Sauerstoffverzehrkathode im großtechnischen Einsatz Neues Verfahren spart 25 Prozent Energie bei der Chlorproduktion

Prüfende Blicke während eines Stillstands an der Demonstrationsanlage in Leverkusen: Hier wurde die Sauerstoffverzehrkathoden-Technologie seit Jahren weiterentwickelt und intensiv getestet.

Bild: Covestro
25.06.2018

Covestro baut in Spanien die erste Großanlage und will damit ordentlich Energie sparen. Der Trick: Statt einer wasserstofferzeugenden Elektrode kommt dabei eine Sauerstoffverzehrkathode zum Einsatz.

Der Werkstoffhersteller Covestro plant den Bau einer eigenen Chlorproduktion am spanischen Standort Tarragona und setzt dabei auf ein nachhaltiges Herstellungsverfahren: Die sogenannte Sauerstoffverzehrkathodentechnologie verspricht im Vergleich zum üblichen Verfahren einen rund ein Viertel geringeren Energieverbrauch. Die neue Anlage in Tarragona soll die erste großtechnische Anlage werden, die rein auf dieser modernen Technik beruht.

Covestro investiert derzeit rund 200 Millionen Euro in den spanischen Standort, um dessen Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die neue Chlorproduktion ist dabei ein wichtiger Baustein: Denn rund ein Drittel der Herstellungskosten für Chlor entfallen normalerweise auf Energie, somit leistet die eingesetzte Technologie hier einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag. Die Entwicklung der neuen Technologie hab vor über zwei Jahrzehnten bei Covestro begonnen.

Rund 25 Prozent weniger Energie – wie geht das?

Chlor wird für die Herstellung von rund zwei Dritteln aller Kunststoffe verwendet. Allerdings kommt es in der Natur nicht rein vor, sondern ist immer gebunden – zum Beispiel in Steinsalz. Daraus lässt sich Chlor mit Hilfe einer Elektrolyse gewinnen – dieser Prozess ist jedoch energieintensiv. Covestro und Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers haben daher ein Verfahren entwickelt, das den Energiebedarf gegenüber dem üblichen Prozess um rund 25 Prozent senkt: bei dieser neuen Technik wird eine Sauerstoffverzehrkathode (SVK) verwendet.

Die SVK-Technik basiert auf dem gängigen Membranverfahren. Hier werden aus Steinsalz, Wasser und elektrischer Energie Chlor, Natronlauge und Wasserstoff gebildet. Der entscheidende Unterschied: Die übliche wasserstofferzeugende Elektrode wird durch eine Sauerstoffverzehrkathode ersetzt. Es entstehen lediglich Chlor und Natronlauge. Das bedeutet: Die benötigte elektrische Spannung beträgt ungefähr nur noch zwei statt drei Volt. Das entscheidende Volt weniger.

„Die Änderung in diesem Prozess klingt einfach, war für die Chlorproduktion allerdings eine bahnbrechende Entwicklung“, so Hanno Brümmer, der als Produktionsleiter im Segment Polyurethanes global auch für den Bereich Chlor zuständig ist. „Die Erfindung und ersten Entwicklungsarbeiten hatten 1992 in unserem Labor begonnen. Danach haben wir zusammen mit Thyssenkrupp das Verfahren weiterentwickelt und 2011 die erste Demonstrationsanlage im industriellen Maßstab in Krefeld-Uerdingen in Betrieb genommen“.

Chlor als wichtiges Vorprodukt für MDI-Hartschaum

Der Baubeginn für die neue Anlage in Tarragona ist für das erste Halbjahr 2019 vorgesehen. Chlor wird in Tarragona für die Produktion des Hartschaum-Vorprodukts MDI benötigt, einem Dämmstoff, der beispielsweise in Gebäuden und Kühlgeräten eingesetzt wird und dort für Energieeinsparungen sorgt. Genauso wie die eingesetzte SVK-Technologie bei der Chlorproduktion. Im Vergleich zum üblichen Verfahren werden jährlich rund 22.000 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr entstehen. Dies entspricht in etwa den Emissionen von 15.000 Autos pro Jahr.

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