News Energiemarkt auf dem Prüfstand


Nigel Blackaby, Konferenzdirektor der Power-Gen Europe

Bild: Power Gen Europe
15.05.2013

Zentrales Thema: Europäische Vernetzung

"Versorgungssicherheit und stabile politische Rahmenbedingen sind Voraussetzungen für Investitionen in den europäischen Energiesektor. Nur wenn diese gewährleistet sind, kann langfristig sichergestellt werden, dass Europa mit seinen Zielen zur Verringerung der CO2-Emissionen wettbewerbsfähig bleibt. Auch eine Anpassung der Marktstrukturen ist unerlässlich."Nigel Blackaby, Konferenzdirektor der Power-Gen Europe

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Der Energiemarkt steht auf dem Prüfstand - Zentrales Thema der Power-Gen Europe 2013 ist die europäische Vernetzung??

In letzter Zeit wurde viel über die US-Fiskalklippe‘ gesprochen. Doch während ein kurzfristig abgeschlossener Deal zwischen Demokraten und Republikanern im US-Senat die potenzielle Krise vorläufig abgewendet hat, steht die Energiewirtschaft Europas nun vor zahlreichen gesetzlichen und finanziellen Herausforderungen. Und anders als in den USA gibt es hier keine kurzfristigen Lösungen.

Laut Fulvio Conti von ENEL sind bis zum Jahr 2020 rund 1 Trillion € für den Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Dies umfasst den Bau neuer Kraftwerke als Reserve für erneuerbare Energien sowie die weitere Entwicklung und den Einsatz von innovativen Technologien - zum Beispiel in intelligenten Stromnetzen und bei der Energiespeicherung. Dennoch blockieren Marktverunsicherung und mangelnde Kohärenz zwischen der Politik auf nationaler und europäischer Ebene den Zugang zu Kapital in Europa, sodass Conti den europäischen Energiesektor kürzlich sogar als "uninvestierbar" bezeichnet hat.

Nach jüngsten Zahlen von Eurelectric (dem Branchenverband der europäischen Elektrizitätswirtschaft) ist künftig mit einem jährlichen Wachstum des Energiesektors um 0-2 % gerechnet. Aktuell gibt es ein Flickwerk aus nationalen Initiativen und Subventionen, die sich überwiegend auf erneuerbare Energien konzentrieren. Anders die marktbasierte Energieerzeugung wie Kombikraftwerke, Kohle-/Gaskraftwerke und traditionelle Wärmekraftwerke, die als Reserve für die volatilen erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen müssen. Finanzielle Anreize sind hier nicht vorhanden. Dazu kommt: Das CO2-Programm ist kollabiert und die Preise befinden sich auf einem Niveau, das potenzielle Investoren eher abschreckt als ermutigt. Es fehlen verlässliche Rahmenbedingungen bzw. Anreize für Investitionen in den Bau neuer flexibler Erzeugungs- und Speicherkapazitäten. Auch gewährleistet es keine zuverlässige Grundlage für den Erhalt der bestehenden Versorgungssicherheit bei einem starken Ausbau der erneuerbaren Energien.

Richtige Signale aussenden

Damit Kapitalanleger langfristig in den Bau und Betrieb flexibler Erzeugungskapazitäten investieren, ist ein vernünftiges Maß an Rechts- und Marktsicherheit erforderlich, sodass eine Investition auch nach über 30 Jahren noch Rendite abwirft. Die derzeitigen regulatorischen Signale, die von europäischen und nationalen Politiker ausgehen, erschweren es Kapitalanlegern allerdings, eine langfristige Anlagenrendite zu erkennen, weshalb der Markt stagniert.

