Von Wasserkraft zu regionaler Windenergie Partnerschaftlicher Verbund

Der lange Weg von der Wasserkraft aus Österreich bis hin zur Windenergie aus Friesland

Bild: Verbund
25.05.2022

Eine gute Zusammenarbeit ist essentiell um in die grüne Energiezukunft zu gehen. Wie dies Hand in Hand funktioniert, lesen Sie im Energy4.0-Titelinterview mit Friesenenergie und Verbund.

Was hat Sie dazu bewegt, den Weg weg von Wasserkraft aus Österreich hin zur Windenergie aus Friesland zu gehen?

Gitta Heitmann-Schmacker:

Windenergie aus der Region war 2010 unser Startup - wir wohnen hier direkt an der Nordsee, haben das ganze Jahr den Wind aus erster Hand. Unser politischer Auftrag als kommunal geführtes Unternehmen ist auch, unsere Bürger für erneuerbare Energien zu sensibilisieren und auf den Weg zur Energiewende mitzunehmen. Mit Wegfall des Grünstromprivilegs konnten wir Windenergie wirtschaftlich nicht mehr abbilden und waren gefordert, neue ökologische Angebote zu schaffen. In dem Kontext haben wir dankenswerterweise VERBUND kennengelernt und hatten so die Möglichkeit, von 60 Prozent Windstromanteilen auf 100 Prozent Energie aus Wasserstrom umzusteigen.

Arthur Wichmann:

Entscheidend war, dass wir weiterhin hochwertigen Ökostrom anbieten: Für die TÜV-Zertifizierungen sind lediglich 33 Prozent Strom aus Anlagen, die nicht älter als sechs Jahre sind, notwendig. Unser Strom kommt zu 100 Prozent aus Neuanlagen, die nicht älter als sechs Jahre sind. Auf einen hohen ökologischen Nutzen haben wir immer viel Wert gelegt. Nun bekommen wir die Möglichkeit, uns wieder an unseren Wurzeln zu orientieren – back to the roots – wieder zurück zur Windkraft, weil wir hier eine windstarke Region sind.

Sie beziehen den Windstrom aus zwei Windparks á sechs Anlagen. War die Entscheidung, wieder auf Windenergie zu setzen, emotional getrieben?

Heitmann-Schmacker:

Nein. Wir freuen uns zwar sehr, dass wir endlich zum Windstrom zurückkehren können. Aber es handelt sich hier um ein ganz klares und sachlich definiertes Unternehmensziel – wir haben uns all die Jahre darauf fokussiert, dass uns das wieder gelingen muss. Und nun ist die Zeit reif dafür.

Inwiefern spielt der Wunsch der Bürger in diese Entscheidung mit hinein?

Heitmann-Schmacker:

Über die Jahre hinweg ist von unseren Kunden immer wieder der Wunsch nach Windenergie – wie früher hier aus der Region – herangetragen worden. Der politische Auftrag für uns, wir sind ja in kommunaler Hand, war da auch immer eindeutig. Seit 2020 
ließ sich dies dann auch Stück für Stück realisieren.

Wissen die Bürger immer zu 100 Prozent, woher ihr Strom stammt?

Heitmann-Schmacker:

Uns ist die Güte des Stroms, den wir beziehen beziehungsweise liefern, sehr wichtig und wir lassen dieses entsprechend über den TÜV zertifizieren. Den hohen Standard vermarkten wir proaktiv, was unsere Kunden auch sehr positiv aufnehmen.

Wie viele Haushalte versorgen Sie?

Wichmann:

Mit Strom versorgen wir aktuell circa 1.700 Haushalte, Tendenz steigend. Aufgrund des Ukraine-Krieges sind wir, so wie alle anderen Stromanbieter ebenfalls, aber eher verhalten auf dem Markt unterwegs; in der derzeitigen Situation steht das Generieren großer Kundenzuwächse nicht im Fokus.

Wie ist es zu dem gemeinsamen Projekt zwischen Friesenenergie und VERBUND gekommen?

Heitmann-Schmacker:

Wir arbeiten mit VERBUND mittlerweile seit fast zehn Jahren zusammen. Mit Wegfall des Grünstromprivilegs waren wir gefordert, einen neuen Marktpartner zu suchen. So ist der Kontakt zu VERBUND entstanden. Für uns ist die Zusammenarbeit sehr belebend, VERBUND hat immer ein offenes Ohr für unsere Belange.

Wichmann:

Mit VERBUND haben wir einen freundschaftlichen Partner gewonnen, der unseren Wunsch nach zertifizierter Windenergie schon sehr lange kannte. Folglich freut es uns alle sehr, dass wir ab dem 1. Januar 2023 wieder 100 Prozent Windenergie in unserem Portfolio haben.

Der Windpark wird aber nicht von VERBUND projektiert, oder?

Heitmann-Schmacker:

Nein, das muss er auch nicht. Ende 2020 sind viele Bestandsanlagen aus dem EEG gefallen, was wiederum zu einem neuen Vermarktungsansatz auf Seiten der Altanlagenbetreiber geführt hat. Folglich haben seitdem sowohl VERBUND als auch wir Gespräche mit Betreibern von Bestandsanlagen geführt. Aufgrund der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Kontaktbeschränkungen hat sich dies leider sehr in die Länge gezogen, sodass die Verhandlungen erst im letzten Quartal 2021 erfolgs- und zielführend für uns abgeschlossen werden konnten.

