Radartechnologie für effizientere Windräder Neuer Materialscanner prüft Rotorblätter auf Defekte

Mit dem neuartigen Radarscanner des Fraunhofer IAF können Defekte in der Materialzusammensetzung der Rotorblätter genauer als bisher aufgespürt werden.

13.04.2017

Mit dem neuartigen Radarscanner des Fraunhofer-Institut werden Defekte in der Materialzusammensetzung der Windradflügel wesentlich genauer als bisher aufgespürt und in Querschnitts-Ansicht visualisiert.

Herzstück des Windrads sind die Rotorblätter, deren Produktion und Wartung strenge Prüfverfahren erfordert. Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF wurde nun ein Radarscanner entwickelt, der Defekte am Rotorblatt findet und visualisiert.

Weltweit wird sich die durch Windräder erzeugte Leistung laut Global Wind Energy Council bis 2030 auf 2 110 Gigawatt vervierfachen – und dann 20 Prozent der Elektrizitätsversorgung ausmachen. Umso wichtiger ist es für diesen Wachstumsmarkt, dass die Windkraftanlagen immer leistungsfähiger, aber auch zuverlässiger und langlebiger werden. So können zum Beispiel Schwachstellen in der Produktion der Windradflügel laut Branchenexperten während der Gesamtbetriebsdauer der Anlage ungeplante Mehrkosten von mehreren hunderttausend Euro in Betrieb und Wartung verursachen. Damit Windräder kosteneffizienter und verlässlicher betrieben werden können, hat das Fraunhofer IAF einen Materialscanner für die Qualitätskontrolle von Rotorblättern entwickelt. Mit der auf Radar basierenden Technologie können Defekte in der Materialzusammensetzung der Windradflügel noch detaillierter als bisher aufgespürt werden.

Defekte in Verbundkunststoffen identifizieren

Die meist dreiflügeligen Rotoren sind die zentralen Komponenten jeder Windkraftanlage: Sie wandeln den Wind über Rotationsenergie in elektrischen Strom um. Ähnlich wie die Tragflächen eines Flugzeugs sind sie enormen Belastungen ausgesetzt und müssen deshalb sehr widerstandsfähig konstruiert werden. Moderne Windradblätter bestehen hauptsächlich aus glas- und kohlefaserverstärkten Kunststoffen (GFK / CFK), damit sie auch bei starken Böen die Windenergie elastisch abfedern, ohne zu brechen. Für einen Flügel werden bis zu 100 Glasfasergewebe-Bahnen aufeinandergeschichtet, in Form gebracht und meist mit Epoxidharz verklebt. In diesem Produktionsschritt ist die Qualitätskontrolle essenziell: „Die Schwierigkeit besteht darin, die Glasfaserbahnen vor der Verklebung glatt aufzuschichten, ohne dass sich beispielsweise Ondulationen – also Wellen – und Falten bilden, oder es beim Epoxid-Auftragen zu Harznestern oder unausgehärteten Laminatstellen kommt“, erklärt Dr. Axel Hülsmann, Koordinator des Radarprojekts und Gruppenleiter Sensorsysteme beim Fraunhofer IAF. Derartige Defekte sowie Delaminierungen oder Brüche lassen sich großflächig über Infrarot-Thermographie lokalisieren. „Mit unserem Materialscanner können die Defekte jedoch deutlich präziser identifiziert werden, da mit der Radartechnologie zusätzlich eine Tiefenauflösung möglich ist – und das an Stellen, an denen Ultraschallmethoden versagen“, so Hülsmann.

Querschnittsprofile mit millimetergenauer Präzision

Kern des Materialscanners ist ein Hochfrequenzradar, das im sogenannten W-Band zwischen 85 und 100 GHz bei wenigen Watt Sendeleistung arbeitet. Mit einer speziellen Software können Sende- und Empfangssignal verarbeitet und die Messergebnisse visualisiert werden. „Dadurch können wir Querschnittsansichten der Flügel generieren, mit denen wir Defekte im Millimeterbereich identifizieren können. Damit ist unser Materialscanner erheblich genauer als herkömmliche Methoden“, bemerkt Hülsmann. Das Radarmodul basiert auf Indium-Gallium-Arsenid-Halbleitertechnik und kann durch seine monolithisch integrierte Bauweise, bei der man verschiedene Komponenten und Funktionen auf nur einem Chip integriert, extrem leicht und kompakt gefertigt werden. Mit einer Abmessung von 42 x 28 x 79 Millimeter hat es die Größe einer Zigarettenschachtel und wiegt nur 160 Gramm. Es zeichnet sich durch eine geringe Leistungsaufnahme von etwa 5 Watt aus und verfügt über einen eingebauten Mikrocontroller, der die Messsignale über eine Internet-Schnittstelle ausgibt.

Die Auflösung erhöhen

In Zukunft soll der Frequenzbereich des Moduls auf bis zu 260 GHz ins sogenannte H-Band ausgedehnt werden. „Damit könnten wir die Bandbreite des Radarmoduls von 15 GHz auf über 60 GHz vervierfachen. Ziel ist, die bereits sehr gute Auflösung der Rotorflügel-Querschnitte nochmals zu erhöhen“, sagt Hülsmann.

Auch in anderen Branchen kann der Radarscanner des Fraunhofer IAF dazu beitragen, innovative Werkstoffprüfungen zu ermöglichen – zum Beispiel in der Flugzeugindustrie: Bei neueren Flugzeugen wie dem Boeing 787 Dreamliner oder dem Airbus A350 bestehen insbesondere die Flügel zu einem großen Teil ebenfalls aus leichten Verbundmaterialien. „In der Flugzeugindustrie wie auch in der Kunststoffindustrie kann eine präzise und schnelle Defektprüfung sowohl im Produktionsprozess als auch in der Wartung Kosten sparen und Schäden durch Materialermüdung vorbeugen“, erläutert Hülsmann.

Vom 24. – 28.05.2017 präsentiert das Fraunhofer IAF den Materialscanner zur Prüfung von Windradrotorblättern auf der Hannover Messe am Gemeinschaftsstand Baden-Württemberg in Halle 17, Stand B76. Der ausgestellte Radarscanner demonstriert vor Ort die Prüfung verschiedener Verbundkunststoffe und zeigt die Möglichkeiten der innovativen Radartechnologie auf.

Bildergalerie

  • Das Radarmodul des Fraunhofer IAF basiert auf Indium-Gallium-Arsenid-Halbleitertechnik und kann durch seine monolithisch integrierte Bauweise extrem leicht und kompakt gefertigt werden.

    Das Radarmodul des Fraunhofer IAF basiert auf Indium-Gallium-Arsenid-Halbleitertechnik und kann durch seine monolithisch integrierte Bauweise extrem leicht und kompakt gefertigt werden.

    Bild: Fraunhofer IAF

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