Karsten Schneider von Profibus & Profinet International im Interview „Profinet vereint Netzwerke“

publish-industry Verlag GmbH

Karsten Schneider , Chairman von Profibus & Profinet International.

Bild: A&D
02.10.2017

Profinet ist sehr verbreitet als Industrial Ethernet, muss sich aber neuen Herausforderungen wie OPC UA und TSN stellen. Allerdings sieht Karsten Schneider, Chairman von Profibus & Profinet International, im Zusammenspiel der Kommunikationstechnologien die ideale Basis für Industrie 4.0, wie er im Gespräch mit A&D erläutert.

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A&D:

Was sind die Kernaufgaben von Profibus & Profinet International, wenn es um Industrial Ethernet geht?

Schneider:

Die Aufgabe ist die Entwicklung von Standards in der industriellen Kommunikation. Früher fing es mit Profibus an, heute ist Ethernet unsere Kernkompetenz, im speziellen natürlich Profinet. Wir arbeiten derzeit auch viel an der Entwicklung von Profilen sowie Daten- und Informationsmodellen. Wir sorgen dafür, eine reibungslose Kommunikation über verschiedene Netzwerktechnologien zu gewährleisten, insbesondere von IO-Link zu Profinet und weiter zu OPC UA. Wir bringen die Firmen an einen Tisch, um einen gemeinsamen Nenner zu finden und Standards zu definieren.

Welche Rolle wird Profinet künftig bei der Vernetzung für Industrie 4.0 spielen?

Weil Profinet ein offenes Ethernet-System ist, bildet es letztendlich die Infrastruktur in einer Anlage. Jegliche Kommunikation von Controllern zu Feldgeräten ist das Steckenpferd von Profinet. Denkt man in Richtung Industrie 4.0, so müssen alle Daten, die aus den Sensoren kommen, ebenfalls übertragen werden. Hier ist Profinet als Kommunikator in alle Richtungen zu sehen; nach unten zum Sensor über IO-Link, horizontal und nach oben in andere Netze wie beispielsweise CC-Link IE und natürlich OPC UA. Desweiteren zeichnet sich Profinet durch Profile wie ProfiEnergy aus. Darüber lassen sich qualifizierte und strukturierte Daten in Energiemanagement-Lösungen einfach übertragen. Außerdem sorgen wir gleichzeitig über das Profil ProfiSafe für Sicherheit in der Anlage, alles über ein Kabel.

Ist ein großer Vorteil von Profinet gegenüber anderen Industrial-Ethernet-Varianten auch die Kompatibilität zu Profibus, dem führenden klassischen Feldbus?

Das würde ich heute nicht mehr sagen. Aber es war natürlich einer der wichtigen Schlüsselfaktoren in der Entwicklung von Profinet. In Europa ist der Anteil von Profinet bei neuen Anlagen heute viel größer als der von Profibus. Dennoch gibt es immer noch viele Profibus-Anwender, gerade in der Prozessautomatisierung, wo Profinet erst an Fahrt gewinnt. Hier ist es natürlich ein großer Vorteil, denn bestehende Anlagen können ohne großen Aufwand über unsere Proxy-Technologie auf Profinet migriert werden.

Wenn Profinet eine zentrale Rolle in der vernetzten Produktion einnimmt, so ist ein störungsfreier Betrieb umso wichtiger. Wie kann hier Profinet punkten?

Wenn es um Diagnosemöglichkeiten geht, ist schon Profibus wegweisend, bei Profinet ist es aber noch besser geworden. Ethernet bringt bereits viele Diagnosemöglichkeiten mit, die wir zusätzlich nutzen. Bei Profinet können wir kanalgranular sagen, wo an welchem Eingang oder Ausgang beispielsweise ein Kurzschluss oder Kabelbruch ist. Durch diese Vererbung der Profibus-Features bietet Profinet ideale Voraussetzungen, um bei Pro­blemen Fehler schneller zu beheben.

Geben Sie Unternehmen auch Beratung beim Netzwerkdesign?

Solange es nur Profinet ist, führen die Engineering-Tools die Kalkulation problemlos durch. Strukturelle Gedanken muss man sich aber machen, wenn noch weitere Netzwerke hinzukommen. Deshalb haben wir eine Guideline mit Empfehlungen und Trainings zum Design eines guten Netzwerks geschrieben. Es reicht nicht, einfach einen Standard auf den Markt zu bringen, sondern man muss auch Training und Hilfestellung zur Verfügung stellen. Das machen wir! Mittlerweile gibt es auch Tools, die bei der Netzwerkauslegung unterstützen.

