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Interview über die Umsetzung von Condition Monitoring „Open IIoT ist unser Motto“

Hubertus Breier, Head of Technology bei Balluff spricht über den neuen Condition-Monitoring-Sensor.

12.02.2020

Eine günstige, kompakte und leicht nachzurüstende Lösung für die kontinuierliche Zustandsüberwachung und das automatisierte Monitoring von Grenzwerten – genau das benötigen viele Anlagen- und Maschinenbauer. Wie das Balluff mit dem neuen multifunktionalen Condition Monitoring Sensor BCM bewerkstelligen will, erklärt Hubertus Breier, Head of Technology, im Gespräch mit A&D.

Balluff bezeichnet seinen neuen Condition Monitoring Sensor BCM als multifunktional. Was verbirgt sich dahinter?

Der BCM (Balluff Condition Monitoring Sensor) ermöglicht es mit den unterschiedlichen Messgrößen – Vibration, Temperatur, relativer Luftfeuchtigkeit und Umgebungsdruck – eine Vielzahl von unterschiedlichen Applikationen abzudecken. Grundgedanke des BCM ist der Einsatz als Monitoring-Sensor, der Veränderungen von Umweltgrößen detektieren kann und so wertvolle Zusatzdaten für ein Condition Monitoring System bereitstellt. Die gemessenen Daten aus den Sensormodulen werden „on-board“ weiterverarbeitet, sodass direkt smarte Daten zur Verfügung stehen. Über IO-Link kann der Sensor der Applikation entsprechend konfiguriert und auf alle gemessenen und weiterverarbeiteten Größen zugegriffen werden. Damit lässt sich eine hohe Bandbreite von unterschiedlichen Use-Cases abdecken: von der Erkennung einer benötigten Wartung bei Lagern, Antrieben oder Getrieben in der allgemeinen Automatisierungstechnik, bis hin zur Überwachung von hochwertigen Pumpen im Hygienebereich der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie. Auch lassen sich über die Definition charakteristischer Muster aller gemessenen physikalischen Größen Aussagen über die Prozessqualität treffen. Wenn Sie beispielsweise einen Klebeprozess monitoren, sind die relative Luftfeuchte und die Werkzeugtemperatur wichtige Indikatoren für einen erfolgreichen Fügeprozess.

Condition Monitoring wird häufig bei Motoren, Pumpen und Lager durchgeführt. Wie prädestiniert ist Ihr Sensor für diese Anwendungen?

Der BCM eignet sich für genau diese Applikationen sehr gut. Bei der Gestaltung des Vibrationsmoduls – mit einem MEMS-Chip – haben wir uns stark an die gängigen Standards zur Überwachung der genannten Komponenten angelehnt, um hier eine möglichst große Bandbreite an Applikationen abzudecken. Dabei stellt der Sensor die Vibrationsdaten sowohl für Beschleunigung als auch Geschwindigkeit zur Verfügung. Durch die interne Datenvorverarbeitung werden direkt die relevanten Größen, wie zum Beispiel RMS, Mittelwerte, Peak-to-Peak und mehr, berechnet. Zusätzlich übernimmt der BCM die Klassifizierung der Vibration in Anlehnung an die ISO-Schwingungsstärkezonen, die dazu geeignet sind, den Gesundheitszustand der Komponente zu bewerten.

Der BCM mit IO-Link ist eine einfache Nachrüstlösung für Maschinen und Anlagen. Jetzt haben aber gerade diese oft noch keine IO-Link-Anbindung. Welche Connectivity-Lösungen realisiert Balluff ebenfalls?

Balluff bietet ein umfangreiches Connectivity-Portfolio. Neben den Produkten, um analoge Feldgeräte einzubinden, stellt Balluff für eine Vielzahl an Feldbusprotokollen Adapter wie IO-Link-Master zur Verfügung. Damit ist es sehr einfach, IO-Link-Sensoren in ein bestehendes Automatisierungssystem einzubinden und die aufbereiteten Informationen des BCM über die SPS auszuwerten oder einem Software-Service auf IT-Level bereitzustellen.

Die Messdaten werden im BCM verarbeitet. Können Sie das konkretisieren?

Wie bereits erwähnt werden aus den Rohsignalen der einzelnen Sensormodule des BCM bestimmte statistische Größen berechnet, die für die nachgelagerte Analyse verwendet werden können. Hierzu gehört heute bereits das arithmetische Mittel, die Standardabweichung und die statistische Schiefe und Wölbung. In Erprobung und auf der Roadmap zur Einführung steht als nächstes die FFT (Fast Fourier Transformation), ein Algorithmus zur effizienten Berechnung der diskreten Fourier-Transformation (DFT). Dadurch werden die Daten und Ergebnisse bereits am Erfassungsort beziehungsweise im Sensor sinnvoll aggregiert und ein hohes Datenvolumen vermieden. Wie wichtig das ist, wird vor allem anhand des Vibrationsmoduls deutlich. Das Sensorelement selbst generiert in einer Sekunde 6.400 Werte. Ohne die Vorverarbeitung müssten diese großen Datenmengen in nachgelagerten Systemen weiterverarbeitet werden, damit wiederum eine Steuerung oder ein Gateway die Daten verarbeiten kann. Genau diese Auswerteelektronik haben wir im Vergleich zu zahlreichen am Markt erhältlichen Lösungen direkt in den Sensor verlagert. Somit spart sich der Kunde zentrale Prozessorleistung und teure Kommunikationstechnik. Der Sensor kann dann direkt an einen – idealerweise bereits vorhanden IO-Link-Master – angebunden werden.