Nun ist das Steckenpferd von VERBUND Wasserkraft. Wie hat es denn der VERBUND empfunden, dass Sie auf Windenergie setzen wollten?

Thomas Pflanzl: Für eine erfolgreiche Energiewende ist es wichtig, alle erneuerbaren Energieträger zu nutzen. Und diese Altanlagen müssen wiederum auch sinnvoll genutzt werden. Diese Belange erreichen uns seitens der Anlagenbetreiber ebenfalls, deshalb ist es sehr schön, wenn, wie in diesem Fall, das Ergebnis zur Zufriedenheit aller Beteiligten dient und gleichzeitig für das Ökosystem sinnvoll ist.

Also, eine Win-win-Situation für alle Seiten…

Wichmann:

Die aktuellen Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, dass wir autark werden, auch im Gasbezug von Russland. Wenn wir so garantieren können, dass diese Bestandsanlagen weiterbetrieben und nicht abgebaut werden müssen, ist dies in Bezug auf Stromerzeugung ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zugewinn.

Pflanzl:

Es wird darauf hinauslaufen, dass wir auch die Windanlagen ohne Förderung integrieren müssen. Diese Modelle sind zukunftsfähig; hier wird sich, Stichwort Batteriespeicher, noch viel tun.

Wie gelangt der Windstrom von A nach B: Wird dieser zwischengespeichert, abgepuffert und wie sehen die technischen Voraussetzungen dafür aus?

Wichmann:

Physikalisch wird der Strom immer in der Nähe des nächstgelegenen Kraftwerks verbraucht. Umso mehr grüne Energie in den imaginären Stromsee einfließt, desto weniger Atom- und Kohlekraft wird benötigt. Hier in der Region stehen sehr viele Windkraftanlagen, folglich beziehen die meisten Haushalte in unserem Gebiet tatsächlich Windstrom. So schließt sich auch der Kreis, warum wir unseren Kunden vertraglich wieder Windstrom zukommen lassen wollen.

Was ist, wenn zu viel Strom im Netz ist?

Heitmann-Schmacker:

Power-to-Gas ist da zum Beispiel eines der zukunftsweisenden Stichworte. Hier gibt es bereits Prototypversuche, auch auf regionaler Ebene seitens der EWE. Dies ist aber eben eine Fragestellung, die sich in erster Linie an die Netzbetreiber richtet. Wir als reiner Stromversorger sind da nicht die originären Ansprechpartner, nehmen uns aber auch nicht aus der Verantwortung heraus. Wir stehen erneuerbaren Energien aufgeschlossen gegenüber und die aktuellen Ereignisse in der Ukraine zeigen uns auch, wie wichtig es ist, Themen wie Power-to-Gas oder Batteriespeicherung weiter in den Fokus rücken, um ein Stück weit unabhängiger zu werden.

Wo wollen Sie in den nächsten Jahren hin?

Heitmann-Schmacker:

All die Themen, die mit Energiewende und Klimaschutz zu tun haben, beschäftigen uns natürlich sehr. Wir wollen weiter unsere Bürger sensibilisieren und mobilisieren. So fahren unsere Dienstfahrzeuge von Beginn an ausschließlich auf Elektroantrieb. Für die Bürger in unserem ländlichen Raum waren die geräuschlosen Elektrofahrzeuge im Straßenverkehr damals zunächst ein sehr ungewohntes Bild; mittlerweile expandiert der Markt der Elektrofahrzeuge. In unserem Fokus stehen aber auch Elektrotankstellen in Windparks oder wasserstoffbasierter Busverkehr – hierzu gibt es Projekte in der Region, die für uns wichtig sind und mit denen wir uns gerne verbinden.

Es reden gerade alle über Digitalisierung, Energiewirtschaft 4.0. Beschäftigt Sie das auch als Friesenenergie?

Heitmann-Schmacker:

Die Digitalisierung ist auf allen Ebenen ein wichtiges Thema. Viele Prozesse laufen bei uns digital, unsere Kunden haben darüber hinaus über unsere Internetseite oder unser Kundenportal die Möglichkeit, automatisierte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Unsere eigentliche Stärke ist aber der persönliche Kundenservice. Wir sind für unsere Kunden präsent – sie landen im Falle eines Anrufs nicht anonym in einer Hotline. Für unseren besonderen Kundenservice sind wir bundesweit immer wieder ausgezeichnet worden. Bei all der Digitalisierung, die sicherlich notwendig ist und Komfort sowie Erleichterung bringt, ist der persönliche Kontakt ein Thema, das wir genauso wenig wie die Windenergie aus den Augen verlieren werden.

Wichmann:

Die Kunden haben die Wahl zwischen digitalen Lösungen und unserem persönlichen Kundenservice. Und das ist wirklich eine ganz große Stärke von uns. Unsere Kunden schätzen das sehr – denn obwohl alles immer mehr in Richtung Digitalisierung geht, ist der Wunsch, wirklich mit einem Menschen sprechen zu können, überaus stark ausgeprägt.

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