Nachhaltiges Trennverfahren Neues Material trennt CO2 aus Industriegasen ab

Eine klimaneutrale Produktion ist eines der größten Ziele für die Industrie der Zukunft.

Bild: Unsplash, Octavian Catană
23.10.2020

Chemiker der Universität Bayreuth haben ein Material entwickelt, mit dem sich Kohlenstoffdioxid aus Industrieabgasen, aber auch aus Erdgas und Biogas abtrennen und wiederverwerten lässt. Das Verfahren ist sowohl energieeffizient als auch kostengünstig und zeichnet sich dadurch aus, dass es nur auf CO2 und keine anderen Gase anspringt.

Der 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellte „Green Deal“ fordert, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen innerhalb der EU bis zum Jahr 2050 auf null zu verringern. Hierfür bedarf es innovativer Verfahren, die CO2 aus Abgasen und anderen Gasmischungen abtrennen und zurückhalten können, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt.

Das in Bayreuth entwickelte Material hat im Vergleich zu bisherigen Trennverfahren einen grundsätzlichen Vorteil: Es ist imstande, CO2 vollständig aus Gasmischungen zu entfernen, ohne CO2 chemisch zu binden. Bei den Gasmischungen kann es sich um Abgase aus Industrieanlagen, aber auch um Erdgas oder Biogas handeln.

Einzig und allein CO2 aufnehmen

In allen diesen Fällen lagert sich CO2 allein aufgrund physikalischer Wechselwirkungen in den Hohlräumen des Materials an. Hier kann es ohne hohen Energieaufwand herausgelöst werden, sodass es wieder als Ressource für die Industrieproduktion zur Verfügung steht.

Das Trennverfahren arbeitet also, chemisch gesprochen, nach dem Prinzip der physikalischen Adsorption. Wie ein geräumiger Speicher lässt es sich auf energieeffiziente Weise mit Kohlendioxid füllen und entleeren. Die Forscher haben es so strukturiert, dass es aus verschiedensten Gasgemischen jeweils nur das CO2 und kein anderes Gas abtrennt.

„Unserem Forschungsteam ist ein Materialdesign gelungen, das zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllt: Die physikalischen Wechselwirkungen mit CO2 sind stark genug, um dieses Treibhausgas aus einem Gasgemisch herauszulösen und festzuhalten. Andererseits sind sie aber schwach genug, um das CO2 mit nur geringem Energieaufwand aus dem Material wieder zu entfernen“, erklärt Martin Rieß, Erstautor der Veröffentlichung in ScienceDirect und Doktorand am Lehrstuhl Anorganische Chemie I der Universität Bayreuth.

Andere Gase bleiben draußen

Bei dem neuen Material handelt es sich um ein anorganisch-organisches Hybridmaterial. Die chemische Basis bilden Tonminerale, die aus Hunderten von einzelnen Glasplättchen bestehen. Diese sind jeweils nur 1 nm dick und exakt übereinander gestapelt.

Zwischen den einzelnen Glasplättchen befinden sich organische Moleküle, die als Abstandshalter fungieren. Sie wurden hinsichtlich ihrer Form und ihrer chemischen Eigenschaften so gewählt, dass die entstehenden Porenräume optimal auf die Anlagerung von CO2 zugeschnitten sind. Nur Kohlendioxid-Moleküle können in das Porensystem des Materials eindringen und werden festgehalten. Methan, Stickstoff und andere Abgaskomponenten bleiben aufgrund der Größe ihrer Moleküle draußen.

Die Forscher bedienen sich hierbei des sogenannten Molekularsiebeffekts, um die Selektivität des Materials gegenüber CO2 zu erhöhen. Derzeit arbeiten sie an der Entwicklung eines auf Tonmineralen basierenden Membransystems, das eine kontinuierliche, selektive und energieeffiziente Abtrennung von CO2 aus Gasmischungen ermöglichen soll.

Industrieprozesse im Labor nachstellen

Die Entwicklung des für CO2 maßgeschneiderten Hybridmaterials war nur möglich, weil in den Bayreuther Laboratorien eine spezielle Messanlage eingerichtet wurde, die präzise Aussagen über die Mengen adsorbierter Gase und über die Selektivität des adsorbierenden Materials treffen kann. Dadurch ließen sich Industrieprozesse realistisch nachbilden.

„Alle Kriterien, die für die Bewertung industrieller CO2-Trennverfahren relevant sind, werden von unserem Hybridmaterial hervorragend erfüllt“, sagt Rieß. „Es lässt sich kostengünstig herstellen und kann einen wichtigen Beitrag zur Verringerung industrieller Kohlendioxid-Emissionen, aber auch zur Aufbereitung von Biogas und saurem Erdgas leisten.“

Bildergalerie

  • Martin Rieß vor der Messanlage zur dynamischen Gasadsorption: Durch sie ließen sich Industrieszenarien im Labor nachbilden.

    Martin Rieß vor der Messanlage zur dynamischen Gasadsorption: Durch sie ließen sich Industrieszenarien im Labor nachbilden.

    Bild: Christian Wißler, Universität Bayreuth

  • Elektronenmikroskopische Querschnittsaufnahme des neuen Materials: Die Glasplättchen konnten sehr präzise hergestellt und – von Abstandshaltern unterbrochen – übereinander geschichtet werden.

    Elektronenmikroskopische Querschnittsaufnahme des neuen Materials: Die Glasplättchen konnten sehr präzise hergestellt und – von Abstandshaltern unterbrochen – übereinander geschichtet werden.

    Bild: Martin Rieß, Universität Bayreuth

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