Die Natur als Vorbild Neue Methode entfernt Öl aus Gewässern

Auf dem Blatt des Schwimmfarns Salvinia molesta perlt ein Wassertropfen ab. Öl dagegen wird aufgesaugt und weitertransportiert. Dieser Salvinia-Effekt kann – übertragen auf spezielle Funktionstextilien – bei der Reinigung von Gewässeroberflächen helfen.

Bild: Wilhelm Barthlott
17.02.2023

Ölverschmutzungen auf Binnengewässern gefährden weltweit wichtige Ökosysteme und die Süßwasserversorgung. Rettung verspricht eine Idee der Universität Bonn: Textilien mit einer dem Schwimmfarn ähnlichen Oberfläche, die Öl vom Wasser trennen und in einen Sammelbehälter leiten.

Das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) fachlich und finanziell mit rund 365.000 Euro gefördert. Teamleiter Prof. Dr. Wilhelm Barthlott hat schon einmal auf seinen Erfindergeist aufmerksam gemacht: Vor mehr als 20 Jahren erhielt er den Deutschen Umweltpreis der DBU, damals für seine weltweit erfolgreichen Forschungen zum Lotuseffekt. Bei dem geht es ebenfalls um biologische Oberflächeneffekte und ihre technischen Anwendungen.

Sauberes Wasser essenziell für Menschen und Ökosysteme

Ölverschmutzungen auf Gewässern sind weltweit ein großes Umwelt-Risiko. „Sauberes Wasser ist aber für die Gesundheit von Menschen und Ökosystemen essenziell“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Nach seinen Worten muss das Bestreben darauf gerichtet sein, Erdöl als Energieträger durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen.

Bonde sagt weiter: „Das Ende fossiler Energieträger verringert nicht nur die Erderwärmung, sondern minimiert auch das Risiko von Ölkatastrophen im Meer und auf Gewässern. Wir brauchen effiziente Wege, um Ölverschmutzungen zu vermeiden.“

Öl verbreitet sich wie ein Film rasant auf der Wasseroberfläche

Sind Binnengewässer von einer Ölverschmutzung betroffen, ist die Reinigung oft mit einem hohen personellen und mechanischen Aufwand verbunden. „Schon geringe Öl-Verunreinigungen können Feuerwehr und Umweltbehörde tagelang in Atem halten“, sagt Franz-Peter Heidenreich, Leiter des DBU-Referats Wasser, Boden, Infrastruktur.

Der Grund: Das Öl verbreitet sich als dünner, schmieriger Film rasant auf der Wasseroberfläche und belastet so rasch enorme Flächen – eine Gefährdung für Tiere, Pflanzen und Trinkwasserressourcen. Heidenreich: „Oftmals verdunstet zudem viel Öl, wodurch erhebliche Schadstoffmengen in die Luft gelangen.“

Salvinia molesta bringt Forschungsteam auf die zündende Idee

Ein Forschungsteam der Universität Bonn hat nun mit DBU-Mitteln unter Leitung von Umweltpreisträger Barthlott einen schwimmenden sogenannten Bionischen Öl-Adsorber entwickelt (Bionic Oil Adsorber, BOA). An der Oberfläche des BOA bleibt Öl von Gewässeroberflächen haften und wird so vom Wasser abgetrennt. Nach einem physikalischen Prinzip – ganz ohne Energieaufwand – wird es dann in einen Behälter weitergeleitet und gesammelt.

„Abgeschaut haben wir das Phänomen in der Natur“, sagt Barthlott. Grundlage waren nach der Entdeckung des Lotuseffektes seit 2008 Arbeiten zu effizienter Adsorption und schnellem passiven Transport von Öl auf biologischen Oberflächen. Barthlott sagt weiter: „Es fanden sich dabei vor allem Pflanzen wie der Schwimmfarn Salvinia molesta, der mit teilweise höchst komplexer Oberflächenstruktur optimal dazu in der Lage ist.“ Im DBU-geförderten Projekt gelang die Umsetzung in die Praxis.

Prototyp trennt in Tests bis zu drei Liter Öl pro Stunde von Gewässeroberfläche

In Zusammenarbeit mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und der Heimbach-Gruppe in Düren wurden geeignete Funktionstextilien identifiziert, die Diesel-, Heiz- oder Motoröl über sechs Zentimeter breite Streifen von einer Wasseroberfläche in einen Sammelbehälter transportieren. Barthlott erklärt: „Der kann dann entleert und das Öl gegebenenfalls sogar wiederverwendet werden.“ Nach den Worten des Wissenschaftlers ergaben die Tests, „dass ein vergleichsweise kleiner BOA-Prototyp bis zu drei Liter Öl pro Stunde von einer Gewässeroberfläche sammeln kann – ohne Energieaufwand“.

Ein „umweltfreundliches und besonders effizientes“ Verfahren. Dabei sei das Tempo der Reinigung von der Viskosität des Öls abhängig. Barthlott meint dazu: „Aufgrund der geringeren Zähflüssigkeit wird Diesel 50-mal schneller transportiert als Motoröl.“ Die innovative Technik der Öl-Wasser-Trennung kann laut Umweltpreisträger vorwiegend in Binnengewässern eingesetzt werden. „Denkbar wäre aber auch der Einsatz im Bereich der Schifffahrt oder in industriellen Anlagen.“ Aufgrund der hohen Effizienz der ersten Prototypen rechnet er mit einer zeitnahen industriellen Produktion des Bionischen Öl-Adsorbers für die Öl-Wasser-Trennung.

Deutscher Umweltpreis der DBU 1999 für die Entdeckung des Lotuseffekts

Barthlott wurde als Entdecker des sogenannten Lotuseffekts bekannt. Ihm und seinem Team gelang vor mehr als zwei Jahrzehnten der Nachweis, dass durch bestimmte raue Mikrostrukturen auf der Blattoberfläche der Lotusblume Wassertropfen sofort abperlen und die anhaftenden Schmutzpartikel mitreißen.

Von der Natur lernen und die Erkenntnisse auf Alltagsgegenstände wie Fassadenfarben oder Polymeroberflächen zu übertragen, hilft Reinigungsmittel und Wasser einzusparen, was ein immenses Umweltentlastungspotenzial birgt. Barthlott ist dafür 1999 mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet worden.

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