Gravierende Marktveränderungen zeichnen sich in weiteren Feldern der Energiewirtschaft ab. Beispiel Gas: Investitionen in dieses Segment sind derzeit nicht attraktiv, da die Gaspreise wegen hoher Nachfrage aus Asien nach oben getrieben werden. Gleichzeitig ist aber auch eine Investition in Kohlekraftwerke schwierig, da unklar ist, wie sich der Preis für CO2-Emissionen in der Zukunft entwickelt bzw. welche Steuern künftig auf Emissionen erhoben werden. Zusätzlich laufen viele der Kombikraftwerke in Europa durchschnittlich nur weniger als 30 Prozent ihrer potenziellen Laufzeit - daher ist es keine Überraschung, wenn sich die Kapitalanleger weiter zurückhalten.

Erst verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen ermöglichen längerfristige Investitionsentscheidungen. Im Gegenzug verhindern schnelle Kursänderungen im vereinbarten politischen Rahmen - etwa das Zurücknehmen von CO2-Zertifikaten durch die Europäische Kommission - eine langfristige Planung. Obwohl die dritte EU-ETS Handelsperiode 2013-2020 zum 1. Januar 2013 begann, wurde der Nachbesserungsantrag zur Änderung der Menge, der in den ersten Jahren herauszugebenden Zertifikate, lediglich zwei Monate vor dem Jahresende 2012 eingereicht. Damit wird die Planungssicherheit für Kraftwerkinvestoren oder -betreiber sicherlich nicht verbessert...

Gleichgewicht wiederherstellen...

Das Problem ist darin zu sehen, dass der politische Schwerpunkt auf Energien aus erneuerbaren Quellen und die Einhaltung bestimmter Ziele gelegt wurde, wobei die dafür notwendige Infrastruktur vernachlässigt worden ist. Dies zeigt sich ganz offenkundig in dem Druck, der auf einzelnen Ländern lastet. Die Lage wird noch ernster, wenn Strom eingespeist wird, der nicht kontinuierlich verfügbar ist.

Die Versorger haben keine Kontrolle mehr darüber, wann sie Strom aus nicht dauerhaft verfügbaren Quellen liefern und darüber, dass herkömmliche Wärmekraftwerke geschlossen werden, da sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Das Ergebnis daraus sind höhere Energieerzeugungsquoten aus erneuerbaren Quellen und geringere Kapazitäten aus Wärmekraft als Reserven. Dies bringt neue Herausforderung für Übertragungs-/Fernleitungsnetzbetreiber und politische Entscheidungsträger mit sich. Durch die für 2050-gesetzten Ziele für kohlenstoffarme Energieerzeugung spitzt sich diese Situation noch weiter zu, denn ähnlich wie bei erneuerbaren Quellen bedeutet kohlenstoffarme Energie mehr Unbeständigkeit in Bezug auf die Versorgung.

Obwohl die Branche verschiedene Optionen für Netzstabilität und -sicherheit erforscht, ist eine realisierbare und effiziente Lösung noch nicht in Sicht. Pumpspeicherwerke sind beispielsweise für Schweden und Norwegen sowie angrenzende Nachbarländer eine gute Lösung für diese Problematik. Doch auch hier riesige Speicherreserven nötig, um die Stromversorgung Europas gerade im Winter aufrechtzuerhalten. Technologien wie zum Beispiel die Wasserstoffspeicherung sind mit hohen Gefahren, Kosten und Ineffizienz verbunden. Atomkraft ist zwar eine realisierbare Option, wird aber von einigen Ländern allmählich abgeschafft und auch die Versorgung durch Photovoltaik ist aufgrund von dunklen Wintern in Europa nicht verlässlich gesichert.

Der Weg hin zu kohlenstoffarmer Energie geht auch mit der Notwendigkeit einher, ein Gleichgewicht im Übertragungssystem zu schaffen. Die derzeitige geographische Struktur ist so ausgelegt, dass sich an bestimmten Standorten große Kraftwerke befinden und der Strom von diesen Kraftwerken in die Ballungszentren und Industriegebiete weitergeliefert wird. Doch diese Struktur der Netze verändert sich. Vor den Küsten werden neue Elektrizitätswerke gebaut und im ganzen Land verstreuen sich Solaranlagen sowie kleinere Wärmekraftwerke und damit verbunden auch Elektrizität, die nicht kontinuierlich verfügbar ist, da sie in Regionen erzeugt wird, in denen kein Verbrauch stattfindet. Das bedeutet auch, dass herkömmliche Kraftwerke die meiste Zeit über nicht mehr mit voller Last betrieben werden.

