechnischen Worst Case, der nur an wenigen Tagen im Jahr vorkommt. Energetisch sinnvoller ist es, die Kondensationstemperatur den tatsächlichen Außentemperaturen anzupassen. Diese Möglichkeit ist mit der Vari-Kon-Steuerung gegeben. Sie senkt die Kondensationstemperatur über den Großteil der jährlichen Betriebszeit und reduziert die Leistungsaufnahme der Verdichter - der Energieverbrauch sinkt. Bei einer Außentemperatur von 14°C wird die Anlage beispielsweise nur noch mit einer mit einer Kondensationstemperatur von 26°C gefahren und nicht mit 47°C. Für den Kunststoffverarbeiter wurden zwei Kälteanlagen vom Typ WRK-BS-300-S-2 mit insgesamt vier Verdichtern projektiert, die bei einer Außentemperatur von 35°C eine Leistungsaufnahme von 139,2kW aufweisen. Bei 14°C Außentemperatur reduziert sich die Leistungsaufnahme auf 81,2kW. Anhand der Durchschnittstemperaturen ließ sich errechnen, dass der Anwender durch die Vari-Kon-Steuerung bei 24-Stunden-Betrieb und einem angenommenen Strompreis von 0,12Euro/kWh mehr als 63.400 Euro pro Jahr einsparen kann. Wird eine Kälteanlage mit einem zusätzlichen Freikühler ausgestattet, der in der kälteren Jahreszeit zur Kühlung genutzt wird, kann man die Laufzeit der Verdichter ebenfalls deutlich reduzieren. In der Übergangszeit fahren die Kältemaschine und der Freikühler im Mischbetrieb. Bei Außentemperaturen von unter 7°C kann man komplett auf die Kältemaschine verzichten und erzeugt die erforderliche Kälte ausschließlich über den Freikühler. Berechnungen von L&R zufolge konnte der Anwender hier nochmals mehr als 52.000 Euro sparen. Auch die Auswahl des für den Einsatzfall richtigen Kältemittels und die bedarfsgerechte, energieoptimierte Auslegung der Anlage sind wichtige Kriterien. Einsparungen von bis zu 30Prozent der Verdichterantriebsenergie sind hier möglich. L&R projektierte die Anlage mit dem Kältemittel R-134a und setzt in den Kondensatoren drehzahlgeregelte Ventilatoren ein, die ihre Kühlleistung dem aktuellen Bedarf anpassen. Neben der Energieeffizienz bietet das Kältemittel den großen Vorteil, dass die Anlagen selbst bei hohen Außentemperaturen mit deutlich geringeren Drücken betrieben werden, was für die Lebensdauer der Komponenten von Vorteil ist.

Amortisiert in wenigen Monaten

Die Mehrkosten der Vari-Kon-Steuerung amortisieren sich in weniger als einem Monat, für den zusätzlichen Freikühler wurde inklusive Montage eine Amortisationszeit von weniger als einem Jahr berechnet. Das sind durchaus typische Zeiträume für den Return on invest bei derartigen Energiesparmaßnahmen, und damit stand für den Anwender fest, sich für diese Optionen zu entscheiden. Als weitere Energiesparmaßnahme wurde die Ausrüstung der 15-kW-Verbraucherpumpen mit drehzahlgeregelten Antrieben vorgeschlagen. Die Pumpen laufen dann mit konstanten Betriebsparametern und passen sich im Schwachlastbetrieb den Bedingungen an. Dies senkt die aufgenommene elektrische Leistung des Pumpenmotors um bis zu 30Prozent. Hier liegt der Amortisationszeitraum bei mehreren Jahren. Aber auch diese Maßnahme rechnet sich unterm Strich. Zudem haben die drehzahlgeregelten Pumpen den Vorteil, dass in jedem Betriebszustand dieselben Drücke anliegen, da die Pumpenleistung sich selbsttätig dem Bedarf anpasst.

Warme Büros dank der Kühlung

Eine Option, die man bei einer Modernisierung immer bedenken sollte, ist die Wärmerückgewinnung: Die anfallende Abwärme aus der Werkzeug- oder Hydraulikkühlung kann zum Beispiel für die Beheizung von Hallen, Büros oder als Prozesswärme genutzt werden. Um Energiesparpotenziale bei vorhandenen Anlagen zu erkennen, bieten die L&R-Ingenieure einen kostenlosen Effizienz-Check an, der eine erste Einschätzung erlaubt, wie schnell sich ein Retrofit amortisiert. Zudem ist die Erneuerung alter Kältetechnik durch energieeffiziente Kühlanlagen förderfähig; ein Investitionszuschuss von 15 Prozent durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist möglich. Voraussetzung für die Beantragung ist ein Gutachten durch unabhängige Institute, zu denen L&R bei Bedarf den Kontakt vermittelt.

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