Windenergie Neuer Branchenstandard für den Rückbau von Windenergieanlagen

Etliche Windenergieanlagen in Deutschland erreichen demnächst das Ende ihrer Lebensdauer und müssen nachhaltig zurückgebaut werden.

Bild: neowa GmbH
20.07.2020

Für den Rückbau und das Recycling von Windenergieanlagen gibt es erstmals einheitliche Standards: Am 17. Juli 2020 veröffentlichte das Deutsche Institut für Normung die DIN SPEC 4866, die künftig als Branchenstandard gelten soll. Auf Initiative der Industrievereinigung RDRWind hat ein Konsortium aus 25 Unternehmen ein Jahr lang dieses Dokument erarbeitet. Dazu gehörten Fachleute aus der Windenergiebranche, Recycling-Experten, Wissenschaftler sowie Mitarbeiter von Behörden, wie beispielsweise dem Umweltbundesamt. Beteiligt war auch das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH), das mit seiner Forschung zum Rückbau von Windanlagen den Anstoß gegeben hat.

Auf die deutsche Windenergiebranche kommt ab 2021 eine Rückbauwelle zu. Etwa 30.000 Windenergieanlagen drehen sich derzeit auf Wiesen und Feldern in ganz Deutschland – und jede zweite wird in den kommenden zehn Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, weil sie entweder am Ende ihrer Lebenslaufzeit angekommen ist oder sich der Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Bereits zum Jahreswechsel 2020/2021 endet für etwa 5.200 Windenergieanlagen die 20-jährige Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), weitere 8.000 Windenergieanlagen folgen bis Ende 2025. Ein Teil dieser Windenergieanlagen wird bereits vorzeitig im Rahmen eines Repowering ersetzt, andere werden über die Förderperiode hinaus weiterbetrieben.

Rahmenbedingungen für den Rückbau-Prozess

Einen Standard oder eine Norm für die Demontage und das Recycling von Windenergieanlagen gab es weder in Deutschland noch in Europa. Das änderte sich am 17. Juli 2020, als das Deutsche Institut für Normung (DIN) die DIN SPEC 4866 veröffentlichte. „Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen“ lautet der Titel des 26-seitigen Dokuments. Es legt Rahmenbedingungen für den gesamten Rückbau-Prozess fest – von der Planung über die Durchführung bis zur Dokumentation – und bietet unter anderem den Betreibern eine erste Hilfestellung an. Der neue Branchenstandard ist in deutscher und englischer Sprache kostenfrei über den Beuth Verlag verfügbar und steht damit auch der europäischen Windindustrie sowie den Behörden als eine Vorlage für eigene Aktivitäten zur Verfügung.

So gibt die DIN SPEC 4866 beispielsweise Empfehlungen, wie die Baustelle gesichert werden muss und welche Qualifikationen die Arbeiter benötigen, die den Rückbau durchführen. Sie beschreibt, wie Rotorblätter, Turm und Gondel zerlegt werden sollten und welche Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind, damit keine schädlichen Stoffe in die Umwelt gelangen. Sie erläutert, welche Bestandteile der Windenergieanlage sich auf welche Weise verwerten lassen, wie der Rückbau dokumentiert werden muss und welche behördlichen Genehmigungen für den Rückbau in welchem Bundesland notwendig sind.

Die Empfehlungen sollen künftig Betreibern und spezialisierten Unternehmen helfen, Rückbauprojekte zu planen und durchzuführen. Sowohl die Betreiber von Windparks als auch Abriss- und Recycling-Unternehmen können sich damit in Zukunft auf ein standardisiertes Vorgehen einigen. Darüber hinaus soll die DIN SPEC 4866 auch Kommunen und Behörden dabei helfen, den Rückbau zu überwachen und zu beurteilen.

Branchenstandards als „best practice“ für den Rückbau

Erarbeitet wurde das Dokument von einem Konsortium aus 25 Expertinnen und Experten aus der Windenergie- und Recycling-Branche, Wissenschaftlern sowie Mitarbeitern von Behörden wie beispielsweise dem Umweltbundesamt. Die DIN SPEC 4866 entstand auf Initiative der Industrievereinigung für Repowering, Demontage und Recycling von Windenergieanlagen (RDRWind). Die Industrievereinigung wurde Ende 2018 in Hannover gegründet, unter anderem mit dem Ziel, erstmalig Branchenstandards als „best practice“ für den Rückbau zu etablieren.

„Uns geht es vor allem um den nachhaltigen Rückbau. Windenergieanlagen sind umweltfreundlich und sollen es auch bleiben, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben“, sagt Martin Westbomke. „Die Recyclingquote von Windenergieanlagen ist bereits jetzt sehr hoch und liegt bei über 90 Prozent.“ Der 1. Vorsitzende und Gründungsmitglied der Industrievereinigung RDRWind hat sich als Wissenschaftler am Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) intensiv mit dem Rückbau von Windenergieanlagen beschäftigt. Westbomke geht es nicht um einen reinen Abriss, sondern um einen nachhaltigen Rückbau, bei dem möglichst viele Bestandteile recycelt und verwertet werden.

So sieht das auch Andrea Aschemeyer von der VSB Neue Energien Deutschland, die das Konsortium zur Erarbeitung der DIN SPEC 4866 geleitet hat. „Bislang gab es kein einheitliches Vorgehen für den Rückbau von Windenergieanlagen“, erläutert Aschemeyer. „Aber bisher gab es auch nur eine überschaubare Zahl von Rückbau-Projekten, weil die meisten Windenergieanlagen in Deutschland noch nicht so alt sind. In den nächsten Jahren kommt allerdings eine Rückbau-Welle auf uns zu – und wir wollen Unternehmen, Behörden und Betreibern helfen, darauf gut vorbereitet zu sein, um den Rückbau und das Recycling von Windenergieanlagen sicher und professionell zu gestalten.“

Mehr zum Thema Post-EEG

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel