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Kreislaufwirtschaft gelingt gemeinsam „Politik sollte dringend Anreize für Kunststoffrecycling schaffen“

Eine Kunststofffolie des Unternehmens Multivac wurde aus recycelbarem Monomaterial entwickelt und eignet sich sogar für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie.

Bild: Multivac
08.09.2022

Obwohl die Deutschen Weltmeister im Mülltrennen sind, landen die meisten Lebensmittelverpackungen aus Kunststofffolien nicht im Recycling, sondern in der Verbrennung. Denn sie bestehen meist aus einem Kunststoff-Mix, der sich nicht wieder trennen lässt. Wie kann dieses Problem behoben werden?

Um einen Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft zu gehen, hat Verpackungshersteller Multivac, einer der größten Hersteller der Branche, eine Kunststofffolie aus einem recycelbaren Monomaterial entwickelt. Ein Material, das sich sogar erneut für Lebensmittel nutzen lässt.

Das Problem:

Sortiermaschinen in Recyclingbetrieben sind noch nicht in der Lage, das neue Material zu erkennen und sauber zu sortieren. Christian Traumann, Geschäftsführender Direktor bei Multivac, fordert die Politik deshalb auf, für Recyclingbetriebe Anreize zu schaffen, in Maschinen-Updates zu investieren: „Die Politik sollte dringend Anreize für Kunststoffrecycling schaffen.“

Corona und Konsumverhalten

Kunststoffverpackungen erfreuen sich bei deutschen Verbrauchern derzeit hoher Akzeptanz, zeigt eine Studie der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK). Demnach nutzen deutlich mehr als die Hälfte aller Deutschen (55,9 Prozent) Verpackungen aus Kunststoff, um Lebensmittel länger frisch zu halten.

„Die Corona-Pandemie hat nicht nur das Konsumverhalten beeinflusst, sondern auch die Wahrnehmung von Verpackungen verändert“, sagt IK-Geschäftsführerin Mara Hancker. „Eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist viel stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Diese Wertschätzung ist eine erfreuliche Entwicklung weg vom Plastikbashing, entlässt uns aber selbstverständlich nicht aus der Verantwortung, Kunststoffe aus der Umwelt zu halten und viel mehr zu recyceln.“ Die Umfrageergebnisse bestätigen: 62,3 Prozent der Befragten wünschen sich besser recycelbare Materialien für Lebensmittelverpackungen.

Stoffliche Wiederverwertung von Kunststofffolien bislang kaum möglich

Doch das Recycling von Kunststofffolien ist kompliziert. Ein Beispiel: Geschnittene Lebensmittel wie Salami und Käse erreichen den Verbraucher meist in sogenannten Tiefziehverpackungen. Diese Verpackungsart besteht aus zwei Folientypen – einer dickeren Unterfolie, aus der die Verpackungsmaschine mit Druckluft eine Schale zieht, und einer dünneren Oberfolie, die mit der Unterfolie verschweißt ist. Eine Verpackung, die Lebensmittel sicher schützt und die Haltbarkeit verlängert, nach Gebrauch aber in der Regel in der gelben Tonne und schließlich in der Verbrennung landet. Eine stoffliche Verwertung ist kaum möglich. Warum? Weil die Folien aus einer Mixtur mehrerer Kunststoffe bestehen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen – unter anderem eine Barriere gegen Sauerstoff und Feuchtigkeit bilden und das Versiegeln ermöglichen. Und dieser Materialverbund lässt sich nicht wieder trennen.

„Diese Linearwirtschaft ist auf Dauer kein akzeptabler Zustand“, sagt Christian Traumann, Geschäftsführender Direktor bei Multivac. „Um CO2-Emissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schützen, sollten wir einen Weg finden, mit Kunststofffolien für Verpackungen den Sprung in die Kreislaufwirtschaft zu schaffen.“

Um einen Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft zu gehen, hat das Unternehmen Apet+ entwickelt, ein Kunststoff-Monomaterial für nachhaltige Tiefziehverpackungen, das ohne zusätzliche Siegelschicht auskommt. Es ist sortenrein und lässt sich recyceln.

Ein weiterer Vorteil:

Aus dem Material dürfen neue Lebensmittelverpackungen entstehen. Keine Selbstverständlichkeit. Verboten ist diese Wiederverwendung beispielsweise bei Polypropylen (PP), einer der häufigsten Kunststoffe im Lebensmittelbereich. Multivac engagiert sich zudem bei R-Cycle – eine Initiative, die nach technischen Lösungen sucht, die Zusammensetzung von Kunststoffen maschinell erkennbar zu machen.

Denkbar ist beispielsweise eine Datenbank, in der Kunststoffhersteller die Mixturen hinterlegen. Über einen QR-Code auf der Folie könnten Recyclinganlagen auf die Daten zugreifen, das Material identifizieren und sortenrein trennen.

Die Kreislaufwirtschaft kann also starten?

Nicht ganz. Das Problem ist folgendes: In Müllsortierungsanlagen existieren keine Scanner, die recyclingfähigen Kunststoff im Müllstrom gelber Säcke erkennen könnten. Bislang ist das Volumen des recyclingfähigen Monomaterials für eine Investition in die Systeme zu gering. Ein Henne-Ei-Problem, von der die E-Auto-Branche mit ihrer wechselseitigen Abhängigkeit von Anzahl der E-Fahrzeuge und Ladestationen ein Lied singen kann. In beiden Fällen geht es um die Frage, wer den ersten Schritt macht, um einen Roll-out der Technologie zu ermöglichen.

„Um die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen zu stärken, gehen wir mit unseren Entwicklungsbemühungen in Vorleistung“, unterstreicht Traumann. „Die Kreislaufwirtschaft kann allerdings nur dann wirklich in die Gänge kommen, wenn auch andere Stakeholder der Recyclingkette mitziehen – besonders die Recyclingbetriebe. Hier sollte die Politik dringend Anreize für das Kunststoffrecycling schaffen. Denn es macht auch für die Lebensmittelindustrie keinen Sinn, in umweltfreundliche Verpackungen zu investieren, wenn sie am Ende doch nur in der Müllverbrennung landen.“

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