Und welche Rolle spielt OPC UA im Netzwerkdesign?

OPC UA hat einerseits die klassische Rolle der Kommunikation aus dem Feld in PC- beziehungsweise Cloud-Systeme. Über die Pub/Sub-Erweiterung ist auch die Controller-Controller-Kommunikation möglich. Darin sehe ich eine der großen Stärken von OPC UA. Man hat ein Netzwerk geschaffen, das die Maschinen miteinander verbindet. Hier ergänzt sich OPC UA ideal mit Profinet.

Und Sie kümmern sich um die Koppelung der Netzwerke und einfache Usability?

Das ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit. Das Mapping von Informationsmodellen aus unserer Welt mit OPC UA ist eine Simplifizierung der Technologien. Anwender müssen nichts konfigurieren, da wir alles schon vorgedacht haben. Gerade in der Anfangszeit von Ethernet lag der Hauptfokus auf Geschwindigkeit. Es ging darum, schneller zu sein als die Feldbusse. Ich denke, damit sind wir jetzt durch. Jetzt steht die Usability im Vordergrund, die Technologien müssen per Plug&Play einsetzbar sein.

Wie passt TSN in das Gefüge von Profinet und OPC UA?

Perfekt! TSN ebnet uns den Weg ins Gigabit-Zeitalter. Es ist keine Konkurrenz, sondern stellt uns einen leistungsfähigen und IEEE genormten Layer-2 Mechanismus zur Verfügung. Alle namhaften Chiphersteller werden die TSN Mechanismen künftig in ihre Chips ab 100 MBit aufwärts integrieren.

Stößt Profinet denn schon an seine Bandbreitengrenze?

Bei der „puren“ industriellen Kommunikation stößt Profinet noch nicht an die Grenze, hier reichen die 100 Mbit/s gut aus. Aber jetzt kommen zunehmend die OPC-Übertragung, Diagnose, Web-Browser, Backups, Firmware-Updates und vieles mehr hinzu. Oder denken Sie an die Datenflut für Big-Data-Analysen, die aus der tiefen Sensorebene kommt, und alles über ein Ethernet-Kabel. Für die Zukunft ist es daher essenziell, dass wir Richtung Gigabit gehen, oder überhaupt weg von dieser festen Verzahnung kommen. Bei Profinet waren damals einfach 100 Mbit/s vorgeschrieben, dafür wurden die Chips gebaut. In der Zukunft brauchen wir diese Flexibilität, und die bekommen wir durch TSN.

Woran arbeiten Sie gerade in Verbindung mit TSN?

TSN besteht aus einer Vielfalt von Standards, hier müssen wir gerade herausfinden, worauf man im industriellen Umfeld setzt. Die Spezifikationsarbeiten von Profinet in Verbindung mit TSN haben bereits in den Arbeitsgruppen begonnen. Der zweite Aspekt ist dann die Art und Weise der Konfiguration TSN-basierender Netze. Das Netzwerk muss ja für die jeweiligen Kommunikationsverbindungen Bandbreite und damit Netzwerkressourcen reservieren. Das „wie“ ist die Herausforderung. Hier haben wir Ideen, wie man es möglichst einfach für den Anwender gestalten könnte. Auch hier ist Plug&Play das Ziel.

Wann wird es TSN-Hardware in breiter Verfügbarkeit geben?

Das dauert nicht mehr so lange, wir reden hier von zwei oder drei Jahren.

Wäre dann aus Ihrer Sicht die Vision der ideal vernetzten Digital Factory erfüllt?

Ja! Wir fangen unten beim Sensor mit IO-Link an, direkt gekoppelt an Profinet. Die Profinet-Maschinen kommunizieren über OPC UA miteinander und bringen ihre Daten in die Cloud. Das wäre meine Vision. Vor allem auf der Ebene Maschine-Maschine und Maschine-Geräte spielt TSN dabei eine Rolle. In Richtung Cloud eher weniger, da brauche ich diese Echtzeitfähigkeit nicht. Und weder OPC UA noch TSN werden Profinet überflüssig machen. Ganz im Gegenteil, sie passen ideal zusammen.

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