Welche Potenziale sehen Sie in der Künstlichen Intelligenz bei Ihrer Sensorik?

Sensorik ist das Fundament der KI, denn nur mit Daten können Sie Informationen generieren und diese für intelligente, maschinelle Entscheidungen nutzen. Gerade für die Bereitstellung smarter Daten birgt die Nutzung von KI-Ansätzen ein hohes Potenzial. Auf der SPS zeigten wir, wie eine Klassifizierung unterschiedlicher Maschinenzustände KI-basiert aus den Signalen des BCM erfolgen kann. Für die anschauliche Demonstration nutzten wir einen Kaffeevollautomaten, der mit einer Pumpe, einem Mahlwerk und einem Boiler verschiedene Prozessbestandteile einer industriellen Anlagentechnik simuliert. Der BCM liefert die Datengrundlage und speist damit die Trainingsdaten für ein neuronales Netz, welches die Klassifizierung der Maschinenzustände ermöglicht. So kann der Betriebszustand einer Maschine KI-basiert und ohne bereitgestelltes Expertenwissen erfasst werden. Endanwender können dann Daten direkt auf Basis des aktuellen Betriebszustands analysieren, ohne hierbei aufwändig in die Steuerung der jeweiligen Maschine eingreifen zu müssen. Für die Zukunft planen wir auch, dass diese KI-basierte Auswertung direkt im BCM durchgeführt werden kann, indem man einen trainierten Algorithmus einspeist und damit die Klassifizierung im Sensor durchführt.

Welche Möglichkeiten hat der Anwender in der Aufbereitung und Darstellung der Daten des BCM?

Der BCM ist ein „Enabler“ und genau dafür ist er optimiert. Die Parametrisierung kann über den Balluff Device Manager erfolgen und die Daten werden on-board zu Informationen verarbeitet, welche dann zur Verfügung stehen. Wir konzentrieren uns mit dem BCM auf die zuverlässige und effiziente Bereitstellung von Information mittels einer hoch standardisierten Schnittstelle. Dabei wollen wir die Möglichkeiten unserer Kunden zur Weiterverarbeitung nicht einschränken, etwa durch einen starren Durchstich im IIoT-Stack. Die meisten Kunden möchten mittlerweile eine Einbindung der Sensorik in die eigene IIoT-Plattform-Infrastruktur, dabei wäre eine proprietäre Lösung eher hinderlich und komplex zu betreiben. Open IIoT ist unser Motto, daher erarbeiten wir Plattform-agnostische Lösungen, mit denen unsere Kunden mit jeder etablierten „Analytics Engine“ und anderen „Domain Services“ der bekannten IoT Hyperscaler und IIoT Plattformen arbeiten können. Unser Demonstrator auf der SPS veranschaulichte dies sehr gut. Im Vorfeld wurden über ein Touchpad gelabelte Daten des BCM aufgenommen und zu Trainingsdaten weiterverarbeitet. Mit diesen wurde ein neuronales Netz zur Klassifizierung trainiert, dass sogenannte „Deep Learning“. Dabei kommen hauptsächlich standardisierte Bibliotheken wie Tensorflow und Karas von Python zum Einsatz. Der Machine Learning Algorithmus wurde in diesem Fall komplett in Python geschrieben und verwendet eine InfluxDB zur Datenspeicherung und Grafana zur Visualisierung. Das Ganze läuft auf einem Raspberry Pi mit IO-Link-Schnittstelle.

Wie genau unterscheidet sich Balluff mit seinem BCM von anderen Anbietern im Markt?

Ich würde sagen durch die strikte Ausrichtung an unserem Kundensegment und dessen Bedürfnissen. Das Wertversprechen des BCM ist am Kundensegment der industriellen und standardisierten Automatisierung mit hohem Verfügbarkeitsanspruch ausgerichtet, um sich schnell und einfach und zuverlässig in eine IO-Link-Infrastruktur einbinden zu lassen. Daher haben wir uns auch bei dieser Produktvariante bewusst gegen Wireless-Technologien wie Bluetooth oder LoRaWAN entschieden. Weiter haben wir bei der Gestaltung des Sensors großen Wert auf die Miniaturisierung bei gleichzeitiger Robustheit gelegt und können somit bis zu 25-mal kleiner sein und mit einem Edelstahlgehäuse bis zur Schutzart IP69K gehen. Damit können wir sowohl in Applikationen gehen, die Raum-sensitiv sind oder harsche Umweltbedingungen aufweisen, wie auch Kunden im Hygienebereich der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie bedienen. Zur Nutzung der Daten ist der Kunde an keine Plattform gebunden und es gibt keine Monetarisierung über Lizenzmodelle. Die Ausgabe von Informationen aus gleich vier physikalischen Größen bei einer Abtastrate von 6,4 kHz in einer Zykluszeit von 20 ms runden das Paket des BCM ab.

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