Vereinte Kräfte

Der Energiemarkt der Zukunft ist europäisch. Das ist unbestritten. Ob aber das EU-weite Energienetz zu einem "Drehkreuz" werden kann, hängt nicht zuletzt ab von einem vernünftigen Mix aus Energie auf Basis regenerativer Energieerzeugung und aus konventionellen Regelkraftwerken, die für Netzstabilität benötigt werden. Hierbei müssen die Netzbetreiber und politischen Entscheidungsträger vorausschauender und enger zusammenarbeiten, um die wichtigen Vernetzungen zwischen den Ländern voranzubringen. Trotz einiger Fortschritte gehen solch komplexe Projekte oft langsam voran. Deutlich zeigte sich diese Problematik daran, wie lange es gedauert hat, bis der Bau der Verbindung zwischen Spanien und Frankreich in Angriff genommen wurde. Doch gerade diese Bereitstellung der erforderlichen physischen Netzverbindungen wäre ein großer Schritt hin zu einemeffizienteren Markts, der auch die richtigen Signale an Investoren aussenden würde.

Ein größeres physisches Vernetzungssystem würde möglicherweise auch dafür sorgen, dass der politische Schwerpunkt auf eine gegenseitige Anpassung der fragmentierten Subventionsregelungen und -systeme der europäischen Länder gelegt wird. Auf EU-Ebene muss beispielsweise eine Entscheidung zur Erhöhung des CO2-Preises getroffen werden, denn die Branche erhielte durch eine höhere Nachfrage Auftrieb, da Investitionen in zusätzliche Wärmekraftwerke oder regelbare Kraftwerke gesichert würden.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die EU gegen globale Aktivitäten nicht immun ist. Die zentrale Herausforderung besteht darin, eine Einigung darüber zu erzielen, inwieweit die EU Belastungen, die mit dem globalen Klimawandel einhergehen, alleine tragen kann, ohne dass es ein bindendes globales Abkommen über die CO2-Reduktion gibt. Die Frage ist, ob Europa mit seinen steigenden Energiepreisen konkurrenzfähig bleiben kann, während die Preise in anderen Weltregionen gesenkt werden - besonders, wenn sich die ökologische Wirtschaft‘ auf Basis regenerativer Energieerzeugung nicht in der gehofften Weise entwickelt.

Die Globalisierung bedingt, dass sich multinationale Unternehmen dort ansiedeln, wo sie die am besten ausgebildeten Mitarbeiter finden und die Kosten für Arbeitskräfte und Energie am konkurrenzfähigsten sind. Folglich besteht eine Notwendigkeit, sich darauf zu konzentrieren, die Energiewirtschaft, die Europas Wohlstand erzeugt, am Laufen zu halten. Dies wiederum bedeutet sicherzustellen, dass wir die nächste Generation von Arbeitskräften mit den Fähigkeiten und technischen Kompetenzen ausstatten, die sie brauchen, damit Europa in einer globalisierten Welt konkurrenzfähig bleibt.

Europa hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Energiemarkt in Richtung einer klimafreundlicheren Energiepolitik und mehr Energie aus erneuerbaren Quellen zu reformieren Doch dies muss auf kostengünstigste Weise ermöglicht werden - durch einen angemessenen CO2-Preis und einen integrierten Binnenmarkt, der sich durch Interkonnektivität und Harmonisierung von Förderprogrammen auszeichnet. Diese Themen sind es, die in der europäischen Energiewirtschaft zur Debatte stehen und die Grundpfeiler des strategischen Themenbereichs der Konferenz auf der diesjährigen Power-Gen Europe sein werden, die vom 4. bis 6. Juni 2013 in Wien stattfindet.

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