Mikroelektronik der Zukunft Radartechnik aus dem Drucker

Das Forschungslabor am KIT entwickelt neue Fertigungstechniken der Aufbau- und Verbindungstechnik für die Höchstfrequenzelektronik.

Bild: Joachim Hebeler, KIT
07.02.2019

Das Auto mithilfe von Radarsensoren einzuparken, gehört schon zum Alltag. Viele weitere Anwendungen für Radartechnik liegen auf der Hand, sind jedoch in der Umsetzung meist sehr individuell – bei geringen Stückzahlen und hohen Fertigungskosten. Ein neues Forschungslabor entwickelt nun Drucktechnologien für Hochfrequenzsysteme bis in den Tetrahertzbereich, die individuell, klein und günstig sind.

Wer an Elektronik denkt, stellt sich meistens Bauteile auf einer grünen Leiterplatine vor. Doch dieser Träger für elektrische Elemente eignet sich nur für Schaltungen, die mit Frequenzen deutlich unter 100 GHz arbeiten.

Darüber basieren Platinen für Hochfrequenzsysteme beziehungsweise Radartechnik meist auf lithografischen Verfahren, die jedoch auf Massenfertigung optimiert sind. Eine entsprechende Belichtungsmaske zu erstellen, ist für mittlere Stückzahlen von bis zu 10.000 Exemplaren, wie sie typischerweise von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) produziert werden, zu kostenintensiv. Neue additive Verfahren und Präzisionsdrucktechnik könnten die Lücke zwischen Einzel- und Massenanfertigung schließen.

Massenprodukte meist nicht geeignet

„Das Herzstück des geplanten Forschungslabors ist eine konfigurierbare, mikrometerpräzise Druckplattform, mit der in Zukunft das Packaging hochflexibel und kostengünstig realisiert werden kann“, erläutert Prof. Thomas Zwick, Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik und Elektronik am KIT. Mit Packaging oder Aufbau- und Verbindungstechnik werden alle den Mikrochip unterstützenden Bauteile auf einer Platine – vom Leiterdraht bis zur Antenne – bezeichnet.

Es hängt sehr stark von der Anwendung ab, etwa in Bezug auf die Größe und Ausrichtung von Antennen. Daher eignen sich massenproduzierte Lösungen von der Stange meist nicht. „Radartechnik bei sehr hohen Frequenzen bis in den Terahertzbereich bietet sich für viele weitere Anwendungen an, da die hohe Frequenz eine höhere Messgenauigkeit, höhere Datenübertragungsrate und eine weitere Miniaturisierung möglich macht“, so Zwick.

Mit digitaler Fertigung zur günstigen Produktion

Das Forschungslabor am KIT verbindet Anlagen für additive und maskenlose Abscheide- und Strukturierungsverfahren zu einer flexibel einsetzbaren Druckplattform. Zusätzlich ermöglichen spezielle Messsysteme die Bestimmung des Frequenzverhaltens von Komponenten und Systemen bei mehr als 500 GHz. Um elektrische Schaltungen zu drucken, stehen schon verschiedene Verfahren zur Verfügung, in denen Materialien verschiedenster elektrischer Eigenschaften quasi als Tinte eingesetzt werden – zweidimensionale wie Ink-Jet und Aerosol-Jet oder dreidimensionale wie die Laserlithografie.

Für Schaltungen jenseits der Frequenz von 100 GHz gilt es, die Auflösung zu steigern und die komplementären Eigenschaften miteinander zu verbinden. Die große Herausforderung ist die exakte Positionierung der Bauteile: Druckprozesse sollen dazu mikrometergenau aufeinander abgestimmt werden, damit Bausteine aus den verschiedenen Druckern optimal zusammenarbeiten und Schaltungen möglichst klein werden.

Insbesondere KMU könnten digitale Fertigungsverfahren für eine kostengünstige Aufbau- und Verbindungstechnik bei Frequenzen oberhalb von 100 GHz nutzen, um eine Vielzahl von Sensoranwendungen im Umfeld von Industrie 4.0 und Robotik zu entwickeln. In dem Bereich gibt es viele Messaufgaben von einfachen Abständen bis hin zu komplexer Bildgebung.

Hochfrequenzsensoren bieten sich dafür mit ihrer guten Auflösung, hohen Genauigkeit, kleinen Bauform und hohen Robustheit an. Aber auch in der Telekommunikation können Sender und Empfänger aus Hochfrequenzsystemen eingesetzt werden. Mit digitalen Fertigungsverfahren könnte das Tor zu einer maßgeschneiderten, integrierten und günstigen Produktion aufgestoßen werden.

Neue Forschungsfelder für die Mikroelektronik

An der „Digitalen Fertigung von THz-Mikroelektroniksystemen“ (DiFeMiS) arbeiten im Forschungslabor am KIT derzeit die drei Forschungsgruppen der Professoren Thomas Zwick, Ulrich Lemmer und Christian Koos zusammen (Institut für Hochfrequenztechnik und Elektronik, Lichttechnisches Institut und Institut für Photonik und Quantenelektronik). Die neu eingerichtete Professur von Ahmet Cagri Ulusoy am Institut für Hochfrequenztechnik und Elektronik wird bald mit eingebunden.

Das Labor wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschungslabore Mikroelektronik Deutschland“ mit 3,37 Millionen Euro für drei Jahre gefördert. Forschung auf internationalem Spitzenniveau soll durch Investitionen in modernste Geräte und Anlagen verstärkt ermöglicht werden. Die insgesamt zwölf Labore sollen neue Forschungsfelder für die Mikroelektronik der Zukunft erschließen und den wissenschaftlichen Nachwuchs mit hochmoderner Ausstattung ausbilden.

Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, MdB, betonte auf der Auftaktveranstaltung am 5. Februar 2019 die Bedeutung der Forschungslabore als Investition in die Zukunft: „Wir wollen auch in einer sich rasant verändernden Welt selbstbestimmt leben. Dazu müssen wir in Deutschland und Europa auch technologisch über eine starke Basis verfügen. Die ,Forschungslabore Mikroelektronik Deutschland‘ liefern hierzu einen wichtigen Beitrag. In den Laboren wird die Elektronik der nächsten Jahrzehnte entwickelt und reif gemacht für die Anwendung, damit neue Ideen und neues Wissen schnell in unserem Alltag ankommen.“

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