Quant als Winkel Neue Messmethode für wichtige physikalische Konstante gefunden

Eine Lichtquelle (links) sendet einen Strahl durch ein spezielles Material, dadurch wird die Polarisationsrichtung gedreht - aus dem Winkel lässt sich dann die Feinstrukturkonstante ablesen.

Bild: Tatiana Lysenko, TU Wien
23.11.2022

Eins durch 137 – das ist eine der wichtigsten Zahlen in der Physik. Es handelt sich dabei um die sogenannte Feinstrukturkonstante, die sich bislang nur indirekt ermitteln ließ. An der TU Wien ist nun eine Möglichkeit gefunden worden, sie direkt zu messen.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Feinstrukturkonstante zu messen. Meistens passiert das indirekt über das Erfassen anderer physikalischer Größen. An der TU Wien wurde nun allerdings ein Experiment durchgeführt, an dem sich die Feinstrukturkonstante selbst ablesen lässt – und zwar als Winkel.

1/137 – Kennzahl des Universums

Der ungefähre Wert der Feinstrukturkonstante ist 1/137. Sie beschreibt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung, indem sie angibt, wie stark geladene Teilchen auf elektromagnetische Felder reagieren. Hätte die Feinstrukturkonstante einen anderen Wert, würde unser Universum völlig anders aussehen. Atome hätten eine andere Größe, die ganze Chemie würde anders funktionieren und die Kernfusion in den Sternen würde anders ablaufen. Eine vieldiskutierte Frage ist auch, ob die Feinstrukturkonstante tatsächlich konstant ist, oder ob es möglich ist, dass sie ihren Wert über Milliarden Jahre hinweg geändert hat.

Ablesen statt Ausrechnen

„Die meisten wichtigen physikalischen Konstanten haben eine bestimmte Einheit – zum Beispiel die Lichtgeschwindigkeit, die man in der Einheit m/s angeben kann“, erklärt Prof. Andrei Pimenov vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. „Bei der Feinstrukturkonstante ist das anders. Sie hat keine Einheit, sie ist einfach nur eine Zahl. Man sagt auch: Sie ist dimensionslos.“

Um die Feinstrukturkonstante zu messen, ist es meistens trotzdem notwendig, verschiedene einheitsbehaftete Größen zu messen und aus ihnen dann auf die Feinstrukturkonstante zu schließen. „In unserem Experiment wird hingegen die Feinstrukturkonstante direkt sichtbar“, sagt Pimenov.

Hierzu wird ein Laserstrahl linear polarisiert; das Licht schwingt exakt in vertikaler Richtung. Dann trifft der Strahl auf eine wenige Nanometer dicke Schicht eines speziellen Materials. Dieses Material hat die besondere Eigenschaft, die Polarisationsrichtung des Lichts zu verändern.

„Dass ein Material die Polarisation eines Laserstrahls dreht, ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Verschiedene Materialien können das, je dicker die Materialschicht, umso stärker wird die Polarisation des Lasers gedreht“, erklärt Pimenov. „Doch wir haben es hier mit einem völlig anderen Effekt zu tun. In unserem Fall wird die Polarisation nicht kontinuierlich gedreht – sie springt.“

Licht im Quantensprung

Beim Durchqueren des dünnen Films führt die Polarisationsrichtung des Lichts einen Quantensprung durch. Die Lichtwelle schwingt danach in einer anderen Richtung als vorher. Wird nun die Größe dieses Sprungs ausgerechnet, stellt sich heraus: Das Quantum dieser Winkeländerung ist genau die Feinstrukturkonstante.

„Wir haben damit einen direkten Zugang zu etwas recht Ungewöhnlichem: einem Rotationsquantum“, sagt Pimenov. „Die Feinstrukturkonstante wird unmittelbar als Winkel sichtbar.“

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